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Was plant die Bundeswehr auf dem Truppenübungsplatz Wittstock?

Informationen über das "Bombodrom" in der Freien Heide und eine Pressemitteilung der Grüne Liga Brandenburg e.V.

Im Folgenden dokumentieren wir einige neue Informationen über den Planungsstand zum "Bombodrom" Wittstock sowie eine Presseerklärung der Grünen Liga Brandenburg zum Thema "Tiefflieger und Tourismus".


Was plant die Bundeswehr?

Trotz sinkender Kampfbomberzahlen und trotz der Schließung vieler Truppenübungsplätze und Truppenstandorte halten Regierung und Bundeswehr an der Einrichtung des Bombodroms Wittstock fest.

Der Oberbundesanwalt begründete dies im Rahmen des Prozesses vor dem Bundesverwaltungsgericht so: "Der Truppenübungsplatz und Luft-/Boden- Schießplatz Wittstock soll ... dem Zweck dienen, den Ausbildungsstand der Einsatzverbände - hier insbesondere der Krisenreaktionskräfte - zu halten und zu verbessern. Ohne Wittstock bleiben die Möglichkeiten für eine realitätsnahe Ausbildung in der Bundesrepublik Deutschland deutlich eingeschränkt."
In den vergangenen Jahren wurden unterschiedliche Angaben zur geplanten Nutzung des Bombodroms von der Bundeswehr gemacht. Im Rahmen des Anhörungsverfahrens legte die Bundeswehr erstmalig 5 DIN A4 Seiten umfassende Unterlagen über die Art und den Umfang der geplanten militärischen Übungen vor.

Wer soll üben und was?

Neben den Hubschraubern und Kampfbombern der Bundesluftwaffe sollen auch alle innerhalb der NATO verwendeten Kampfbomber üben, um dem NATO-Grundsatz der "gerechten Lastenteilung" zu genügen, denn die deutsche Luftwaffe übt vorwiegend im Ausland. Ohne Wittstock können im Inland nur Standard-Einsatzverfahren in Siegenburg und Nordhorn geübt werden, die wesentlich kleiner sind. Mit Wittstock könnten auch sog. taktische Bombenabwürfe im Inland geübt werden. Man kann schließen, daß auch zielsuchende moderne Bomben aus großen Flughöhen eingesetzt werden sollen, auch wenn die BW behauptet, ausschließlich Übungsmonition verwenden zu wollen.
Darüberhinaus soll auch Artillerie des Bundesheeres an 100 Tagen im Jahr auf dem Bombodrom üben.

Übungskonzept

Die abgedruckte (auch als DIN A3-Plakat erhältliche) Karte gibt schematisch die Mindesflughöhen wieder. Die Kampfbomber deuten die Ein- und Ausflugskorridore an. Angegeben sind minimale Flughöhen. Die zulässige Flughöhe außerhalb gekennzeichneter Gebiete beträgt 300 m über Grund. Bei Vorliegen einer Genehmigung können es auch 150 m sein.

Es sollen bis zu 1700 Einsätze im Jahr geflogen werden. Ein Einsatz besteht üblicherweise aus den Kampfübungen einer aus bis zu 4 Flugzeugen bestehenden Formation mit einem Abstand von 5 Sekunden. Während eines Einsatzes fliegt jedes Flugzeug das Ziel im Durchschnitt 5 mal an und dreht dabei jeweils eine Runde über dem Bombodrom. Dies entspricht bis zu 6800 Ein- und 6800 Ausflügen und bis zu 34000 Kampfübungen mit je einer Platzumrundung innerhalb von 47 Wochen im Jahr. Dies entspricht rund 150 Kampfübungen pro Flugtag und einer Kampfübung alle 2 Minuten während der 5.5 Flugstunden am Tag.


Übersicht:

Aktivitäten pro Stunde*: 1.5 Einsätze / 6 Flugzeuge / 30 Bombenabwürfe

Das macht im Jahr: 1.700 Einsätze / 6.800 Flugzeuge /34.000 Bombenabwürfe

* während der angegebenen Flugzeiten tagsüber


Entgegen bisherigen Annahmen sollen Bomben aus Höhen von 30 bis 4000 m abgeworfen werden. Rund 240 Einsätze sollen nachts stattfinden, dann allerdings mit je einem Kampfbomber.

Zuverlässigkeit der Angaben

Die Angaben zu den Flughöhen bei Bombenabwürfen machen verständlich, warum das Interesse der BW am Bombodrom Wittstock so groß ist. Die geplanten Abwürfe aus großen Höhen können nur auf einem so großen Bombenabwurfplatz durchgeführt werden, denn sie bergen weitaus größere Gefahren als die Tiefflugübungen. Die quantitativen Angaben wurden vom Bundesverteidigungsministerium folgendermaßen begründet: "Die Fliegerischen Einsätze sind so geplant, dass der sich nach dem Fluglärmgesetz ergebende Lärmschutzbereich sich zum größten Teil innerhalb der Grenzen des Truppenübungsplatzes befindet, dass an der Liegenschaftsgrenze ein niedrigerer Dauerschallpegel als 67 dB (A) zu erwarten ist." (siehe dazu auch Faltblatt zum Thema Fluglärm) Dies verdeutlicht, daß weniger Einsätze als angegeben kaum zu erwarten sind, denn die juristische Durchsetzbarkeit der Grenzwerte ist für mögliche Kläger und Klägerinnen sehr aufwendig und führt allenfalls zu Schadenersatz.

FREIe HEIDe-Gruppe , Berlin/Neuruppin


Grüne Liga Brandenburg e.V.
4. Juni 2003

Pressemitteilung

TIEFFLIEGER GEGEN TOURISMUS?
GRÜNE LIGA befürchtet Tiefflüge über Vogelparadiesen


Mit der vom Bundesministerium der Verteidigung offenbar beabsichtigten Errichtung eines neuen Bombenabwurfgeländes bei Wittstock entstehen auch neue Gefahren für Tiere und Menschen im Havelland. Darauf macht die GRÜNE LIGA Brandenburg aufmerksam.

Die von der Bundeswehr im Rahmen der gerichtlich angeordneten Anhörung der vom Bombodrom direkt betroffenen Gemeinden vorgelegten Planungen sehen vor, dass der neue Truppenübungsplatz von Norden her angeflogen wird. Nach Abschluss der Kampfübungen sollen die Flugzeuge dann den Platz im Süden (Richtung Kyritz) oder Südosten (Richtung Neuruppin) verlassen. Die Ausflugkorridore sind dabei zwar nur einige Kilometer weit in den Unterlagen verzeichnet, bereits seit längerem aber existiert ein Tiefflugkorridor, der von Wittstock aus genau nach Süden Richtung Belzig geht. Bereits mehrmals wurde dabei z.B. die Brut der seltenen Großtrappe gestört, auch wird von Segelfliegern von Beinahe-Kollisionen mit Bundeswehr-Tornados in der Umgebung des Landeplatzes Lüsse bei Belzig berichtet. Segelflieger werden genauso wie Vögel nicht vom Radar erfasst. Der Ausflugkorridor Südost hingegen ist der GRÜNEn LIGA neu.

Die Bundesluftwaffe soll diesen Korridor bereits genutzt haben, es gibt Augenzeugenberichte, dass Neuruppin in geringer Höhe überflogen wurde. Behalten die Flugzeuge diese Richtung bei, wird das Rhinluch erreicht ­ jenes Gebiet, in welchem im Herbst bis zu 50.000 Kraniche und Zehntausende Wildenten und Wildgänse rasten, um sich auf den Zug in die Winterquartiere vorzubereiten. Tiefflüge sind im Gegensatz zu Zivilflugzeugen besonders problematisch, weil aufgrund der hohen Geschwindigkeit plötzlich erhebliche Lautstärken auftreten, die zu Schreck- und Panikreaktionen führen. Besonders in den Abendstunden, wenn sich die Kraniche an den Rastplätzen sammeln, würden unvorbereitet auftretender Tieffluglärm erhebliche Schreckwirkungen zur Folge haben. Tausende Kraniche gerieten in Panik, Familienverbände würden zerrissen, die Jungkraniche würden viel Energie bei der Suche nach den Eltern verlieren ­ und wäre diese erfolglos, könnte dies den Tod der Jungtiere bedeuten, da sie für den Flug in die Winterquartiere der Führung durch die Eltern bedürfen. Zudem ginge durch hektisches Umherirren Energie verloren, die Kraniche würden noch mehr Futter benötigen. Dabei sind bereits jetzt sehr häufig Klagen der Bauern über die auf ihren Feldern von den Vögeln verursachten Schäden zu hören.

Für das Rhinluch, insbesondere die Orte Linum, Kremmen und Sommerfeld, ist bereits jetzt der Tourismus ein wichtiges wirtschaftliches Standbein. Neben der Ruhe ist vor allem das Erlebnis der hier noch sehr reichhaltigen Vogelwelt ein touristisches Potenzial. Genau dieses würde durch militärischen Tiefflug in dieser Region gefährdet. Gefährdet wäre aber auch die Gesundheit der dort lebenden Menschen und der Patienten der Klinik in Sommerfeld. Und zudem besteht die Gefahr von Zusammenstößen zwischen Tornados der Bundeswehr und Vögeln sowie Privatflugzeug- und Segel- bzw. Ballonfliegern.

Die GRÜNE LIGA Brandenburg ruft deshalb alle Natur- und Tierschützer sowie Bewohner der betroffenen Gebiete auf, gegen diese Pläne der Bundeswehr zu protestieren und dazu am Pfingstsonntag in Rheinsberg um 14.00 Uhr vor dem Schloß mit der BI FREIe HEIDe gegen diese Vorhaben zu demonstrieren. Ebenso sollten Protestbriefe nach Berlin gesandt werden, um die Verantwortlichen auf die Probleme aufmerksam zu machen, die sich auch fern vom eigentlich mit "Bombodrom" bezeichneten Gebiet in der Wittstock-Ruppiner Heide ergäben, würde dort wieder Krieg gespielt.

Norbert Wilke
Pressesprecher der GRÜNEN LIGA Brandenburg e.V.



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