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Kein Baustopp für Truppenübungsplatz

Bundestag lehnt Antrag gegen Ausbau der Militärstadt "Schnöggersburg" in der Altmark ab

Von Susan Bonath *

Die Linkspartei ist Ende vergangener Woche im Bundestag mit ihrem Versuch gescheitert, den Bau der militärischen Übungsstadt »Schnöggersburg« im Gefechtsübungszentrum (GÜZ) Altmark zu stoppen und die Colbitz-Letzlinger Heide für eine zivile Nutzung verfügbar zu machen. Neben CDU/CSU, FDP und SPD stimmten auch die Grünen gegen den Antrag. Sachsen-Anhalts CDU-SPD-Landesregierung hat indes in ihrer seit Freitag vorliegenden Antwort auf eine große Anfrage der dortigen Linksfraktion klargestellt, daß der Betrieb des Truppenübungsplatzes allein Sache des Bundes sei. Transparenz herzustellen, habe somit nicht zu ihren Aufgaben gehört. Die Linke will nun eine Aussprache im sachsen-anhaltischen Landtag beantragen.

Die Bundestagsabgeordneten der Linken kritisierten in ihrem Antrag, die mit rund 100 Millionen Euro kalkulierte Militärstadt werde gegen den Willen der meisten Anwohner gebaut. Sie erinnerten dabei an den »Heidekompromiß« von 1997. Darin vereinbarte die damalige rot-grüne Landesregierung nach zahlreichen Protesten mit dem Bund, daß der südliche Teil des GÜZ ab 2006 zivil genutzt werden sollte. Sechs Jahre später sagte sich die neue CDU-FDP-Regierung von dem Abkommen jedoch los. Dagegen demonstriert die Bürgerinitiative Offene Heide bis heute an jedem ersten Sonntag im Monat.

Die Linke forderte, die Steuergelder statt in die 6,5 Quadratkilometer große Geisterstadt in kommunale Haushalte zu stecken. »Allerorts fehlen Mittel für die öffentliche Daseinsvorsorge; wichtige Projekte scheitern schon an kleinen Summen.« Auch das Argument »Arbeitsplätze« sei »nicht stichhaltig«. »Die meisten der gerade einmal 150 Stellen für Menschen der Region liegen im Niedriglohnsektor«, bemängelte die Linksfraktion. Zugleich erinnerte sie daran, daß die Colbitz-Letzlinger Heide Trinkwasser- und Naturschutzgebiet ist. Nach Überzeugung der Linken »setzt die Regierung mit dem militärischen Ausbau den Umbau der Bundeswehr hin zu einer weltweit einsetzbaren, schlagkräftigen Einsatzarmee fort«. Das sei mit dem humanitären Völkerrecht nicht vereinbar. »Kriege dürfen kein Instrument deutscher Außen- und Sicherheitspolitik werden, erst recht nicht in urbanen Zentren«.

Die einstige »Antikriegspartei« hat den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, er genüge nicht der geschichtlichen und aktuellen Situation in der Heide. Soldaten müßten professionell für den Einsatz in Krisengebieten ausgebildet werden, dafür sei das urbane Übungszentrum notwendig, befand die Grünen-Abgeordnete Undine Kurth in ihrer im Internet veröffentlichten Bundestagsrede. Einen Teil der Schuld sieht Kurth bei den Linken selbst. »Die PDS erfüllte während ihrer Regierungszeit mit der SPD von 1998 bis 2002 nicht ihre Aufgabe, einen Naturpark in der Heide einzurichten. So hat sie es Schwarz-Gelb leicht gemacht, den Heidekompromiß aufzulösen.«

Sachsen-Anhalts Landesregierung räumt in ihrer Antwort auf die große Anfrage indes ein, daß der Bund sie erstmals im Januar 2011 über das Militärprojekt in Kenntnis gesetzt habe. Das war nach jW-Recherchen mindestens viereinhalb Jahre nach Planungsbeginn. Zur Verfügung gestellte Unterlagen habe das Bundesverteidigungsministerium als »Verschlußsache – nur für den Dienstgebrauch (VS–NfD)« deklariert. Deshalb und weil es keine Landesbaumaßnahme sei, habe man Landtag und Öffentlichkeit auch 2011 noch nicht informiert, heißt es. Außerdem, so die Landesregierung, »gibt es einen Konsens zwischen Militär und Anliegerbevölkerung zum Erhalt des GÜZ. Die im Verfahren angehörten Städte Stendal, Gardelegen und Tangerhütte haben nicht widersprochen.« Naturschutzrechtliche Bedenken habe man keine, und man erwarte auch keinen erhöhten Lärmpegel.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 13. November 2012


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