Der Hochsicherheitstrakt zieht um
Verlegung des Europäischen Hauptquartiers der US-Army von Heidelberg nach Wiesbaden nimmt konkrete Formen an
Von Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden *
Ab 2013 soll das Europäische Hauptquartier der US Army von der hessischen Landeshauptstadt aus
arbeiten. Kritiker warnen, dass damit auch die Gefahr terroristischer Anschläge in Wiesbaden
wächst.
Mit einem feierlichen ersten Spatenstich »auf der grünen Wiese« haben am Dienstag (1. Dez.) im
Wiesbadener Stadtteil Erbenheim offiziell die Arbeiten für den Bau einer neuen Wohnsiedlung
begonnen. Hier sollen ab 2012 über 300 teilweise ranghohe US-Militärs und ihre Familien ein
Domizil finden. Die Errichtung der Wohnanlagen ist Teil eines groß angelegten Projekts zur
Verlegung des Europäischen Hauptquartiers der US Army (USAREUR) mit über 1000 Mitarbeitern
von der Universitätsstadt Heidelberg in die hessische Landeshauptstadt. Ab 2013 soll die
Einrichtung der hochmodernen militärischen Kommandozentrale abgeschlossen sein
Rund 17 000 Personen
Wiesbadener Eliten, Medien und Kommunalpolitiker, allen voran der an der Spitze der örtlichen
Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen im Rathaus regierende Oberbürgermeister Helmut
Müller (CDU), freuen sich über den Umzug auf das Gelände um den Erbenheimer Militärflughafen
an der Autobahn A 66, auch »Airfield« genannt. Sie versprechen sich davon eine wirtschaftliche
Belebung. Nach dem Umzug werden in Wiesbaden rund 17 000 Personen zur US-Militärgemeinde
gehören: Berufssoldaten, Zivilangestellte und Familienangehörige.
Die Wiesbadener Stadtverordnetenversammlung hatte schon im letzten Frühjahr mit der Mehrheit
der Jamaika-Parteien CDU, FDP und Grüne die Verlegung des Europäischen Hauptquartiers
begrüßt. Nur eine grüne Stadtverordnete scherte aus und stimmte gemeinsam mit der Linken Liste
und anderen kleinen Oppositionsfraktionen mit Nein. Die SPD-Fraktion enthielt sich der Stimme. Für
ihr striktes Nein führt die Linke Liste (LiLi) unterschiedlichste Argumente an. So befürchtet die
dreiköpfige Fraktion durch den zusätzlichen Flächenverbrauch der US-Army im Umfang von etwa 50
Hektar vor allem ökologische Beeinträchtigungen: die Versiegelung klimatisch bedeutsamer Flächen
rund um das »Airfield« und den Verlust wertvoller Agrarflächen, die bislang auch dem ökologischen
Landbau dienten.
Ebenso warnen die linken Kommunalpolitiker vor einer Zunahme der Verkehrsbelastung auf ohnehin
überlasteten Straßen und vor Mietpreissteigerungen, unter denen sozial Schwache und Kinderreiche
zu leiden hätten. Dies wiederum begünstige den Wegzug vieler Familien in das Umland und damit
noch größere Verkehrs- und Pendlerströme. Da die sich Militärgemeinde überwiegend in einem
abgeschirmten Bereich abspiele, wo alle Geschäfte auf Dollarbasis abgewickelt würden, falle wenig
für das einheimische Gewerbe ab, warnt LiLi-Chef Hartmut Bohrer.
Vor allem würden durch die Konzentration strategisch bedeutsamer militärischer Anlagen die
Bundesrepublik Deutschland und Wiesbaden als Militärstandort immer stärker in völkerrechtswidrige
Angriffskriege hineingezogen. Bei einer solchen Konzentration von hochrangigem Personal und
militärischer Infrastruktur wachse auch die Gefahr terroristischer Anschläge, warnt der
Stadtverordnete Jürgen Becker: »Erbenheim wird Hochsicherheitstrakt.«
Kein Mädchenpensionat
Der Erbenheimer bemängelt, dass die Erschließung um das »Airfield« vor allem von der Öffentlichen
Hand und damit von den Steuerzahlern finanziert werde und fordert »bei so gravierenden
Einschnitten in den Lebensraum ein Mitspracherecht der Anwohner«. Das US-Hauptquartier sei
»weder eine Militärakademie noch ein Mädchenpensionat. Die Herrschaften, die dort wohnen,
führen immerhin Krieg«, so Becker.
Wiesbaden ist seit 1945 ein wichtiger Stützpunkt der US Army, die zum Kriegsende Einrichtungen
der Wehrmacht übernahm. Hier sind auch US-Einheiten stationiert, die im Zuge des Irak-Kriegs
maßgeblich an den Folterungen im berüchtigten Gefängnis Abu Ghoreib beteiligt waren, was 2004
international für Aufsehen sorgte.
* Aus: Neues Deutschland, 2. Dezember 2009
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