Solarstrom statt Panzer
Größte Photovoltaikanlage Deutschlands auf früherem Truppenübungsplatz geht in Betrieb. Umweltschützer befürchten Verdrängung seltener Vögel
Von Lars Hartfelder, ddp *
Deutschlands größter Solarpark wird an diesem Donnerstag offiziell in
Betrieb genommen. Auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Lieberose in
Südostbrandenburg (Spree-Neiße-Kreis) ist ein Solakraftwerk mit einer
Fläche von 162 Hektar im Entstehen. »Zwei Drittel der Module sind
installiert und produzieren bereits Strom«, erklärte Ralf Heidenreich
von der Juwi Holding AG aus diesem Anlaß. Die Firma hat auf dem riesigen
Areal 160 Millionen Euro zur Gewinnung von Solarstrom investiert. Die
Photovoltaikanlage soll nach ihrer endgültigen Fertigstellung im
Dezember eine Leistung von 53 Megawatt erreichen.
»Lieberose ist ein Paradebeispiel für die gelungene Verbindung von
Klimaschutz, modernster Technologie und aktivem Naturschutz«, findet
Juwi-Vorstand Matthias Willenbacher. Spree-Neiße-Landrat Dieter Friese
(SPD) hofft, daß sich die Region durch den Solarpark weiter als
wichtiger Energiestandort in Deutschland profiliert. Das Solarkraftwerk
sei für die Landkreise im Süden Brandenburgs, die erst kürzlich den
Zusammenschluß »Energieregion Lausitz-Spreewald« gründeten, ein weiterer
Meilenstein für einen ausgewogenen Energiemix. »Die Beseitigung der
verseuchten Flächen auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz ist zudem für
die Lieberoser Heide und den Tourismus von großer Bedeutung«, betonte
Friese.
»Lieberose zeigt die ungeheure Dynamik der erneuerbaren Energien, die
ein zentraler Beitrag zum Klimaschutz sind und Hunderttausende neue
Arbeitsplätze schaffen«, wurde Bundesaußenminister Frank-Walter
Steinmeier (SPD) in der Mitteilung des Unternehmens zitiert. Der
SPD-Kanzlerkandidat wird gemeinsam mit Brandenburgs Ministerpräsident
Matthias Platzeck (SPD) den Solarpark mit der Montage des 560000. Moduls
eröffnen. Die Solarzellen der Anlage wandeln Sonnenlicht direkt in
elektrischen Strom um. Seit dem Jahr 2004 darf die Technik nach der
Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) auch auf
Freiflächen ohne Begrenzung errichtet werden.
In die allgemeine Euphorie von Politik und Wirtschaft mischen sich
jedoch auch Bedenken. Der Flächenverlust in der Lieberoser Heide sei
riesig, kritisierte Wolfgang Mädlow vom Brandenburger Landesverband des
Naturschutzbundes Deutschland (NABU). »Deshalb kommt es vor allem im
Bereich der Vogelwelt zu klassischen Verdrängungseffekten.« Zudem
könnten nachtfliegende Wasservögel die Solarspiegel für Flüsse und Seen
halten und darauf landen wollen. Auch andere Arten offener Landschaften
würden durch den Solarpark verdrängt.
Der NABU will deshalb die Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt
gründlich untersuchen. Auch wenn das Projekt mit der Beseitigung von
Altlasten durchaus Vorteile habe, wären aus Sicht von Mädlow
Solaranlagen auf großen Dachflächen zu bevorzugen.
Heiko Schumacher von der Stiftung Naturlandschaften Brandenburg, die
Flächen des alten Truppenübungsplatzes besitzt, stellte bereits eine
Verringerung der Bestände des seltenen Wiedehopfes in der Region fest.
Zwar seien Ausgleichsflächen mit künstlichen Brutröhren geschaffen
worden. Diese würden jedoch von den Vögeln nicht ausreichend angenommen.
Über die endgültigen Auswirkungen auf die Natur könne noch keine Aussage
getroffen werden, sagte Schumacher. Trotz einiger Bedenken aus Sicht des
Naturschutzes sei der Standort des Solarparks gerechtfertigt. »Die
Flächen waren massiv mit Altlasten verseucht und für den Menschen
gefährlich.«
Lieberose war mit rund 27000 Hektar der größte Truppenübungsplatz der
DDR. Die größte Nord-Süd-Ausdehnung betrug etwa 15 Kilometer, die
maximale Ost-West-Ausdehnung 30 Kilometer. Das Gebiet befindet sich
überwiegend im südostbrandenburgischen Heide- und Seengebiet, in dem
viele seltene Tier- und Pflanzenarten heimisch sind.
Das letzte Panzerschießen fand im Jahr 1992 statt. Im Juli 1994 wurden
die Flächen dem Land Brandenburg übergeben. Danach gab es zahlreiche
Planungen und Projekte für das Gebiet. Unter anderem war das Areal
anfänglich auch als Standort für den neuen Großflughafen Berlin
Brandenburg International (BBI) im Gespräch. Die Idee eines
Nationalparks setzte sich ebenfalls nicht durch.
* Aus: junge Welt, 18. August 2009
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