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Gewehre im Handgepäck

Immer mehr Militär am Flughafen Leipzig-Halle: Experten fordern erneuerte Genehmigung

Von Hendrik Lasch, Dresden *

Wie viel militärische Nutzung verträgt ein ziviler Flughafen? Die Frage stellt sich in Leipzig, wo bereits jeder fünfte Passagier US-Soldat ist.

Als in den 90er Jahren der Flughafen Leipzig-Halle ausgebaut wurde, warb ein Schild an der Autobahn für den »Interkontinental-Flughafen«. Das erschien angesichts des sehr überschaubaren Flugplans vermessen. Heute freilich starten und landen regelmäßig Flugzeuge in den Mittleren Osten, nach Asien oder Amerika: Zivile Fluggesellschaften wie World Airways befördern US-Soldaten aus Irak und Afghanistan in den Urlaub und zurück - in großer Zahl. Bei insgesamt 2,4 Millionen Passagieren gab es 2009 allein 545 000 sogenannte Transitpassagiere, mehr als an jedem anderen deutschen Airport. Die weitaus meisten davon waren GIs.

In der Chefetage der Mitteldeutschen Flughafen AG reibt man sich die Hände: Derlei Geschäfte seien »ein wichtiger Pfeiler in Zeiten der Krise«, freut sich Vorstand Markus Kopp. Er fügt aber hinzu, die Verträge seien nicht mit der US-Army geschlossen, sondern mit zivilen Gesellschaften. Das trifft nicht nur für den Soldatentransport zu. Auch zwei seit 2006 dauerhaft in Leipzig stationierte Antonow 124, mit denen die NATO im Rahmen des Salis-Projektes schweres Gerät befördert, werden von einer - russischen - Privatfirma unterhalten.

Betreiber hat kein Problem

Trotz dieser »Privatisierung des Krieges«, wie Kritiker formulieren, ist nicht zu übersehen, dass militärischer Verkehr eine immer größere Rolle auf dem Flughafen spielt. Dies zumal weitere Flüge von der Bundeswehr durchgeführt werden, die in einer eigens angemieteten Halle auch Personal für den Frachtumschlag ausbildet, wie Oberst Rainer Nücken vom Verteidigungsministerium gestern in einer Anhörung auf Antrag der LINKEN im Dresdner Landtag sagte.

Diese Militarisierung ist politisch, aber auch juristisch umstritten. So geht es um die Frage, ob die Betriebsgenehmigung die starke militärische Nutzung deckt. Kein Problem, meint Anwalt Volker Gronefeld, der den Leipziger Flughafenbetreiber mehrfach vor Gericht vertrat. Es bestünden, sagt er unter Hinweis auf Urteile von Bundesverwaltungs- und Bundesverfassungsgericht, »keinerlei Einschränkungen« für die Nutzung.

Fachkollegen widersprechen indes. Ein dauerhaftes Nebeneinander von ziviler und nennenswerter militärischer Nutzung sei vom Gesetz »weder vorgesehen noch gewollt«, meint die Würzburger Anwältin Franziska Heß, die Anwohner des Leipziger Flughafens in einer Klage wegen Nachtlärms vertrat. Wegen des anfangs nicht vorgesehenen großen Anteils militärischer Flüge sollten die »betrieblichen Regelungen angepasst« und ein neues Genehmigungsverfahren durchgeführt werden, verlangt die Juristin. Ähnlich sieht das ihr Kollege Heiko van Schyndel: Militärische Dauernutzung habe das »Gesicht des Flughafens verändert«.

Selbst wenn es dazu nicht kommen sollte, müssen nach Meinung von Experten die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt werden. Bei paralleler ziviler und militärischer Nutzung gebe es üblicherweise eine strikte räumliche Trennung, so van Schyndel, der auf die separaten Militärbereiche in Köln-Bonn, Frankfurt am Main oder Berlin-Tegel verweist - und auf Afghanistan: »Selbst in Masar-i-Sharif werden die Bereiche strikt getrennt.«

Lange Zeit verdeckt

In Leipzig sei das jedoch nicht der Fall, erklärt auch der Publizist Jan Wenzel, der an mehreren künstlerischen und journalistischen Projekten zur militärischen Nutzung des Flughafens beteiligt war, die lange Zeit verdeckt abliefen. Er verweist auf Auskünfte, wonach GIs beispielsweise in einer Halle übernachteten, in der eigentlich Schneeräumfahrzeuge geparkt sind. Soldaten der Bundeswehr, die aus Afghanistan zurückkommen, werden sogar im regulären Terminal abgefertigt.

Während die LINKE, die generell einen Stopp von Truppen-, Waffen- und Frachttransporten in Kriegsgebiete verlangt, von der Landesregierung als Mehrheitseigner der Flughafen-Holding ein geeignetes Sicherheitskonzept fordert, sieht Flughafenmanager Kopp keinen Handlungsbedarf: Es gebe ein Sicherheitskonzept, das auch für die Militärangehörigen gelte.

Das freilich lassen Äußerungen bezweifeln, wie sie Jan Wenzel in Internet-Blogs von US-Soldaten fand. Dort wird geschildert, wie die GIs in Masar-i-Sharif eine DC-10 bestiegen und, weil Eile geboten war, die Waffen kurzerhand mit in die Kabine nahmen, wo sie unter den Sitzen verstaut wurden. Die Crew habe nur verlangt, dass Gewehrläufe nicht in den Gang ragen.

* Aus: Neues Deutschland, 25. Februar 2010


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