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Etappensieg für Okinawa

Teil der auf der japanischen Insel stationierten US-Marines wird abgezogen

Von Josef Oberländer *

Die Bewegung gegen die US-Militärpräsenz auf der Inselgruppe Okinawa im Südwesten Japans hat nach jahrelangem Kampf einen Etappensieg errungen. Wie Verteidigungsminister Naoki Tanaka in der vergangenen Woche bekanntgab, werden rund 9000 Marines, knapp die Hälfte der dort stationierten Eliteeinheiten, im Zuge der strategischen Neuausrichtung der Vereinigten Staaten im westlichen Pazifik nach Guam, Hawaii und ins australische Darwin verlegt. Ein Teil kehrt in die USA zurück. Daß der 2006 angekündigte Truppenabzug tatsächlich in Gang kommen würde, hatte kaum noch jemand erwartet. Japan wird sich der Tageszeitung Yomiuri Shimbun zufolge mit 3,1 Milliarden Dollar an den Kosten beteiligen.

Fast noch bedeutsamer für die Bewegung vor Ort ist, daß der Bau einer künstlichen Insel für einen neuen Hubschrauberlandeplatz in Henoko in der Nähe der Stadt Nago nicht mehr als einzige Möglichkeit für die Verlegung des Stützpunkts Futenma aus der dichtbesiedelten Inselhauptstadt Ginowan genannt wurde. Angeblich hatten die USA darauf gedrängt, Henoko nicht als alternativlos darzustellen. Nun heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Militärs, es handele sich dabei um die »einzig gangbare Lösung, die bislang gefunden wurde«. Bisher war von der »einzig gangbaren Lösung« die Rede gewesen. Zudem wurde hinzugefügt, daß die Verlegung von Futenma operativ brauchbar, politisch machbar, finanziell verantwortlich und strategisch sinnvoll sein müsse. Washington könnte sich auch die Integration der Einheiten aus Futenma in den Stützpunkt Kadena auf der Hauptinsel vorstellen. Der urspüngliche Plan sah vor, daß der Stützpunkt auf eine künstliche Insel in der Nähe des Camp Schwab verlegt werden sollte.

Spätestens seit am 13. August 2004 ein schwerer Transporthubschrauber aus Futenma in ein dreistöckiges Gebäude auf dem Campus der Okinawa International University raste, sind den Anwohnern die Gefahren bewußt, die von der Militärbasis ausgehen. Wie durch ein Wunder wurde damals niemand getötet. Seit der Rückgabe der 1945 annektierten Inselgruppe vor vierzig Jahren gab es auf Okinawa bereits zahlreiche Unfälle mit US-Flugzeugen und Hubschraubern.

Dennoch wird die Präsenz der US-Armee auch weiterhin eine große Rolle in der Region spielen. Japans Ministerpräsident Yoshihiko Noda (DPJ) weiß, warum er bei seinem Besuch bei US-Präsident Barack Obama Anfang der Woche die Unverbrüchlichkeit der militärischen Allianz mit den Vereinigten Staaten herausstrich. Yukio Hatoyama, einen seiner Vorgänger, hatte der Glaube, Japan besitze in Sicherheitsfragen so etwas wie Souveränität, den Posten gekostet. Sein Amtsantritt im September 2009 war mit großen Hoffnungen auf eine Demokratisierung der verknöcherten politischen Strukturen des Landes verbunden. Hatoyama wollte im Streit um die US-Militärbasis Futenma bis zu einem bestimmten Termin eine für alle Seiten befriedigende Lösung erreichen. Da alle Bemühungen jedoch ergebnislos blieben, trat Hatoyama Anfang Juni 2010 zurück.

Okinawa bleibt für die Militärstrategen des Pentagon von zentraler Bedeutung. Mehr als die Hälfte der 43000 US-Militärangehörigen in Japan sind auf der Insel stationiert. Sie bilden neben den Einheiten auf Guam die Speerspitze des Pentagons im Westpazifik – zwischen China, Taiwan und Japan. Daß künftig weniger Marines dort Krieg spielen, ist für die Bevölkerung vor Ort ein Segen. Und sollte der Offshore-Heliport vor Henoko nun tatsächlich nicht gebaut werden, würde dort auch ein Korallenriff erhalten bleiben.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 2. Mai 2012


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