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Schnöggersburg besetzen!

Sachsen-Anhalt: Drittes »War starts here«-Camp findet unter kriegerischen Vorzeichen statt. Im »Gefechtsübungszentrum« trainieren jährlich 25000 Soldaten

Von Susan Bonath *

Vom 17. bis 24. August wollen Kriegsgegner ihre Zelte wieder in der Colbitz-Letzlinger Heide nahe des Gefechtsübungszentrums (GÜZ) Altmark nördlich von Magdeburg aufschlagen. Zentrale Themen des dritten antimilitaristischen Camps unter dem Motto »War starts here« sind die Vorbereitungen von Bundeswehr- und NATO-Soldaten auf Kriegseinsätze sowie der Bau der Kampfstadt »Schnöggersburg« auf dem europaweit modernsten Truppenübungsplatz. Angestrebt wird erstmals ein breites bundesweites Bündnis. Eigene Campaufrufe und Aktionspläne von Friedensinitiativen seien erwünscht, informieren die Organisatoren. Es sei »spektrenübergreifender Widerstand« nötig, um wirksam gegen Militarisierung und Krieg vorzugehen. Demnächst sind Infoveranstaltungen in Stuttgart, Erfurt, Jena und Berlin geplant.

Wie in den beiden vergangenen Jahren rufen die Akteure dazu auf, daß GÜZ zu »markieren, blockieren und sabotieren«. Der Truppenübungsplatz sei ein zentraler Ort für die Vorbereitungen auf weltweite Kriegseinsätze. Das Camp soll vor allem die »militärische Normalität in der Altmark stören«. Mit der örtlichen Bürgerinitiative »Offene Heide« will man die Aufrüstung in der Region stärker thematisieren. Vor Ort soll nicht nur über gemeinsame Widerstandsaktionen diskutiert werden. Wichtig sei, daß »die beteiligten Gruppen eigene Schwerpunkte setzen, mitgestalten und Erfahrungen einbringen«, heißt es im Aufruf. »Wir wollen mit allen reden, die dasselbe antreibt: Die Abneigung gegen die zerstörerischen Verhältnisse weltweit.« Am 23. August ist ein spezieller Aktionstag in der Heide geplant.

Mehrere Bündnisse mobilisieren bereits zum Camp. So ruft etwa das Offene Treffen gegen Krieg und Militarisierung (OTKM) Stuttgart zur Teilnahme auf und will Anreisemöglichkeiten organisieren. Am 5. Juli findet in Stuttgart eine Infoveranstaltung statt; Treffpunkt ist um 14 Uhr an der Bahnstation »Mineralbäder«. Die neue Initiative »Gewaltfreie Aktion – GÜZ abschaffen« plant, während des Camps das militärische Sperrgebiet einschließlich der Baustelle Schnöggersburg für mehrere Tage friedlich zu besetzen. Man fordere damit vor allem, die Kriegseinsätze der Bundeswehr sofort zu stoppen, erklärte Bündnismitglied Berthold Keunecke gegenüber junge Welt.

Die Camporganisatoren nennen das mit modernster Kriegssimulationstechnik ausgerüstete GÜZ in Sachsen-Anhalt einen »militärischen Brennpunkt«. Jährlich trainieren dort etwa 25000 Soldaten für Auslandseinsätze. Der Bau der Geistermetropole »Schnöggersburg« im GÜZ schreitet voran: Die Kanalisation liege bereits, U-Bahn-Tunnel würden in diesem Jahr fertig, informierte die Bundeswehr im Februar. Wie es aktuell aussieht, war für jW nicht zu erfahren. Eine Sprecherin des Landeskommandos Sachsen-Anhalt verwies auf das Bundesverteidigungsministerium. Dort zeigte man sich am Freitag wenig auskunftsfreudig. Ein Sprecher wollte nur schriftlich antworten. E-Mail-Anfragen würden »an die entsprechende Stelle« weitergeleitet, sagte er. So viel ist aber klar: Bis 2020 soll das 100-Millionen-Projekt mit Industriegebiet, Wohn- und Elendsvierteln, Sportstadion, Flugplatz und U-Bahn stehen. »Damit gewinnt der Truppenübungsplatz immer mehr an Bedeutung für die NATO«, warnen die Aktivisten. In künftige Kriege zu ziehen könnte bald leichter werden für die Bundeswehr. Am Donnerstag tagte die »Kommission zur Überprüfung und Sicherung der Parlamentsrechte bei der Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr« zum dritten Mal. Die soll – unter Ausschluß der Öffentlichkeit – vorantreiben, daß die deutsche Armee ohne Bundestagsbeschluß in Kriege ziehen kann.

Der Betreiber des GÜZ und von Schnöggersburg ist der Rüstungskonzern Rheinmetall. An diesen flossen laut Bundesregierung zwischen 2000 und 2012 knapp 300 Millionen Euro aus der Staatskasse. Aktuell baut Rheinmetall ein weiteres Militärzentrum ähnlicher Größenordnung im russischen Mulino (Nishni Nowgorod). Dort sollen pro Jahr etwa 30000 Soldaten für Kampfeinsätze in westlichen Großstädten trainiert werden.
  • warstartsherecamp.org/
  • www.otkm-stuttgart.bplaced.net/j25/
  • www.gewaltfreie-aktion-guez-abschaffen.de/
* Aus: junge Welt, Montag, 30. Juni 2014


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