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Militärisches Drehkreuz

Flughafen Leipzig/Halle: Linke und Grüne fordern Stopp der NATO-Waffentransporte und Lärmschutz. Anfragen zum Schutz vor Anschlagsgefahren bleiben unbeantwortet

Von Susan Bonath *

Panzerfäuste, Munition, Gewehre: Eine Panne bei dem ersten von geplanten zehn bis 15 Waffentransporten für die Kurden im Nordirak rückte den Flughafen Leipzig/Halle Ende September ins Rampenlicht. Entwickelt er sich zum Umschlagplatz der NATO? Ist er sicher für Anwohner und Passagiere? Was Die Linke und Bürgerinitiativen seit Jahren kritisieren, bereitet nun auch den Grünen Sorgen. Deren Leipziger Bundestagsabgeordnete Monika Lazar hat die Bundesregierung nach dem Risiko von Anschlägen auf den Flughafen befragt. Sie wollte wissen, was Berlin dagegen unternimmt. Immerhin könne das Areal ein symbolträchtiges Ziel für die Miliz »Islamischer Staat« (IS) sein. Zuvor hatte Jürgen Kasek vom Vorstand der Leipziger Grünen gefordert, die Waffenlieferungen zu stoppen. Der einst zivile Flughafen werde zum »militärischen Drehkreuz«, entsprechende Schutzvorkehrungen fehlten, kritisierte er vergangene Woche in Leipzig. »Solange sich das nicht ändert, dürfen keine weiteren militärischen Flüge stattfinden«, so Kasek.

Am 25. September war in Leipzig eine niederländische Maschine vom Typ »McDonnell Douglas« nach Erbil im Nordirak gestartet. Ihr Abflug hatte sich durch eine technische Panne stundenlang verzögert. In Erbil sollte das Kriegsgerät – 50 Panzerfäuste mit Munition, 520 G-3-Gewehre, 20 Maschinengewehre und Ausrüstung für Soldaten – an die kurdischen Peschmerga übergeben werden. Etwa 40 Friedensaktivisten hatten in Leipzig dagegen protestiert, darunter Mitglieder der Initiative »Nein zum Kriegsflughafen« und des Vereins »Nachtflugverbot Leipzig/Halle«. In den nächsten Wochen sollen weitere Waffen, darunter auch Panzerabwehrraketen, in den Irak transportiert werden.

Die NATO nutzt den Flughafen bereits seit 2006 für Militärtransporte mit Maschinen u.a. vom Typ Antonow An-124. Das Be- und Umladen von Waffen in Halle-Leipzig sollte laut Bundesverteidigungsministerium eigentlich »eine Ausnahme« sein. »Inzwischen ist das aber der Regelfall«, rügte der Leipziger Grünen-Vorstand. Schon 2009 hatte der MDR berichtet, dass zwischen 2006 und 2009 mehr als 650 Militärflüge in Leipzig abgefertigt wurden – Tendenz steigend. Drei Jahre später deckte der Rundfunksender grobe Sicherheitslücken auf. Dazu zitierte er aus einem »Geheimgutachten« des Landeskriminalamtes, in dem der Airport als mögliches Anschlagsziel eingestuft und vor einer »sicherheitsgefährdenden Situation für die Bundesrepublik Deutschland« gewarnt wurde. Dort tätigen US-Truppen Schaden zuzufügen, ist nach LKA-Einschätzung »kein größeres Problem«. Trotzdem versicherte die Bundesregierung im März 2012 auf eine Anfrage Lazars, es lägen keine Erkenntnisse über Gefahren vor, die Maßnahmen erforderten. Einen Monat später blies die Landesregierung auf Nachfrage der sächsischen Grünen-Politikerin Gisela Kallenbach ins selbe Horn: Über Gefahren sei nichts bekannt, ein vorhandener Luftsicherheitsplan genüge der »Eigensicherungspflicht«. Im übrigen unterlägen Details der Geheimhaltung.

Ähnliche Nicht-Antworten erhielt auch die Linkspartei auf etliche Anfragen. Die Linke kritisiert nicht nur mangelnde Sicherheit, sondern auch Intransparenz, fehlenden Lärmschutz und die Beteiligung der Deutsche-Post-Tochter DHL an der Abfertigung von Feldpost, Medikamenten und Ersatzteiltransporten in Krisengebiete. Seit Jahren fordert die Leipziger Linke ein Nachtflugverbot in der Region. Die Anwohner hätten keine Chance, sich wegen des Lärms zu beschweren, rügten Aktivisten zuletzt Ende August bei einer Protestaktion.

Immer wieder donnern militärische Tiefflieger durch den Luftraum der Region, wie im Januar und Februar dieses Jahres AWACS-Maschinen über Halle, Bernburg und den Saalekreis. Es handelte sich jeweils um unangekündigte Manöver, mit denen die NATO das Aufklärungs- und Frühwarnsystem erprobte. Der Flughafen, resümierte Grünen-Politiker Kasek gegenüber der Leipziger Internet Zeitung, gleiche einer geöffneten »Büchse der Pandora«.

* Aus: junge Welt, Montag, 6. Oktober 2014


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