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Vertragsstaatenkonferenz Laos 2010

Die Opfer warten auf konkrete Schritte

Es war sein 16. Geburtstag, als Phongsavath auf dem Weg zur Schule die Metallkugel fand, die er neugierig aufhob – eine Munition aus einer Streubombe. Die Explosion, die folgte, riss ihm beide Hände ab und zerstörte sein Augenlicht. Heute schwankt er zwischen Verzweiflung und kurzen Momenten mit ein bisschen Lebensfreude. Zum Beispiel, wenn er mit der Breakdance-Gruppe von Lao Bang Fai probt: für den großen Auftritt bei der Konferenz, zu der sich vom 8. bis 12. November Regierungsvertreter aus 112 Staaten in Vientiane, der Hauptstadt von Phonsavaths Heimatland Laos versammeln. Sie diskutieren über die Umsetzung des Vertrags von Oslo, der am 1. August 2010 in Kraft getreten ist. Der Vertrag verbietet die Waffen, die Phongsavath und tausenden anderen Menschen das Leben und die Zukunft zerstört haben.

Allein in Laos lauern noch Millionen von Blindgängern aus Streubomben auf ihre unschuldigen Opfer. 270 Millionen Submunitionen aus 414.920 Streubomben haben die USA während des Vietnamkriegs abgeworfen. „In den besonders betroffenen Gebieten gehören für die Menschen die so genannten ‚Bombies’, die ihren Lebensraum verseuchen, zum Alltag. Die Dorfbewohner haben manchmal sogar Bombenhüllen als Pfähle zum Hausbau verwendet. Die Armut bringt die Menschen dazu, trotz der Gefahr ihre Felder zu bestellen oder in den Wäldern nach Kriegsüberresten zu suchen, um das wertvolle Metall zu verkaufen. Damit riskieren sie ihr Leben.

Handicap International und andere Organisationen sowie die staatlichen Einheiten von UXO Lao sind im Einsatz, um die Blindgänger zu räumen. Laos hat den Verbotsvertrag ratifiziert und sich verpflichtet, in zehn Jahren alle Reste von Streubomben beseitigt zu haben. Dass Laos zur Räumung eine Fristverlängerung benötigen wird, ist jetzt schon klar – und vor allem benötigt das Land massive Unterstützung der anderen Vertragsstaaten, genauso wie die weiteren betroffenen Länder, darunter Afghanistan, Irak, Libanon ... Diese Staaten legen große Erwartungen in den Aktionsplan, der in der kommenden Woche in Vientiane verabschiedet werden soll. Denn der Oslovertrag verpflichtet alle Vertragsstaaten zur Unterstützung der betroffenen Länder und Menschen.

François De Keersmaeker, Geschäftsführer von Handicap International Deutschland, ist bei der Konferenz in Laos dabei. Gemeinsam mit der Berliner Organisation SODI präsentiert er dort auf einer Veranstaltung des Auswärtigen Amts das Engagement deutscher NGOs. „Wir begrüßen es, dass Deutschland den Oslovertrag ratifiziert und in den vergangenen Jahren regelmäßig Mittel zur Minen- und Blindgängerräumung und auch zur Opferhilfe bereitgestellt hat. Im Sparhaushalt für 2011 sollen diese Mittel reduziert werden. Das wäre ein fatales Signal für die betroffenen Länder.“

Handicap International und die anderen Organisationen der internationalen Kampagne gegen Streubomben sind bei der Laos-Konferenz vor Ort, um sicherzustellen, dass der Oslovertrag wirkungsvoll umgesetzt wird. Zumindest wenn Phongsavath und seine Tanzgruppe auftreten, werden die Opfer im Mittelpunkt stehen.

* Aus: Website von Handicap Internationa; www.streubomben.de

Streubomben in Laos: Faktenblatt

(Quellen: Bericht „Circle of Impact“ 2007, „Cluster Munition Monitor“)

Fakten zum Streubombeneinsatz
  • Streubomben wurden von den USA zwischen 1964 und 1973 in großen Mengen eingesetzt: 270 Millionen Submunitionen aus 414.920 Streubomben wurden von 181.000 Flugzeugen abgeworfen.
  • Insgesamt gab es über 9 Jahre 850.000 Bombeneinsätze (also alle acht Minuten ein Angriff), entsprechend heute Blindgänger aus Streubomben und vielen anderen explosiven Waffen.
  • Typen von Streu-Submunitionen: BLU-3, 7, 18, 24/66, 26/36/59, 61, 63/86, 77 und Mk1118 (Rockeye). Davon am häufigsten eingesetzt: BLU-26 (70,2%).
  • Über 52,8 Millionen Streubomben gingen im Umkreis von einem Kilometer rund um Dörfer nieder.
  • Mindestens 13 bis 78 Millionen Submunitionen blieben als Blindgänger liegen. Offizielle Blindgängerquote der Streu-Submunitionen lag bei 5 – 10%. Erwiesen ist jedoch, dass die BLU-26 in Tests eine Blindgängerquote von 26% aufweist und am Boden wahrscheinlich eine Fehlerquote von bis zu 50%.
  • Streubomben-Submunitionen machen einen Anteil von 45,6% aller nicht explodierten Kriegsüberreste in Laos aus.
Fakten zu den Opfern
  • Keine vollständige Datenerhebung bezüglich Opferzahlen verfügbar. Bis 2009 mindestens 7.538 Opfer bestätigt, davon 3.170 Tote, 4.368 Verletzte.
  • Die Opfergesamtzahl ist Schätzungen zufolge jedoch weitaus höher.
  • Unfälle während der Streubombeneinsätze sind dabei nicht mitgerechnet.
  • 40,9% aller Opfer durch Streu-Submunitionen gab es in den ersten 5 Jahren nach dem Krieg (1973 – 1977).
  • Das Hantieren mit Streubomben zählt mit 34,5% zu den häufigsten Unfallursachen. Gründe dafür sind kindliche Neugier und Unwissen, aber auch die wirtschaftliche Notwendigkeit, durch Sammeln und Verkaufen von Metall Geld zu verdienen.
  • 23,1% aller Opfer sind Jungen von sechs bis 15 Jahre.
  • 38,6% aller Opfer waren Kinder, von denen 53,7% nicht überlebten.
  • Unter allen Überlebenden mussten 68% amputiert werden, 3% mehrfach.
  • Opfer von Streu-Submunition machen 40% der amputierten Menschen und 43% der mehrfach amputierten Menschen in Laos aus.
  • 71,6% aller Opfer von Streu-Submunition bis 2007 stammen aus der Provinz Savannakhet.
  • Unfälle mit Submunitionen traten mit 43,6% am häufigsten auf bebautem Land auf, 38,9% in der Nähe von Häusern.
  • Bei 41,1% aller Unfälle mit Submunition waren mehrere Menschen involviert.


Heimtückisch

Von Olaf Standke **

Über Laos wurden rund 270 Millionen sogenannte Cluster Bombs abgeworfen, als die USA nach 1964 den Vietnamkrieg auf die Nachbarstaaten ausweiteten. Nirgendwo sonst auf der Welt waren es mehr Streubomben pro Einwohner. Die Folgen spürt das verarmte Land noch heute schmerzlich, funktionieren die Blindgänger doch wie Landminen. Seit damals wurden rund 22 000 Menschen durch solche Sprengsätze getötet oder verletzt. Streumunition gilt als besonders heimtückisch, und die Opfer sind zu 98 Prozent Zivilisten, unter ihnen viele Kinder. Es war also ein besonderes Signal, dass Vientiane seit gestern Gastgeber der Überprüfungskonferenz für die Konvention zum Verbot von Streubomben ist. 108 Staaten haben sie bisher unterzeichnet, 40 ratifiziert. Vor gut drei Monaten ist der Völkerrechtsvertrag in Kraft getreten. Doch die größten Produzenten von Streumunition – die USA, Russland, China und Israel – gehören nicht dazu. Noch immer lagern 74 Staaten Streubomben. Und es werden dringend mehr Mittel für die Säuberung der »verseuchten« Landstriche und die Opferhilfe gebraucht. Bei allen Erfolgen – die vollständige Ächtung dieser besonders heimtückischen Waffen bleibe »eine riesige Herausforderung«, so die Hilfsorganisationen, die wesentlich zum Zustandekommen der Konvention beigetragen haben.

** Aus: Neues Deutschland, 10. November 2010 (Kommentar)


5 große Produzentenstaaten wollen den Vertag nicht unterzeichnen ***

Die USA haben im Januar/Februar 2008 erklärt, dass sie die bisher bestehenden juristischen Instrumente als ausreichend empfänden, um die Frage von Streumunition zu klären, und dass sie den Oslo-Prozess über ein Verbot dieser Waffen als unnütz betrachten. Außerdem stellen sie sich gegen ein Verbot von Streumunition, da ein solches ihrer Meinung nach die gemeinsamen Militäraktionen innerhalb der NATO gefährden könnte.

Indien erklärte im November 2007, dass Streumunition legitime und legale Waffen darstellten und von militärischem Interesse seien.

Russland erklärte im November 2007, dass es kein juristisches Instrument unterstützen werde, das seine Verteidigungsmacht schwächen könnte.

Die Volksrepublik China erklärte im September 2007, dass das Protokoll V der UN-Waffenkontrollverhandlungen von 1980 das einzig angemessene Instrument sei, um die Frage von Streumunition zu klären und dass sie keinerlei weitere Verhandlungen über diese Waffen unterstützen werde. Das UN-Protokoll fordert, dass sich die Parteien nach einem bewaffneten Konflikt an der Räumung aller explosiven Überreste des Krieges beteiligen, die sich auf dem jeweiligen Territorium befinden; es spricht jedoch keinesfalls von einem Verbot der Waffen.

Brasilien erklärte im September 2007, dass es sich eindeutig gegen ein Verbot von Streumunition ausspreche.

*** Quelle: Handicap International; www.streubomben.de


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