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BUND versus TTIP

mweltverband macht Kampf gegen Freihandelsabkommen zum Schwerpunkt seiner Arbeit. Laut Jahresbericht neuer Rekord bei Mitgliedern und Unterstützern

Von Jana Frielinghaus *

Die Zahl der Menschen, die etwas für den Erhalt natürlicher Ressourcen und gegen deren rücksichtslose Ausbeutung durch Konzerne tun wollen, wächst. Dies spiegelt sich im Jahresbericht des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) wider, den der Vorsitzende Hubert Weiger am Freitag in Berlin vorstellte. Danach hatte der Verband 2013 erstmals mehr als eine halbe Million Mitglieder und Unterstützer. Weil die Organisation bereits erreichte Standards in Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutz in der Europäischen Union durch das geplante Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP massiv gefährdet sieht, wird eine Kampagne dagegen ab sofort ein Schwerpunkt ihrer Arbeit sein. In deren Rahmen werde sie die Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP unterstützen, sagte Weiger. Er warnte insbesondere vor Investorenschutzklauseln, die es Konzernen ermöglichen würden, in privaten Schiedsverfahren Entschädigungszahlungen gegen Staaten wegen angeblicher Wettbewerbsnachteile durchzusetzen. Dies könne unter anderem dazu führen, daß die hochriskante Fracking-Technologie zur Gewinnung von Erdgas aus tiefen Erdschichten in Europa und Deutschland gerichtlich durchgesetzt wird.

BUND-Agrarreferentin Reinhild Benning verdeutlichte die Gefahren, die TTIP im Lebensmittelsektor mit sich bringen würde: Allgemein droht eine »Harmonisierung« von Standards mit dem Ergebnis, daß in Europa und den USA die jeweils strengeren Umwelt- und Sicherheitsauflagen außer Kraft gesetzt werden könnten. Die Folgen wären beispielsweise eine Ausbreitung von Genpflanzen in der EU, die Zulassung von Hormonen in Milchproduktion und Tiermast, noch mehr Antibiotikaeinsatz bei Schweinen und Geflügel, gechlorte Hähnchenbrustfilets. Gerade in Sachen Hormoneinsatz scheint die Gefahr groß, denn US-Mäster haben hier einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Die eingesetzten Wachstumshormone beschleunigen den Muskelfleischansatz der Tiere und sorgen nach Angaben von Benning für einen Mehrertrag von 15 bis 30 Prozent. Dadurch habe ein Schweinemäster in den Vereinigten Staaten pro Kilo Fleisch Herstellungskosten von nur einem Euro. Seine Kollegen in der EU können dagegen erst ab 1,80 Euro kostendeckend wirtschaften.

Ernst-Christoph Stolper, Freihandelsexperte beim BUND, stellte ein Positionspapier des Verbandes zum TTIP vor, in dem der intransparente Verhandlungsprozeß und die Folgen für Demokratie, Verbraucher-, Beschäftigten- und Umweltschutz ausführlich dargestellt werden. Er machte insbesondere darauf aufmerksam, daß das in der EU bei der Zulassung von Produkten oder Verfahren geltende Vorsorgeprinzip zur Disposition stünde. Es beinhaltet, daß Genehmigungen versagt werden können, wenn der Verdacht besteht, daß etwa eine Genmaissorte gesundheitsschädlich sein könnte. Die Beweislast liegt bei den Unternehmen. Zwar unterlaufen die EU-Kommission und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) dieses Prinzip regelmäßig, indem sie von der Verbotsmöglichkeit keinen Gebrauch machen und selbst wissenschaftlich fundierte Bedenken ignorieren. TTIP könne dazu führen, daß künftig das in den USA geltende »Sound science«-Prinzip zur Anwendung kommt, so Stolper. Es besagt, daß die Schädlichkeit eines Stoffes oder Prozesses zweifelsfrei nachgewiesen sein muß, damit er verboten werden kann. Die Beweislast liegt bei den Behörden. Unter anderem könnte infolge der Nivellierung des Vorsorgeprinzips die vergleichsweise fortschrittliche EU-Chemikalienrichtlinie REACH auf dem Spiel stehen.

* Aus: junge Welt, Samstag 9. August 2014


Hier geht es zum

Positionspapier

deutscher Nichtregierungsorganisationen zu TTIP [externer Link, pdf]




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