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Widerstand gegen "Wirtschafts-NATO"

Neuer isw-report zum TTIP-Abkommen

Von Florian Osuch *

Seit mehr als einem Jahr verhandeln die Europäische Union und die USA im Geheimen über die größte Handels- und Investitionszone aller Zeiten. Im kommenden Jahr soll der Vertrag »Transatlantic Trade and Investment Partnership« (TTIP) Realität werden.

Im Kern geht es bei TTIP darum, internationalen Investoren Vorrang vor politischen Entscheidungen zu geben, Renditeerwartungen vor demokratisch legitimierten Regelungen. Den Kapitalisten soll das Recht auf Schadensersatzklage gewährt werden, wenn sie durch staatliche Regulierung oder andere Maßnahmen ihren Profit geschmälert sehen. Dies ist teilweise bereits jetzt möglich, zumeist auf Grundlage bilateraler Abkommen. So hat der schwedische Energiekonzern Vattenfall Klage gegen die Bundesrepublik eingereicht. Durch den Atomausstieg sieht sich der Konzern in seinem Geschäft beschnitten und fordert von der BRD 1,4 Milliarden Euro Schadensersatz. Verhandelt wird die Klage vor einem Schiedsgericht der Weltbank in Washington.

Nach Verabschiedung des TTIP-Abkommens können dann zum Beispiel private Transportunternehmen Kommunen wegen deren Subventionierung von Bus und Bahn verklagen. Bisher öffentlich gesicherte Leistungen im Bereich Wasser, Gesundheit oder Bildung könnten vollständig den Interessen privater Investoren und ihrer Renditeerwartung unterworfen werden.

Eine neue Publikation des Instituts für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung (isw) aus München hat die Thematik aufgegriffen. Fünf Autoren befassen sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit dem TTIP. Conrad Schuhler, seit 2004 Leiter des isw, zeichnet die Entstehungsgeschichte des TTIP nach. Es ist bemerkenswert, daß frühere Freihandelsabkommen wie GATT oder WTO wegen der Gleichberechtigung der Unterzeichnerstaaten – ein Land, eine Stimme – den wirtschaftsstarken Nationen zu lähmend erschienen. Die Schwellen- und Entwicklungsländer haben sich innerhalb der 160 WTO-Staaten zu einer Stimmengruppe zusammengeschlossen, gegen deren Votum keine Vereinbarung möglich ist. Daher »spannten die politisch-administrativen Eliten des Metropolen-Kapitals im Verein mit der Lobby der transnationalen Konzerne ein dichtes Netz von bilateralen bzw. regionalen Freihandelszonen«, berichtet Schuhler. Der nächste Schritt ist TTIP. Dessen Verabschiedung wird Konfliktlinien in der Welt aufreißen und die internationalen Beziehungen vergiften, so das isw. Hillary Clinton, als demokratische Präsidentschaftskandidatin für die US-Wahl 2017 gehandelt, hat TTIP als »ökonomische NATO« bezeichnet. TTIP und NATO stützen sich also in ihren aggressiven Rollen.

Schuhler fordert Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und die globalisierungskritische Bewegungen auf, Front gegen das Abkommen zu machen: »TTIP muß verhindert werden.« Der Wirtschaftswissenschaftler sieht dafür sogar Chancen und verweist auf Erfolge der vergangenen Jahre. So wurde 1998 das multinationale Investitionsabkommen MAI nicht angenommen. 2012 scheiterte das Vertragswerk ACTA zur Regelung sogenannter Produktpiraterie. Beide Male dank Kritik und Widerstand der Bevölkerung. isw-report Nr. 97, Juli 2014, 40 Seiten, 3,50 Euro, Bezug: isw, Johann-von-Werth-Str. 3, 80639 München, Internet: www.isw-muenchen.de

* Aus: junge Welt, Dienstag 5. August 2014

Wirtschafts-Nato TTIP STOP! **

Seit Juni 2013 verhandeln die EU und die USA im Geheimen über die größte Handels- und Investitionszone aller Zeiten. Im Jahr 2015 soll sie als TTIP, als Transatlantic Trade and Investment Partnership, offiziell installiert werden. Dies wäre verheerend.

In fünf Kapiteln belegen die Autoren Conrad Schuhler, Fred Schmid, Leo Mayer und Franz Garnreiter:
  • TTIP würde die Demokratie in ihrem Nerv treffen. Den internationalen Investoren sollen Sonderklagerechte eingeräumt werden, so dass sie gegen jede politische Maßnahme, die ihre Profitaussichten schmälert, Schadensersatz geltend machen können, wie demokratisch auch immer die neuen Gesetze zustande kamen. Mit TTIP wird Demokratie unbezahlbar.
  • TTIP wäre das Ende gewerkschaftlicher Tätigkeit, wie wir sie kennen. Der Vertrag besagt ja, dass in den beiden Regionen USA und EU dieselben Handels-, Investitionsschutz- und Arbeitsnormen gelten. Nun haben die USA sechs der acht grundlegenden Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation nicht ratifiziert, darunter die Konvention zur Vereinigungsfreiheit und zum Recht auf Kollektivverhandlungen, Voraussetzungen für fruchtbare gewerkschaftliche Arbeit.
  • Verheerend wären die Folgen auch für die Versorgung der Bevölkerung mit öffentlichen Gütern. TTIP würde vorschreiben, bisher öffentlich produzierte Güter – von der Gesundheit bis zur Wasserversorgung – internationalen Investoren zu überlassen und das Rückgängigmachen von Privatisierungen zu unterbinden.
  • TTIP würde die internationalen Beziehungen vergiften und die Konfliktlinien in der Welt weit aufreißen. Zutreffend nannte Hillary Clinton TTIP "die ökonomische Nato". Die gegenüber dem strammen Wachstum der Schwellenländer zurückfallenden "alten Metropolen" wollen ihre globale Führungsstellung halten und wieder ausbauen. Die ökonomische und die militärische Nato würden sich in ihren aggressiven Rollen gegenseitig stützen.
  • Conrad Schuhler: TTIP muss verhindert werden – und wir können das auch
  • Leo Mayer: Arbeitsplätze und Wohlstand durch Freihandel?
  • Franz Garnreiter: Das ifo-Institut als Argumentelieferant für die TTIP-Befürworter
  • Fred Schmid: TTIP und TPP – der Handelsimperialismus der G7
  • Conrad Schuhler: Neue Regeln für die Weltwirtschaft und der Weg dorthin
Quelle: Website des isw; http://www.isw-muenchen.de




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