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Appell zur Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen

Europäische Regierungen sind gefordert *

In einem gemeinsamen Appell haben fünf Menschenrechtsorganisationen die Regierungen Europas aufgerufen, Häftlingen des US-Gefangenenlagers Guantanamo die Entlassung in die Freiheit zu ermöglichen.

Die Idee einer Aufnahme von Guantanamo-Gefangenen in EU-Staaten ist nicht neu, aber von offizieller Seite bislang zumeist abgelehnt. Doch nach Aussagen des künftigen US-Präsidenten Barack Obama zur notwendigen Schließung des Camps wieder interessant. Zumal bei 50 Guantanamo-Gefangenen absehbar ist, dass sie von den US-Behörden nicht angeklagt werden, hieß es in einer am Montag veröffentlichten Erklärung von Menschenrechtsorganisationen. Die Häftlinge könnten nicht in ihre Heimatländer zurück, weil ihnen dort Folter drohe. Also müsse man eine Lösung finden, »weil sie einfach keinen Ort haben, wohin sie gehen könnten«, erklärte Emi MacLean vom Zentrum für Verfassungsrechte. Europäische Staaten sollen die Männer aufnehmen, forderten die Menschenrechtler. Der Aufruf wird von Amnesty International, Human Rights Watch, der Internationalen Föderation für Menschenrechte und der Organisation Reprieve mitgetragen.

Die Gefangenen, für die sich die Organisationen einsetzen, stammen aus China, Libyen, Russland, Tunesien und Usbekistan. »Es ist nicht so, dass wir die US-Regierung aus ihrer Pflicht zu einer rechtmäßigen Behandlung der Menschen entlassen wollen, doch könnte der vorgeschlagene Deal ein Weg sein, um das Gefangenenlagers in der kubanischen US-Basis endlich zu schließen«, heißt es in der Berliner Amnesty-Zentrale.

Bestätigt wird, dass man darüber »in Verhandlungen mit der deutschen Regierung« stehe. Konkrete Aussagen seien jedoch nicht »zweckdienlich«. Verwiesen wird darauf, dass sich »Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) am Wochenende entgegenkommend geäußert hat«. In schlechter Erinnerung ist indessen, dass Steinmeier als Kanzleramtschef der rot-grünen Regierung sogar die »Rücknahme« des Gefangenen Murat Kurnaz verweigerte, obwohl der in Hamburg gelebt hatte.

Die »New York Times« berichtete gestern, dass ein im Jahr 2004 vom damaligen Verteidigungsminister Rumsfeld erlassener Geheimbefehl das US-Militär ermächtigt, weltweit Angriffe auf mutmaßliche Al-Qaida-Mitglieder durchzuführen. Aufgeführt seien 15 bis 20 Länder, darunter Syrien, Pakistan, der Jemen, Saudi-Arabien und Staaten am Persischen Golf. Fast ein Dutzend Operationen seien genehmigt worden.

* Aus: Neues Deutschland, 11. November 2008


"Yes he can"

OBAMA MUSS MENSCHENRECHTE IN DEN FOKUS RÜCKEN

5. November 2008 - Der neu gewählte US-Präsident Barack Obama muss den Schutz der Menschenrechte zum Grundpfeiler seiner Politik machen. Nur so können die Schäden behoben werden, die durch die menschenrechtsverachtenden Praktiken der Bush-Regierung im sogenannten "Kampf gegen den Terror" entstanden sind. Die drängendste Maßnahme: die Schließung Guantánamos.

Amnesty International hat Barack Obama heute dazu aufgefordert, den Schutz der Menschenrechte in den Mittelpunkt seiner Politik als US-Präsident zu stellen. Innerhalb der ersten 100 Tage nach ihrer Amtseinführung am 20. Januar 2009 soll die neue US-Regierung durch konkrete Maßnahmen unter Beweis stellen, dass sie willens ist, die US-Politik wieder in Einklang mit internationalen Menschenrechtsvereinbarungen zu bringen.

Vor allem fordert Amnesty Barack Obama dazu auf, in den ersten 100 Tagen seiner Präsidentschaft
  • einen Plan und ein genaues Datum für die Schließung des Gefangenenlagers in Guantánamo Bay zu erarbeiten,
  • Richtlinien zu erlassen, die verbindlich allen US-Sicherheitskräften gemäß Völkerrecht Folter und andere Misshandlungen verbieten, und
  • eine unabhängige Kommission einzurichten, welche die von den USA im Namen des sogenannten "Kampf gegen den Terror" begangenen Menschenrechtsverletzungen untersucht.
"Der neu gewählte US-Präsident Barack Obama muss klar mit den menschenrechtsverachtenden Inhaftierungs- und Verschleppungspraktiken der amtierenden US-Regierung brechen. Millionen Menschen in den USA und auf der Welt fordern diese Veränderungen. Jetzt ist es an der Zeit, diese Veränderungen umzusetzen", erklärte Irene Khan, Generalsekretärin von Amnesty International.

Guantánamo Bay: US Department of DefenseGuantánamo Bay: US Department of DefenseDas US-Gefangenenlager in Guntanámo Bay ist zum Symbol für die Missachtung der Menschenrechte und rechtsstaatlicher Prinzipien geworden. Doch Guantánamo ist nur der sichtbare Teil eines weltweiten Netzes rechtswidriger US-Hafteinrichtungen. Die Regierung Bush setzte in der Anti-Terror-Politik auf ein System von "Verschwindenlassen" in Geheimgefängnissen, unbegrenzter Haft ohne Anklage und der Überstellung von Verdächtigen in Staaten, in denen ihnen Folter droht. Nur wenn Barack Obama eine andere Politik mit den Menschenrechten als Grundpfeiler betreibt, können die USA ihre Glaubwürdigkeit beim Thema "Menschenrechte" wiedererlangen.

Guantánamo Bay werde im Falle seines Wahlsiegs geschlossen, hat Obama angekündigt. Doch Versprechen aus dem Wahlkampf geraten nach Wahlsiegen allzu oft in Vergessenheit. Damit diese Ankündigung nicht von der Agenda des zukünftigen US-Präsidenten rutscht, wird Amnesty International Barack Obama in den ersten 100 Tagen seiner Präsidentschaft mit Aktionen in den USA und weltweit an sein Versprechen erinnern.

Quelle: Website von amnesty international; www.amnesty.de



Humanitärer Schutz

Von Olaf Standke **

Frank-Walter Steinmeier ist sich hundertprozentig sicher, wie er jetzt bekannte: Barack Obama wird das berüchtigte Gefangenenlager Guantanamo schließen. Viel hellseherische Fähigkeiten musste der Bundesaußenminister da nicht aufbringen. Der designierte USA-Präsident hat diesen Schritt im Wahlkampf schließlich zu einer prioritären Aufgabe erklärt, wurde das Lager im juristischen Niemandsland doch zum Symbol permanenter Menschenrechtsverletzungen der Bush-Regierung im »Anti-Terrorkrieg«. Zugleich forderte Obama die »Wiederherstellung des Habeas-Corpus-Rechts« zur Anfechtung der Haftgründe vor zivilen Gerichten, was auf die Abschaffung der Militärtribunale hinausläuft.

Amnesty International hat wie andere Nichtregierungsorganisationen in den vergangenen Jahren immer wieder die Auflösung des Lagers gefordert. Keine Frage, dass es zu allererst in der Verantwortung Washingtons liegt, für die dort geschaffenen Probleme eine rechtmäßige und gerechte Lösung zu finden. Das heißt auch, eine neue Heimat für jene widerrechtlich Inhaftierten, die nicht in ihre Herkunftsländer heimkehren können, weil sie dort erneut Gefangenschaft und Folter erwartet. Doch die USA werden für die meisten keine Alternative sein. Um so wichtiger ist es, dass diese Häftlinge endlich humanitären Schutz erhalten. Deshalb haben fünf Menschenrechtsorganisationen gestern die europäischen Regierungen aufgerufen, ihnen die Tore zu öffnen – und so auch einen Beitrag zur baldigen Schließung des Gefangenenlagers zu leisten. Zumal nicht wenige Länder einst eifrige Handlanger bei der Verschleppung vermeintlicher Terroristen nach Guantanamo waren.

** Aus: Neues Deutschland, 11. November 2008 (Kommentar)


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