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Obamas Skalpell im Schattenkrieg

USA-Präsident hat verdeckte Operationen im Anti-Terrorkampf massiv ausgeweitet

Von Olaf Standke *

USA-Präsident Barack Obama hat einem Bericht der »New York Times« zufolge von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt »Schattenkriege« gegen Terroristen in Asien und Afrika deutlich verstärkt.

Beim Angriff einer US-amerikanischen Drohne in den nordwestlichen pakistanischen Stammesgebieten sollen am Samstag 13 Aufständische getötet worden sein. Diese Region gilt als Hochburg von Taliban und Rebellen, die angeblich in Verbindung zum Terrornetzwerk Al Qaida stehen. Und immer häufiger werden sie von unbemannten Flugkörpern attackiert. Allein in seinem ersten Amtsjahr hat Präsident Obama so mehr Raketen abfeuern lassen als Bush in acht Jahren zuvor. Die »Washington Post« rechnet in diesem Jahr mit bis zu 100 Drohnen-Angriffen. Im Pentagon-Etat sind dafür rund 3,5 Milliarden Dollar vorgesehen.

»Was als verdeckter Krieg unter der Bush-Regierung begann, ist unter Präsident Obama ausgeweitet worden«, schrieb die »New York Times« am Samstag. Statt eines »Hammers« setze man nun auf das »Skalpell«, sagte Obamas Spitzenberater im Antiterror-Krieg, John Brennan. Dieser Kurs verwandele den Auslandsgeheimdienst CIA zunehmend in eine paramilitärische Organisation, während das Pentagon der CIA immer ähnlicher werde, weil es immer häufiger zu Spionagemissionen eingesetzt werde, so die Zeitung. Und praktisch keiner der »neuen, aggressiven Schritte« der Obama-Regierung sei öffentlich geworden.

Schon vor einigen Monaten war durchgesickert, dass der damalige Chef des Zentralkommandos, General David Petraeus, in einer Direktive (Joint Unconventional Warfare Task Force Execute Order) vom September 2009 die Ausdehnung geheimer militärischer Operationen auf den ganzen Nahen Osten, Zentralasien und das Horn von Afrika befohlen hatte. Er ordnete den Ausbau eines Netzwerks von Task Forces an, die Ziele in jedem vom US-Militär bestimmten Land »infiltrieren, stören, besiegen und vernichten« können. Die Spezialeinheiten sollen Geheimoperationen durchführen, die mit anderen militärischen Mitteln »nicht möglich sind«. Dazu gehören die gezielten Tötungen von Taliban-Kommandeuren in Afghanistan. In diesem Jahr, schätzt P. W. Singer von der US-amerikanischen Denkfabrik Brookings Institution, dürften erstmals auch mehr Drohnenpiloten ausgebildet werden als Kampfflieger.

Neben den verstärkten Drohen-Attacken in Pakistan habe Washington Angriffe auf Al-Qaida-Mitglieder in Somalia oder Geheimoperationen aus Kenia heraus und in früheren Sowjetrepubliken autorisiert, enthüllte die »New York Times« jetzt. Gemeinsam mit NATO-Verbündeten seien Terrorgruppen in Nordafrika ausgehoben worden. Aber auch die Hilfe von Privatfirmen nutze das Pentagon, um geheimdienstliche Informationen über Verstecke von Extremisten zu gewinnen. In Jemen habe man eine »Militärkampagne« gestartet, die offiziell nie bestätigt wurde. So sei im Mai mit einem Luftangriff eine Al-Qaida-Stellung bombardiert -- und dabei auch ein ranghoher Politiker getötet worden. In Pakistan starben bei Drohnen-Angriffen seit August 2008 über 1000 Menschen, darunter viele Zivilisten. Das alles verschärft die Kritik an den »Schattenkriegen« Obamas auch in den USA.

* Aus: Neues Deutschland, 16. August 2010


Killerdrohnen

Von Olaf Standke **

Er war Vize-Gouverneur der jemenitischen Provinz Marib und saß am Verhandlungstisch mit Islamisten, um über ein Ende ihrer Gewaltaktionen zu verhandeln. Falscher Zeitpunkt, falscher Ort. Denn auch er starb, als das US-amerikanische Militär vor drei Monaten in einer Geheimoperation die »Al-Qaida-Stellung« bombardierte. 16 Drohnen-Angriffe brauchte die CIA, ehe sie im Vorjahr endlich Baitullah Mehsud getötet hatte, den Anführer der pakistanischen Taliban. Bis zu 320 Personen starben dabei nach Recherchen eines New Yorker Magazins, und viele davon waren Zivilisten.

Das sind die »Kollateralschäden« eines Instruments, das Obamas Chefberater im Anti-Terrorkampf stolz als erfolgreiches »Skalpell« nach der bisherigen »Hammer«-Strategie zu verkaufen versucht. Kaum registriert, hat der USA-Präsident den verdeckten Krieg seines Vorgängers rund um den Globus massiv ausgeweitet. Die Grenzen zwischen Pentagon und CIA verschwimmen immer mehr, und Obama scheint es nicht zu stören, dass er da auf staatlich sanktionierten Mord im völkerrechtlichen Niemandsland setzt. Zudem: Wie nachhaltig kann es sein, einzelne Terroristen zu exekutieren, wenn man dabei zugleich die Zivilbevölkerung trifft und so den Nährboden für neuen Widerstand düngt? Mit seinen Killerdrohnen und Geheimoperationen präsentiert sich der preisgekrönte Friedensfürst längst als gefährlicher Schattenkrieger.

** Aus: Neues Deutschland, 16. August 2010 (Kommentar)


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