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Obama will das "Krebsgeschwür" IS eliminieren

USA kündigen Angriffe jetzt auch auf Syrien an / Nahostexpertin Bennis kritisiert blindes Vertrauen auf Bomben

Von Max Böhnel, New York *

In einer Fernsehansprache hat USA-Präsident Obama die Ausweitung des Krieges in Irak und Syrien angekündigt. Doch zu wichtigen Strategiefragen im Kampf gegen IS blieb er Antworten schuldig.

Am Vorabend des 13. Jahrestages der »9/11«-Anschläge kündigte US-Präsident Barack Obama zur besten Sendezeit an, die USA würden mit Hilfe ihrer Bündnispartner die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) »schwächen und letztlich zerstören«. Die Angriffe der USA-Luftwaffe auf IS-Ziele in Irak würden von nun an auf das Nachbarland Syrien ausgeweitet, sagte Obama. Eine »Mission« mit dem Einsatz amerikanischer Bodentruppen schloss Obama aus mit den Worten: »Wir lassen uns nicht in einen neuen Krieg am Boden hineinziehen.« Dennoch sollen 475 weitere USA-Soldaten nach Irak entsandt werden.

Den IS bezeichnete Obama als »Krebsgeschwür«. Um es »zu eliminieren«, seien Zeit sowie ein breites internationales Bündnis erforderlich. Wer jedoch dieser Koalition auf diplomatischer, wirtschaftlicher und militärischer Ebene angehören soll, blieb unausgesprochen. Die »bestmögliche US-Führungsstärke« werde Außenminister John Kerry bei Reisen nach Europa und Nahost unter Beweis stellen, versprach Obama. Der USA-Präsident appellierte an den Kongress, Haushaltsmittel in Höhe von 500 Millionen Dollar für die Ausrüstung und das Training »moderater syrischer Rebellen« aus dem Antiterrortopf freizugeben.

Vor seiner Rede hatte das Weiße Haus an die Medien eine »Strategie« durchsickern lassen, die von der »New York Times« zum »Drei-Stufen-Plan« deklariert wurde. Die erste Phase mit Luftangriffen habe bereits begonnen und werde jetzt auf Syrien ausgeweitet. In einer zweiten Phase sollen kurdische und irakische Kämpfer aufgerüstet werden. Zuletzt soll der IS zerstört werden – eine Phase, die die Amtszeit Obamas weit überdauern werde.

Von einer substanziellen Strategie im Kampf gegen IS könne auch nach Obamas Auftritt keine Rede sein, kritisierten Beobachter. Da Obama vor allem beim heißen Eisen Syrien undeutlich blieb, würden die Auslassungen Ratlosigkeit Washingtons und das blinde Vertrauen auf Bombardierungen vermuten lassen. Wer sollen die »moderaten syrischen Rebellen« sein, die Obama vom US-Kongress aufrüsten und aus saudischen Quellen finanzieren lassen will, fragte etwa die Nahostexpertin Phyllis Bennis.

Luftangriffe gegen IS-Stellungen würden vielleicht eine kurzfristige Schwächung der Dschihadisten hervorrufen und sich in der westlichen Öffentlichkeit gut verkaufen lassen, aber eine militärische Lösung gebe es nicht. Der linke Nahostexperte und Professor für internationale Beziehungen am Trinity College in Hartford Vijay Prashad sagte gegenüber »nd«, die USA würden »von Afghanistan bis Libyen mit ihrer Militärpolitik nur Chaos anrichten«, und damit den Islamisten »erst den Boden bereiten, auf dem sie gedeihen«. Zahlreiche Beispiele aus der Vergangenheit würden beweisen, dass sich US-Bombardierungen »wie das Schlagen auf Quecksilber« auswirken, »es zerfällt in kleine Tröpfchen und sammelt sich anderswo wieder«.

Mit seinen Ankündigungen und Auslassungen orientierte sich Obama exakt entlang der Umfrageergebnisse der letzten Wochen. Drei Viertel der befragten Amerikaner befürworten Luftangriffe auf Ziele in Irak, zwei Drittel auf Ziele in Syrien. Eine große Mehrheit lehnt Bodentruppen ab. Von »Krieg« könne keine Rede sein, beruhigte Obama die Bevölkerung.

* Aus: neues deutschland, Freitag 12. September 2014

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Von Phyllis Bennis (15. September 2014)



Obamas nächster Krieg

US-Präsident kündigt Luftangriffe auf IS-Stellungen in Syrien an. »Gemäßigte Rebellen« sollen Bodentruppen stellen. Nur wer die sind, weiß keiner

Von Knut Mellenthin **


Barack Obama plant einen Krieg gegen Syrien. Das konnte man schon länger zahlreichen Anzeichen entnehmen. Seit einigen Tagen weiß man es definitiv durch Interview-Äußerungen des US-Präsidenten, durch seine Mitteilungen an führende Kongreßmitglieder und nun auch ganz offiziell durch seine Rede an die Na­tion. Aus der theatralisch vorbereiteten Ansprache, die Obama am Mittwoch abend (Ortszeit) zur besten Sendezeit verlas, konnte man zu diesem Thema allerdings nichts Neues erfahren. Der Präsident sagte sehr viel weniger, als ohnehin schon vorher allgemein bekannt war. Seine Ansprache bestand größtenteils aus einer selbstgefälligen Darstellung des »Krieges gegen den Terror« als gigantische Erfolgsgeschichte und aus Lobliedern auf die unerläßliche »Führerschaft« der USA über die gesamte übrige Welt.

Was Obama zu Syrien sagte, war lediglich, er werde »nicht zögern«, den sogenannten Islamischen Staat (IS) auch dort anzugreifen. Kein weiteres Wort dazu, weder zum Zeitplan noch zu den geplanten Umständen. Und: Die USA würden ihre militärische Unterstützung der »syrischen Opposition« verstärken. Der Präsident erwähnte in diesem Zusammenhang die von seiner Regierung schon vor Monaten beantragte, aber vom Kongreß noch nicht genehmigte Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe in Höhe von 500 Millionen Dollar. Zu der peinlichen, aber wichtigen Frage, wen er mit der »syrischen Opposition« oder den »gemäßigten Rebellen« meint, schwieg Obama indes.

Die von Washington offiziell unterstützte »Freie Syrische Armee« (FSA) jedenfalls ist nach übereinstimmenden Berichten aus verschiedenen Landesteilen militärisch nahezu irrelevant. Mancherorts arbeiten ihre Einheiten aus taktischen Gründen eng mit den Islamisten zusammen und ordnen sich ihnen unter. Vielfach sind aber auch ganze Truppenverbänden der FSA mit ihren Waffen zum IS übergelaufen. Saudi-Arabien und andere Staaten der arabischen Halbinsel haben mit Einverständnis der USA seit Beginn des Bürgerkriegs im Frühjahr 2011 unkontrollierbar große Mengen an Waffen nach Syrien gepumpt. Teils wurde direkt an islamistische Organisationen und Milizen geliefert, teils an die FSA, die aber praktisch nur als Zwischenstation fungierte. Das meiste ist inzwischen beim IS gelandet. Es ist nicht zu erkennen, wie das bei der beabsichtigten Verstärkung der Militärhilfe für »die syrische Opposition« anders laufen könnte.

Sicher ist nur: Obama will den Bock auch weiterhin als Obergärtner beschäftigen. Ausgerechnet das islamistische Regime der Saudis wird den Stützpunkt zur Verfügung stellen, auf dem die »gemäßigten syrischen Rebellen« in Zukunft von US-Militär- und CIA-Offizieren ausgebildet werden sollen. Das hat Obama, einer Mitteilung des Weißen Hauses zufolge, persönlich in einem Telefongespräch mit König Abdullah vereinbart.

Den »gemäßigten Rebellen« – wer auch immer diese Rolle künftig spielen wird – kommt in Obamas Strategie eine zentrale Rolle zu: Sie sollen die Bodentruppen sein, die mit US-amerikanischer Luftunterstützung in bisher vom IS kontrollierte Gebiete vorrücken. Das kann aber wegen der Schwäche dieser Kräfte nur funktionieren, wenn die USA mit der Androhung weiterer Luftangriffe die syrischen Regierungstruppen davon abhalten, vom IS geräumte Territorien zu besetzten. Deshalb ist bereits die Einrichtung von großflächigen »Schutzzonen« in Nordostsyrien im Gespräch.

** Aus: junge Welt, Freitag 12. September 2014


Der Feldherr auf dem Kriegspfad

Roland Etzel zu Obamas jüngster Rede an die Nation ***

Wahrscheinlich ist es egal, zu welchem Thema ein US-Präsident an einem 11. September spricht. Nüchterne Analyse und sachgerechte Entscheidungen sind an einem solchen Tag weniger denn je aus Washington zu erwarten. Der Präsident ist an einem 11. 9. ganz und gar Weltgeneral, das Capitol sein Feldherrenhügel, von dem Großamerika die Menschheit seine pathosgeschwängerten, aber unabänderlichen Ratschlüsse wissen lässt.

Die gestrige Rede zur US-Strategie gegenüber den islamistischen Bedrohungen im Mittleren Osten war in dieser Beziehung keine Ausnahme. Mit seiner verschwurbelten Rhetorik (»jede Spur des Bösen von der Welt tilgen«) wird Obama seinem Vorgänger Bush jun. immer ähnlicher. Aber vielleicht hält das Weiße Haus dessen verschwörerische, stets nah mit der Lüge versippte Weltsicht passend für das, was man den kriegsmüden Landsleuten jetzt verkaufen möchte. Dabei immer schön unklar bleiben: »... dass wir Terroristen, die unser Land bedrohen, jagen werden, wo auch immer sie sind«. Vorerst mit Luftschlägen; denn, so der Präsident, natürlich hat weiterhin niemand die Absicht, einen Bodenkrieg anzufangen.

Vielleicht darf man das Orakel vom Capitol so deuten: Den USA droht vor allem aufgrund der desaströsen Mittelostpolitik unter Bush jun., die letztlich auch IS groß gemacht hat, die Kontrolle über die Region zu entgleiten. Dem Pentagon fällt da wieder nur eines ein: Krieg. Sie nennen ihn wieder Krieg gegen den Terror.

*** Aus: neues deutschland, Freitag 12. September 2014 (Kommentar)

Damaskus wird beliebige Kampfhandlungen der USA in Syrien als Aggression einstufen

Damaskus wird beliebige Kampfhandlungen, die die USA auf dem Territorium Syriens ohne Zustimmung dessen Behörden unternehmen, als eine Aggression einstufen. Das erklärte der syrische Minister für nationale Aussöhnung, Ali Haidar, am Donnerstag nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters.

„Beliebige Handlungen, die in Syrien ohne Zustimmung der syrischen Regierung unternommen werden, wird Damaskus als einen Überfall auf Syrien betrachten“, erklärte der Minister zur Absicht der USA, Militäroperationen auch auf das Territorium Syriens auszudehnen. Zu möglichen Gegenmaßnahmen der syrischen Regierung machte Haidar aber keine Angaben.

Moskau befürchtet, dass die USA bei ihrem Vorgehen gegen die Terroristen in Syrien auch die Regierungskräfte angreifen könnten. Dies würde nur zur weiteren Eskalation des syrischen Konflikt führen, hieß es in Moskau.

Quelle: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 11.09.2014; http://de.ria.ru/




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