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"Wir sind bereit, alle Instrumente unserer Macht – einschließlich militärischer Gewalt – einzusetzen"

Rede von US-Präsident Barack Obama bei der 68. Generalversammlung der Vereinten Nationen (Wortlaut deutsch)


Im Folgenden dokumentieren wir die Rede von US-Präsident Barack Obama bei der 68. Vollversammlung der Vereinten Nationen vom 24. September 2013. Die Übersetzung besorgte der Amerika Dienst. Die Zwischenüberschriften haben wir der besseren Lesbarkeit wegen selbst eingefügt.
Die Originalrede in Englisch ist hier zu haben:
Remarks by President Obama in Address to the United Nations General Assembly [pdf, externer Link].


Rede des Präsidenten

Herr Präsident, Herr Generalsekretär, verehrte Delegierte, meine Damen und Herren, jedes Jahr kommen wir zusammen, um die Gründungsvision dieser Institution zu bestätigen. Seit Beginn der geschichtlichen Aufzeichnungen waren die Sehnsüchte des Einzelnen fast immer den Launen von Tyrannen und Imperien unterworfen. Dispute aufgrund von ethnischer, Stammes- oder Religionszugehörigkeit wurden mit dem Schwert und dem Aufeinandertreffen von Armeen geregelt. Dass Nationen und Völker in Frieden zusammenkommen könnten, um ihre Streitigkeiten zugunsten des gemeinsamen Wohlstands beizulegen, schien unvorstellbar.

Die schrecklichen Gemetzel zweier Weltkriege waren erforderlich, um unsere Denkweise zu ändern. Die Politiker, die die Vereinten Nationen ins Leben riefen, waren nicht naiv. Sie dachten nicht, dass dieses Gremium alle Kriege verhindern würde. Aber angesichts von Millionen von Toten und Kontinenten, die in Schutt und Asche lagen sowie der Entwicklung von Atomwaffen, die einen ganzen Planeten auslöschen konnten, begriffen sie, dass die Menschheit auf diesem Weg nicht überleben würde. Sie gaben uns diese Institution außerdem in der Überzeugung, dass sie uns ermöglichen würde, Konflikte zu lösen, Verhaltensregeln durchzusetzen und Gewohnheiten für die Zusammenarbeit zu schaffen, die sich im Laufe der Zeit immer stärker etablieren würden.

Tatsächlich tragen die Vereinten Nationen nun seit Jahrzehnten dazu bei, Krankheiten auszumerzen, Kinder zu bilden und Frieden zu schaffen. Aber wie jede andere Generation führender Politiker stehen auch wir vor neuen und tiefgreifenden Herausforderungen, und diese Institution wird immer wieder auf die Probe gestellt. Die Frage lautet, ob wir als Nationalstaaten und Mitglieder der internationalen Gemeinschaft über die Weisheit und den Mut verfügen, diese Herausforderungen unmittelbar anzugehen und ob die Vereinten Nationen sich bewähren werden.

Während eines Großteils meiner Amtszeit als Präsident ging es bei einigen der dringlichsten Herausforderungen um eine zunehmend integrierte Weltwirtschaft sowie unsere Bestrebungen, uns von der schlimmsten Wirtschaftskrise unserer Zeit zu erholen. Jetzt, fünf Jahre nach dem Zusammenbruch der Weltwirtschaft, werden dank der koordinierten Bestrebungen der Länder, die heute hier vertreten sind, Arbeitsplätze geschaffen, Systeme stabilisiert und die Armut vieler Menschen wieder gelindert. Aber dieser Prozess ist fragil und ungleichmäßig, und wir haben gemeinsam noch viel zu tun, wenn wir gewährleisten wollen, dass unsere Bürgerinnen und Bürger Zugang zu den Chancen haben, die sie brauchen, um im 21. Jahrhundert erfolgreich zu sein.

Gemeinsam haben wir auch daran gearbeitet, ein Jahrzehnt des Krieges zu beenden. Vor fünf Jahren dienten fast 180.000 Amerikanerinnen und Amerikaner in Gefahrengebieten, und der Irakkrieg war das Thema, das unsere Beziehungen zum Rest der Welt beherrschte. Heute haben alle unsere Truppen Irak verlassen. Nächstes Jahr wird eine internationale Koalition den Krieg in Afghanistan beenden, nachdem sie ihren Auftrag erfüllt hat, den Kern von Al Kaida zu zerstören, der uns am 11. September 2001 angegriffen hat.

Die Welt ist heute sicherer als vor fünf Jahren

Für die Vereinigten Staaten bedeuten diese neuen Gegebenheiten auch, dass sie sich von einem ständigen Kriegszustand entfernen. Neben der Rückkehr unserer Truppen haben wir den Einsatz von Drohnen eingeschränkt, um Ziele nur dann auszuwählen, wenn eine andauernde und unmittelbare Bedrohung für die Vereinigten Staaten besteht, eine Gefangennahme nicht möglich ist und es mit nahezu 100-prozentiger Sicherheit keine Opfer unter Zivilisten geben wird. Wir verlagern Häftlinge in andere Länder und stellen Terroristen vor Gericht, während wir uns bemühen, das Gefangenenlager in Guantánamo Bay zu schließen. Ebenso wie wir die Art und Weise überprüft haben, wie wir die Entsendung unserer außergewöhnlichen Streitkräfte in Einklang mit unseren Idealen bringen, haben wir begonnen, die Art und Weise zu überprüfen, wie wir nachrichtendienstliche Erkenntnisse gewinnen, um das legitime Bedürfnis unserer Bürger und Verbündeten nach Sicherheit ins Gleichgewicht mit den Datenschutzbedenken bringen zu können, die alle Menschen teilen.

Als Ergebnis dieser Arbeit und der Kooperation mit Verbündeten und Partnern ist die Welt heute sicherer als vor fünf Jahren. Aber schon ein Blick auf die Schlagzeilen von heute zeigt, dass es weiterhin Gefahren gibt. In Kenia haben sich Terroristen unschuldige Zivilisten in einem überfüllten Einkaufszentrum zum Ziel gewählt, und wir fühlen mit den Familien der Betroffenen. In Pakistan wurden bei einem Selbstmordattentat vor einer Kirche vor Kurzem fast 100 Menschen getötet. In Irak gehören Morde und Autobomben weiterhin zum Alltag. Al Kaida ist inzwischen in regionale Netzwerke und Milizen zersplittert, so dass sie zum jetzigen Zeitpunkt keinen Angriff wie den vom 11. September ausführen könnte, aber dennoch eine ernste Bedrohung für Regierungen, Diplomaten, Unternehmen und Zivilisten auf der ganzen Welt darstellt.

Ebenso signifikant sind die Erschütterungen im Nahen Osten und Nordafrika, die tiefe Spaltungen innerhalb der Gesellschaften offenbart haben, während eine alte Ordnung beseitigt wird und die Menschen sich mit dem auseinandersetzen müssen, was als nächstes kommt. Auf friedliche Bewegungen wurde zu oft mit Gewalt reagiert — von denjenigen, die sich dem Wandel widersetzen sowie von Extremisten, die ihn für ihre Zwecke missbrauchen. Religiös motivierte Konflikte treten wieder zutage. Und die potenzielle Verbreitung von Massenvernichtungswaffen wirft weiter einen Schatten auf das Streben nach Frieden.

Die Situation in Syrien weitete sich zu einem Bürgerkrieg aus

Nirgends trafen diese Tendenzen stärker aufeinander als in Syrien. Die friedlichen Demonstrationen gegen ein autoritäres Regime wurden unterdrückt und brutal niedergeschlagen. Angesichts dieses Blutbads zogen sich viele in ihre religiöse Identität zurück — Alewiten und Sunniten, Christen und Kurden — und die Situation weitete sich zu einem Bürgerkrieg aus.

Die internationale Gemeinschaft erkannte sehr früh, was auf dem Spiel stand, aber unsere Reaktion war dem Ausmaß der Herausforderung nicht angemessen. Die Hilfsleistungen können mit dem Leid der Verwundeten und Vertriebenen nicht Schritt halten. Der Friedensprozess ist eine Totgeburt. Die Vereinigten Staaten und andere haben zusammengearbeitet und die moderate Opposition unterstützt, aber Extremisten haben Fuß gefasst und die Krise ausgenutzt. Die traditionellen Verbündeten Assads haben ihn gestützt und die Prinzipien der Souveränität angeführt, um sein Regime zu schützen. Am 21. August setzte das Regime bei einem Anschlag Chemiewaffen ein, bei dem mehr als 1.000 Menschen ums Leben kamen, darunter auch Hunderte von Kindern.

Die Krise in Syrien und die Destabilisierung der Region trifft den Kern der umfassenderen Herausforderungen, denen die internationale Gemeinschaft sich nun stellen muss. Wie sollen wir auf Konflikte im Nahen Osten und Nordafrika reagieren, bei denen es sich um Konflikte zwischen einzelnen Ländern, aber auch innerhalb der Länder selbst handelt? Wie gehen wir mit der Entscheidung um, entweder gleichgültig dabei zuzusehen, wie Kinder Nervengas ausgesetzt werden oder uns in den Bürgerkrieg eines anderen Landes einzumischen? Welche Rolle spielt militärische Gewalt bei der Beilegung von Konflikten, die die Stabilität der Region bedrohen und die grundlegenden Maßstäbe zivilisierten Verhaltens untergraben? Wie sieht die Rolle der Vereinten Nationen und des Völkerrechts angesichts der Rufe nach Gerechtigkeit aus?

Ich möchte heute die Haltung der Vereinigten Staaten zu diesen Fragen darlegen. Mit Blick auf Syrien muss die internationale Gemeinschaft unseres Erachtens zunächst einmal das Chemiewaffenverbot durchsetzen. Als ich meine Bereitschaft erklärte, als Reaktion auf den Einsatz von Chemiewaffen einen begrenzten Angriff gegen das Assad-Regime anzuordnen, habe ich das nicht leichten Herzens getan. Ich habe es getan, weil es meiner Meinung nach im Interesse der Sicherheit der Vereinigten Staaten und der Welt ist, auf bedeutungsvolle Weise ein Verbot durchzusetzen, dessen Ursprünge älter sind als die Vereinten Nationen selbst. 98 Prozent der Menschheit haben sich darauf geeinigt, Chemiewaffen selbst im Krieg zu verbieten. Dieses Verbot wird von den unauslöschlichen Erinnerungen an Soldaten, die in den Schützengräben erstickten, an Juden in Gaskammern und Zehntausende vergiftete Iraner gestärkt.

"Überwältigende Beweise" für Assads Chemiewaffeneinsatz

Die Beweise, dass das Regime Assad diese Waffen am 21. August eingesetzt hat, sind überwältigend. UN-Inspektoren haben klar dargelegt, dass moderne Flugkörper mit großen Mengen an Saringas auf Zivilisten abgefeuert wurden. Diese Raketen wurden von einem Stadtteil aus abgefeuert, der unter der Kontrolle des Regimes steht, und landeten in Stadtteilen, die von der Opposition kontrolliert werden. Es ist eine Beleidigung der menschlichen Vernunft und der Legitimität dieser Institution zu behaupten, irgendjemand anders als das Regime habe diesen Anschlag durchgeführt.

Ich weiß, dass es Stimmen gab, die unmittelbar nach dem Anschlag auch die Legitimität eines begrenzten Angriffs ohne Mandat des Sicherheitsrats infrage stellten. Aber der Sicherheitsrat hatte ohne glaubwürdige militärische Drohung überhaupt keine Neigung zu handeln gezeigt. Dennoch bestand meine Präferenz, wie ich mit Präsident Putin seit über einen Jahr und vor kurzem in St. Petersburg erörtert habe, immer in einer diplomatischen Lösung für dieses Problem. In den letzten Wochen haben sich die Vereinigten Staaten, Russland und unsere Verbündeten darauf geeinigt, die syrischen Chemiewaffen unter internationale Kontrolle zu stellen und sie dann zu zerstören.

Die syrische Regierung hat einen ersten Schritt unternommen, indem sie Rechenschaft über ihre Arsenale abgelegt hat. Jetzt muss es eine nachdrückliche Resolution des Sicherheitsrats geben, damit überprüft werden kann, ob das Assad-Regime seine Zusagen einhält, und es muss Konsequenzen geben, falls dies nicht geschieht ist. Wenn wir uns nicht einmal darauf einigen können, zeigt dies, dass die Vereinten Nationen noch nicht einmal in der Lage sind, die grundlegendsten internationalen Verträge durchzusetzen. Wenn wir es allerdings schaffen, wäre das ein starkes Signal, dass für den Einsatz von Chemiewaffen im 21. Jahrhundert kein Raum ist, und dass diese Institution meint, was sie sagt.

Eine Einigung über Chemiewaffen wäre ein Impuls für umfassendere diplomatische Bestrebungen zu einer politischen Lösung für Syrien. Meiner Meinung nach können militärische Maßnahmen — ob innerhalb Syriens oder von außen — keinen dauerhaften Frieden schaffen. Ich bin auch nicht der Meinung, dass die Vereinigten Staaten oder ein anderes Land bestimmen sollten, wer Syrien regiert; das müssen die Syrer entscheiden. Aber ein Staatsoberhaupt, das seine Bürger abschlachtet und Kinder vergast, kann nicht die Legitimität wiedererlangen, die erforderlich ist, um ein gespaltenes Land zu regieren. Der Gedanke, Syrien könnte irgendwie zum Vor-Kriegs-Zustand zurückzukehren, ist eine Fantasievorstellung.

Es ist an der Zeit, dass Russland und Iran erkennen: Wenn sie auf Assad als Regierungsoberhaupt bestehen, wird dies unmittelbar zu dem Ergebnis führen, das sie fürchten, nämlich einem zunehmend gewalttätigen Raum, in dem Extremisten operieren können. Diejenigen unter uns, die weiter die moderate Opposition unterstützen, müssen sie wiederum überzeugen, dass sich die Syrer den Zusammenbruch der staatlichen Institutionen nicht leisten können, und dass eine politische Lösung nicht gefunden werden kann, ohne die berechtigten Befürchtungen und Bedenken der Alewiten und anderer Minderheiten auszuräumen.

Wir werden uns für diesen politischen Weg einsetzen. Bei der Suche nach einer Einigung sollten wir uns vor Augen führen, dass es sich hier nicht um ein Nullsummenspiel handelt. Wir befinden uns nicht mehr im Kalten Krieg. Weder gibt es ein Great Game, das gewonnen werden muss, noch haben die Vereinigten Staaten ein Interesse an Syrien, das über das Wohlergehen der syrischen Bevölkerung, die Stabilität seiner Nachbarn, die Zerstörung von Chemiewaffen und die Gewährleistung, dass es kein Zufluchtsort für Terroristen wird, hinausgeht.

Ich begrüße die Einflussnahme aller Nationen, die zu einer friedlichen Beilegung des Bürgerkriegs in Syrien beitragen können. Während wir den Genfer Prozess voranbringen, rufe ich alle hier anwesenden Nationen dazu auf, humanitäre Hilfe für Syrien und seine Nachbarländer zu leisten. Die Vereinigten Staaten haben über eine Milliarde US-Dollar für diese Bestrebungen zur Verfügung gestellt, und ich kann heute ankündigen, dass wir weitere 340 Millionen US-Dollar bereitstellen werden. Hilfsleistungen sind kein Ersatz für eine politische Lösung, die den Syrern die Möglichkeit gibt, ihr Land wiederaufzubauen, aber sie können verzweifelten Menschen helfen, zu überleben.

"Wir sind bereit, alle Instrumente unserer Macht – einschließlich militärischer Gewalt – einzusetzen"

Welche umfassenderen Schlussfolgerungen können aus der Syrien-Politik der Vereinigten Staaten gezogen werden? Ich weiß, einige sind frustriert von unserer mangelnden Bereitschaft, unsere militärische Macht zur Absetzung von Assad einzusetzen. Sie meinen, das sei ein Zeichen für die mangelnde Entschlossenheit der Vereinigten Staaten in der Region. Andere haben angedeutet, meine Bereitschaft, einen begrenzten Angriff zur Abschreckung vor dem Einsatz von Chemiewaffen durchzuführen, zeige, dass wir nichts aus dem Irakkrieg gelernt hätten. Und die Vereinigten Staaten weiter versuchen, die Kontrolle über den Nahen Osten zu erlangen, um eigene Ziele zu verfolgen. So spiegelt die Situation in Syrien einen Widerspruch wider, den es in der Region seit Jahrzehnten gibt: Die Vereinigten Staaten werden getadelt, weil sie sich in der Region einmischen, sie werden beschuldigt, an den unterschiedlichsten Verschwörungen beteiligt zu sein, und gleichzeitig wird ihnen vorgeworfen, nicht genug zu tun, um die Probleme der Region zu lösen und dem Leid der muslimischen Bevölkerung gleichgültig gegenüberzustehen.

Ich weiß, einiges davon lässt sich angesichts der Rolle der Vereinigten Staaten auf der Welt nicht vermeiden. Aber diese widersprüchlichen Haltungen haben praktische Auswirkungen auf die Unterstützung der amerikanischen Bürger für unser Engagement in der Region, und sie ermöglichen es der politischen Führung der Region ebenso wie der internationalen Gemeinschaft, das Angehen dieser Probleme zu vermeiden.

Ich möchte deshalb diese Gelegenheit ergreifen, um die US-Politik gegenüber dem Nahen Osten und Nordafrika zu erläutern und darzulegen wie meine Politik in der mir verbleibenden Amtszeit als Präsident aussehen wird.

Die Vereinigten Staaten von Amerika sind bereit, alle Instrumente ihrer Macht – einschließlich militärischer Gewalt – einzusetzen, um ihre Kerninteressen in der Region zu wahren.

Wir werden uns Angriffen von außen auf unsere Verbündeten und Partner widersetzen, wie wir es im Golfkrieg getan haben.

Wir werden den freien Energiefluss von der Region in die Welt sicherstellen. Obwohl die Vereinigten Staaten ihre eigene Abhängigkeit von importiertem Öl ständig verringern, ist die Welt immer noch von Energielieferungen aus der Region abhängig, und eine ernsthafte Unterbrechung könnte die gesamte Weltwirtschaft destabilisieren.

Wir werden Terrornetzwerke zerschlagen, die unsere Bürger bedrohen. Wo auch immer dies möglich ist, werden wir die Fähigkeiten unserer Partner ausbauen, die Souveränität von Nationen achten und gegen die tieferliegenden Ursachen des Terrorismus vorgehen. Wenn es aber erforderlich ist, die Vereinigten Staaten vor einem Terroranschlag zu schützen, werden wir direkte Maßnahmen ergreifen.

Und schließlich werden wir die Herstellung von Massenvernichtungswaffen nicht dulden. Ebenso wie wir den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien als Bedrohung unserer eigenen nationalen Sicherheit sehen, lehnen wir die Entwicklung von Atomwaffen ab, die zu einem atomaren Wettrüsten in der Region führen und das globale Nichtverbreitungsregime untergraben könnten.

Wenn wir sagen, dass dies die Kerninteressen der Vereinigten Staaten sind, heißt das nicht, dass dies unsere einzigen Interessen sind. Wir sind zutiefst davon überzeugt, dass Freiheit und Wohlstand im Nahen Osten und Nordafrika in unserem Interesse liegen, und wir werden weiter Demokratie, Menschenrechte und offene Märkte fördern, weil wir der Meinung sind, dass diese Dinge Frieden und Wohlstand fördern. Ich glaube aber auch, dass wir diese Ziele nur selten durch unilaterale Maßnahmen und insbesondere Militäraktionen der Vereinigten Staaten erreichen können. Der Irak hat gezeigt, dass Demokratie nicht einfach mit Gewalt aufgezwungen werden kann. Vielmehr erreicht man diese Ziele am ehesten, wenn sich die internationale Gemeinschaft sowie die Länder und Menschen der Region zusammentun.

Was bedeutet das also für die Zukunft? Kurzfristig werden sich die diplomatischen Bemühungen der Vereinigten Staaten auf zwei konkrete Themen konzentrieren: Das Streben Irans nach Kernwaffen sowie den arabisch-israelischen Konflikt. Obwohl diese Fragen nicht die Ursache für die Probleme der Region sind, sind sie schon viel zu lange eine Quelle der Instabilität, und ihre Lösung kann die Grundlage für einen umfassenderen Frieden bilden.

Das Verhältnis zum Iran

Die Vereinigten Staaten und Iran sind seit der Islamischen Revolution von 1979 voneinander abgeschottet. Dieses Misstrauen hat tiefe Wurzeln. Die Iraner beschweren sich schon lange über eine Tradition der amerikanischen Einmischung in ihre Angelegenheiten und über die Rolle der Vereinigten Staaten beim Sturz der iranischen Regierung im Kalten Krieg. Auf der anderen Seite sehen die Amerikaner eine iranische Regierung, die die Vereinigten Staaten zum Feind erklärt und direkt oder über Stellvertreter amerikanische Geiseln genommen, Soldaten und Zivilisten getötet und unserem Verbündeten Israel mit Zerstörung gedroht hat.

Ich glaube nicht, dass wir diese schwierige Geschichte über Nacht überwinden können — das Misstrauen sitzt zu tief. Ich meine aber, die Überwindung der Problematik des iranischen Atomprogramms wäre ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu anderen Beziehungen, die auf gemeinsamen Interessen und gegenseitigem Respekt beruhen.

Seit meinem Amtsantritt habe ich in Briefen an den Obersten Rechtsgelehrten Irans und, in jüngster Zeit, an Präsident Rohani deutlich gemacht, dass die Vereinigten Staaten es vorzögen, die Bedenken gegenüber dem iranischen Atomprogramm auf friedliche Weise auszuräumen, obwohl wir entschlossen sind, Iran von der Entwicklung von Kernwaffen abzuhalten. Wir wollen keinen Regimewechsel herbeiführen, und wir achten das Recht der Iraner, Atomenergie friedlich zu nutzen. Wir bestehen aber darauf, dass die iranische Regierung ihrer Verantwortung gemäß des Nichtverbreitungsvertrags und der Resolutionen des Sicherheitsrats nachkommt.

Inzwischen hat der Oberste Rechtsgelehrte eine Fatwa gegen die Herstellung von Kernwaffen erlassen, und Präsident Rohani hat erst vor Kurzem bekräftigt, dass die Islamische Republik nie eine Atomwaffe herstellen wird.

Diese Erklärungen unserer jeweiligen Regierungen sollten also die Grundlage für eine sinnvolle Einigung bieten. Wir sollten zu einer Resolution kommen, die die Rechte der iranischen Bevölkerung achtet, gleichzeitig aber der Welt das Vertrauen bietet, dass das iranische Programm friedlichen Zwecken dient. Für den Erfolg ist es allerdings wichtig, dass den versöhnlichen Worten transparente und überprüfbare Taten folgen. Schließlich sind es die Entscheidungen der iranischen Regierung, die zu den umfassenden Sanktionen geführt haben, die momentan gelten. Hier handelt es sich nicht lediglich um eine Angelegenheit zwischen den Vereinigten Staaten und Iran. Die Welt hat gesehen, dass sich Iran in der Vergangenheit seiner Verantwortung entzogen hat und hat ein nachhaltiges Interesse daran sicherzustellen, dass Iran seinen Verpflichtungen in Zukunft nachkommt.

Aber ich sage ganz deutlich, dass es uns Mut macht, dass Präsident Rohani von den Menschen in Iran das Mandat erhalten hat, einen gemäßigteren Kurs einzuschlagen. Und aufgrund des ausdrücklichen Bekenntnisses von Präsident Rohani, eine Einigung finden zu wollen, weise ich John Kerry an, dieses Bestreben gemeinsam mit der iranischen Regierung und in enger Zusammenarbeit mit der Europäischen Union, dem Vereinigten Königreich, Frankreich, Deutschland, Russland und China zu verfolgen.

Die Hindernisse auf dem Weg dorthin mögen sich als zu groß erweisen, aber ich glaube fest daran, dass der diplomatische Weg geprüft werden muss. Denn der Status quo wird die Isolation Irans nur verstärken, während Irans aufrichtiges Versprechen, einen anderen Weg einzuschlagen, für die Region und die Welt gut sein und der iranischen Bevölkerung helfen wird, ihr außerordentliches Potenzial auszuschöpfen — in den Bereichen Handel und Kultur, Wissenschaft und Bildung.

Den Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis lösen

Wir sind auch entschlossen, einen Konflikt zu lösen, dessen Anfänge sogar noch weiter zurückliegen als unsere Differenzen mit Iran, und zwar den Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis. Ich habe deutlich gemacht, dass die Vereinigten Staaten ihr Bekenntnis zur Sicherheit Israels ebenso wenig aufgeben werden, wie ihre Unterstützung für seine Existenz als jüdischer Staat. Ich fand es sehr inspirierend, in diesem Frühjahr in Jerusalem zu sehen, wie sich junge Israelis für ihre Überzeugung einsetzten, dass Frieden notwendig, gerecht und möglich sei. Und ich glaube, dass in Israel immer mehr Menschen erkennen, dass die Besetzung des Gazastreifens die demokratischen Strukturen des jüdischen Staates zerstört. Aber die Kinder Israels haben das Recht, in einer Welt zu leben, in der die Nationen, die sich in diesem Gremium treffen, ihr Land vollständig anerkennen und in der wir diejenigen, die Raketen auf ihre Wohnhäuser abfeuern oder andere zum Hass gegen sie anstacheln, kompromisslos ablehnen.

Genauso bleiben die Vereinigten Staaten ihrer Überzeugung treu, dass die palästinensische Bevölkerung ein Recht darauf hat, in Sicherheit und Würde in ihrem eigenen, souveränen Staat zu leben. Während derselben Reise hatte ich die Gelegenheit, in Ramallah junge Palästinenser zu treffen, deren Ambitionen und unglaubliches Potenzial ebenso groß waren, wie der Schmerz, den es ihnen bereitet, keinen festen Platz in der Staatengemeinschaft zu haben. Sie sind verständlicherweise skeptisch, dass es jemals wirkliche Fortschritte geben wird, und sie sind ernüchtert darüber, dass ihre Familien täglich den unwürdigen Besatzungszustand ertragen müssen. Aber auch sie erkennen, dass zwei Staaten der einzige realistische Weg zum Frieden sind, denn ebenso, wie die Palästinenser nicht vertrieben werden dürfen, wird auch der israelische Staat bestehen bleiben.

Es ist jetzt also an der Zeit, dass sich die gesamte internationale Gemeinschaft für den Frieden einsetzt. Die israelische und die palästinensische Führung haben bereits ihre Bereitschaft gezeigt, große politische Risiken in Kauf zu nehmen. Präsident Abbas hat Bestrebungen, den Friedensprozess abzukürzen, beiseitegeschoben und sich mit an den Verhandlungstisch gesetzt. Premierminister Netanjahu hat palästinensische Gefangene freigelassen und sein Bekenntnis zu einem palästinensischen Staat bekräftigt. Aktuelle Gespräche konzentrieren sich auf letzte Statusfragen im Hinblick auf Grenzen und Sicherheit, Flüchtlinge und Jerusalem.

Wir anderen müssen jetzt also bereit sein, ebenfalls Risiken auf uns zu nehmen. Die Freunde Israels, darunter auch die Vereinigten Staaten, müssen erkennen, dass Israels Sicherheit als jüdischer und demokratischer Staat von der Bildung eines palästinensischen Staates abhängt, und das sollten wir auch deutlich aussprechen. Arabische Staaten und diejenigen, die bisher die Palästinenser unterstützt haben, müssen erkennen, dass Stabilität nur durch eine Zweistaatenlösung und ein sicheres Israel erreicht werden kann.

Wir alle müssen erkennen, dass Frieden ein kraftvolles Werkzeug sein wird, um Extremisten überall in der Region zu bekämpfen und diejenigen zu stärken, die bereit sind, eine bessere Zukunft zu schaffen. Darüber hinaus könnten Handelsverbindungen zwischen Israelis und Arabern in einer Zeit, da zu viele junge Menschen in der Region unter Arbeitslosigkeit leiden, ein Wachstumsmotor sein und Chancen bringen. Lassen wir also die gewohnten Muster von Schuldzuweisungen und Vorurteilen hinter uns. Unterstützen wir die israelische und die palästinensische Führung, die bereit sind, den schwierigen Weg zum Frieden zu gehen.

Echte Fortschritte in diesen zwei Bereichen — beim iranischen Atomprogramm und dem israelisch-palästinensischen Frieden — würden sich massiv und positiv auf den gesamten Nahen Osten und Nordafrika auswirken. Aber die jetzigen Nachbeben des arabischen Frühlings erinnern uns daran, dass ein gerechter und dauerhafter Frieden nicht nur an zwischenstaatlichen Abkommen gemessen werden kann. Er muss auch an unserer Fähigkeit gemessen werden, Konflikte zu lösen und die Gerechtigkeit innerhalb der Länder zu fördern. Und daran gemessen wird deutlich, dass wir alle noch sehr viel mehr tun müssen.

Unser Verhältnis zu Ägypten

Als der friedliche Wandel in Tunesien und Ägypten begann, war die ganze Welt voller Hoffnung. Und obwohl die Vereinigten Staaten — wie andere — von der Geschwindigkeit des Wandels überrascht waren, und obwohl wir die Ereignisse nicht vorgegeben haben und auch nicht vorgeben konnten, entschlossen wir uns, diejenigen zu unterstützen, die Veränderungen forderten. Und das haben wir auf der Grundlage unseres Glaubens getan, dass der Wandel schwierig und langwierig wird und Gesellschaften, die auf Demokratie, Offenheit und der Würde des Einzelnen fußen, auf lange Sicht stabiler, erfolgreicher und friedlicher sind.

In den vergangenen Jahren haben wir, insbesondere in Ägypten, erlebt, wie schwierig dieser Wandel werden wird. Mohammed Mursi wurde demokratisch gewählt, aber er war nicht bereit oder nicht in der Lage, das Land auf eine Art und Weise zu regieren, die wirklich alle einbezog. Die Übergangsregierung, durch die er ersetzt wurde, reagierte auf die Wünsche von Millionen Ägyptern, die der Meinung sind, dass die Revolution sich in die falsche Richtung entwickelt hat, aber sie hat ebenfalls Entscheidungen gefällt, die nicht mit einer alle einschließenden Demokratie vereinbar sind — durch ein Notfallgesetz und Beschränkungen der Presse, der Zivilgesellschaft und der Oppositionsparteien.

Natürlich wurden die Vereinigten Staaten von allen Parteien dieses internen Konflikts angegriffen und ihnen gleichzeitig vorgeworfen, sie würden die Muslim-Bruderschaft unterstützen und deren Entfernung aus dem Amt einfädeln wollen. Tatsächlich haben die Vereinigten Staaten absichtlich vermieden, sich auf eine Seite zu stellen. Unser über allem stehendes Interesse in den vergangenen Jahren war stets, eine Regierung zu fördern, die auf legitime Weise den Willen der ägyptischen Bevölkerung widerspiegelt und erkennt, dass eine echte Demokratie Minderheitenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit achten und eine starke Zivilgesellschaft fördern muss.

Das ist noch heute unser Interesse. Und so werden die Vereinigten Staaten in der Zukunft weiterhin eine konstruktive Beziehung zu der Übergangsregierung aufrechterhalten, die unsere wichtigsten Interessen wahrt, beispielsweise das Abkommen von Camp David und den Kampf gegen den Terrorismus. Wir werden unsere Unterstützung in Bereichen wie der Bildung, von der die Menschen in Ägypten direkt profitieren, fortsetzen, aber wir haben die Lieferung bestimmter Militärsysteme unterbrochen und unsere Unterstützung in der Zukunft wird von den Fortschritten Ägyptens hin zu einer demokratischeren Politik abhängen.

Unsere Herangehensweise im Hinblick auf Ägypten spiegelt einen grundlegenderen Punkt wider: Die Vereinigten Staaten werden gelegentlich mit Regierungen arbeiten, die — jedenfalls nach unseren Kriterien — nicht die höchsten internationalen Anforderungen erfüllen, die aber in den wichtigsten Bereichen mit uns zusammenarbeiten. Dennoch werden wir niemals die Prinzipien aufgeben, die unseren Idealen entsprechen, ob es darum geht, sich gegen Gewalt als Mittel zur Unterdrückung abweichender Meinungen zu stellen oder darum, die Prinzipien der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zu unterstützen.

Wir weisen die Auffassung zurück, dass diese Prinzipien nur ein Export aus dem Westen und nicht mit dem Islam oder der arabischen Welt vereinbar sind. Wir sind überzeugt, dass jeder Mensch von Geburt an ein Anrecht darauf hat. Und obwohl wir anerkennen, dass unser Einfluss manchmal begrenzt sein wird, und vorsichtig sein werden, wenn es darum geht, Demokratie mittels militärischer Gewalt einzuführen, und obwohl man uns manchmal der Heuchelei oder Inkonsequenz bezichtigen wird, werden wir uns langfristig in der Region engagieren. Denn die schwierige Arbeit, Frieden und Demokratie zu schaffen, ist eine Aufgabe für eine ganze Generation.

Und das beinhaltet auch Bestrebungen, religiöse Spannungen zu beheben, die in Ländern wie Irak, Bahrain und Syrien immer wieder zutage treten. Wir wissen, dass solche langjährigen Probleme nicht von Außenstehenden gelöst werden können; sie müssen von den muslimischen Gemeinschaften selbst angegangen werden. Aber wir haben schon früher erlebt, dass zermürbende Konflikte ein Ende fanden — zuletzt in Nordirland, wo Katholiken und Protestanten endlich erkannt haben, dass ein endloser Konfliktkreislauf in diesen sich schnell ändernden Zeiten für beide Gemeinschaften bedeutet, ins Hintertreffen zu geraten. Darum glauben wir, dass dieselben religiös motivierten Konflikte auch im Nahen Osten und Nordafrika überwunden werden können.

"Die Vereinigten Staaten sind etwas ganz Besonderes"

Zusammenfassend gesagt haben sich die Vereinigten Staaten ihre Demut im Umgang mit der Vorhersage von Ereignissen in anderen Ländern schwer erarbeitet. Das Bild eines amerikanischen Reichs mag für Propagandazwecke nützlich sein, aber er entstammt nicht der aktuellen amerikanischen Politik oder der öffentlichen Meinung. Jüngste Debatten in den Vereinigten Staaten über Syrien haben vielmehr deutlich gezeigt, dass die Gefahr für die Welt nicht darin besteht, dass Amerika sich zu sehr in die Angelegenheiten anderer Länder einmischt oder jedes Problem in der Region wie sein eigenes behandelt. Die große Gefahr für die Welt besteht vielmehr darin, dass sich die Vereinigten Staaten nach einem Jahrzehnt des Krieges — aus gutem Grund besorgt angesichts der Probleme im eigenen Land und in dem Bewusstsein, dass ihr Engagement in der Region Feindschaft erzeugt hat — zurückziehen und so ein Vakuum auf der Führungsebene hinterlassen könnten, das keine andere Nation füllen möchte.

Ich glaube, ein solcher Rückzug wäre falsch. Ich glaube, dass die Vereinigten Staaten sich zu ihrer eigenen Sicherheit weiter engagieren müssen. Ich glaube aber auch, dass die Welt dadurch besser ist. Es mögen mir nicht alle zustimmen, aber ich bin der Meinung, die Vereinigten Staaten sind etwas ganz Besonderes — teils, weil wir durch das Opfern von Blut und Ressourcen die Bereitschaft gezeigt haben, nicht nur für unsere eigenen Interessen, sondern für die Interessen aller einzustehen.

Aber ich muss ehrlich sein. Wir werden unsere Energie viel eher in die Länder stecken, die mit uns zusammenarbeiten möchten, die in ihre Bevölkerung investieren — und nicht in einige korrupte Personen —, die eine Vision von einer Gesellschaft haben, zu der alle etwas beitragen können — Frauen und Männer, Schiiten und Sunniten, Muslime, Christen und Juden. Denn von Europa bis Asien, von Afrika bis Amerika haben sich Länder, die auf demokratischen Pfaden vorangeschritten sind, wohlhabender und friedlicher entwickelt und mehr in die Aufrechterhaltung unserer gemeinsamen Sicherheit und Menschlichkeit investiert. Und ich glaube, dass dasselbe für die arabische Welt gelten wird.

Es gibt Momente, in denen der multilaterale Einsatz militärischer Gewalt notwendig sein kann

Das bringt mich zu einem letzten Punkt. Es wird Zeiten geben, da das Zusammenbrechen von Gesellschaften so massiv und die Gewalt gegen Zivilisten so erheblich ist, dass die internationale Gemeinschaft handeln muss. Das wird ein neues Denken und einige sehr schwierige Entscheidungen erfordern. Die Vereinten Nationen wurden geschaffen, um Kriege zwischen Staaten zu verhindern, aber wir stehen immer öfter vor der Herausforderung, Auseinandersetzungen innerhalb einzelner Länder verhindern zu müssen. Und diese Herausforderungen werden deutlicher werden, wenn wir mit fragilen oder scheiternden Staaten konfrontiert sind — Orten, an denen unschuldige Frauen, Kinder und Männer von schrecklicher Gewalt bedroht sind und keine Hoffnung haben, durch die Institutionen ihres Landes geschützt zu werden.

Ich habe deutlich gemacht, dass wir bereit sind, unseren Teil zu tun, um Gräueltaten zu verhindern und grundlegende Menschenrechte zu schützen, auch, wenn die Kerninteressen der Vereinigten Staaten nicht direkt bedroht sind. Wir können und sollten diese Last aber nicht alleine tragen. In Mali haben wir die französische Intervention, die erfolgreich Al Kaida zurückgedrängt hat, und die afrikanischen Friedenstruppen unterstützt. Im östlichen Afrika arbeiten wir mit Partnern daran, die Lord's Resistance Army zu zerschlagen. Und in Libyen beteiligten sich die Vereinigten Staaten an einem Bündnis, die handelte, als der Sicherheitsrat das Mandat zum Schutz von Zivilisten ausgab. Aufgrund unseres Handelns dort wurden unzählige Menschenleben gerettet und ein Tyrann konnte sich nicht zurück an die Macht morden.

Ich weiß, dass einige die Lage in Libyen als Denkzettel betrachten. Sie weisen auf die Probleme hin, die das Land jetzt hat — eine demokratisch gewählte Regierung, der es schwer fällt, für Sicherheit zu sorgen; bewaffnete Gruppen, teilweise Extremisten, die Teile eines zersplitterten Landes regieren. Diese Kritiker argumentieren, dass jede Intervention zum Schutz von Zivilisten zum Scheitern verurteilt ist — siehe Libyen. Niemand ist sich dieser Problematik besser bewusst als ich, denn sie hatte den Tod von vier herausragenden Amerikanern zur Folge, die sich für das libysche Volk einsetzten, darunter auch Botschafter Chris Stevens, ein Mann, dessen mutige Taten halfen, die Stadt Bengasi zu retten. Aber glaubt irgendjemand wirklich, dass die Situation in Libyen besser wäre, wenn Gaddafi die Bevölkerung seines Landes ungehindert hätte brutal behandeln, einsperren und töten dürfen? Es ist sehr viel wahrscheinlicher, dass sich Libyen ohne internationale Maßnahmen nun in einem Bürgerkrieg befände und viel Blut vergossen würde.

Wir leben in einer Welt der unvollkommenen Entscheidungen. Verschiedene Nationen werden sich nicht in jeder Situation auf die Notwendigkeit eines Eingreifens einigen können, und das Souveränitätsprinzip steht im Herzen unserer internationalen Ordnung. Aber Souveränität kann kein Vorwand für Tyrannen sein, um mutwillig zu morden, oder eine Entschuldigung dafür, dass die internationale Gemeinschaft ein Auge zudrückt. Wir dürfen nicht glauben, alles Böse beseitigen zu können, und wir müssen uns bewusst machen, dass die Welt voll unbeabsichtigter Konsequenzen ist; aber sollten wir wirklich die Auffassung haben, dass die Welt angesichts von Ereignissen wie in Ruanda oder Srebrenica machtlos ist? Wenn das die Welt ist, in der die Menschen leben möchten, sollten sie es aussprechen und mit der kalten Logik von Massengräbern rechnen.

Aber ich glaube, dass eine andere Zukunft möglich ist. Und wenn wir nicht zwischen Untätigkeit und Krieg wählen möchten, müssen wir — wir alle — bei der Gestaltung politischer Maßnahmen besser werden, die verhindern, dass die Grundordnung zusammenbricht. Durch die Achtung der Verantwortung von Nationen und der Rechte des Einzelnen. Durch wirksame Sanktionen gegen diejenigen, die Regeln brechen. Durch hartnäckige Diplomatie, die die Wurzeln der Konflikte löst und nicht nur deren Folgen. Durch Entwicklungshilfe, die Menschen am Rande der Gesellschaft Hoffnung gibt. Und ja, manchmal wird es Momente geben, in denen die internationale Gemeinschaft anerkennen muss, dass der multilaterale Einsatz militärischer Gewalt notwendig sein kann, um das Schlimmste abzuwenden.

Letztlich ist dies die internationale Gemeinschaft, die die Vereinigten Staaten anstreben — eine Gemeinschaft, in der Nationen nicht den Boden oder die Ressourcen anderer Länder begehren, sondern in der wir das Ziel der Gründung dieser Institution verfolgen können und alle gemeinsam Verantwortung tragen. Eine Welt, in der uns Regeln, die aus dem Schrecken von Kriegen erschaffen wurden, helfen können, Konflikte friedlich zu lösen und solche Kriege, wie sie unsere Vorväter kämpften, zu verhindern. Eine Welt, in der die Menschen in Würde und der Erfüllung ihrer Grundbedürfnisse leben können, ob in New York oder Nairobi, in Peschawar oder Damaskus.

Dies sind außergewöhnliche Zeiten, die außergewöhnliche Chancen bereithalten. Dank des menschlichen Fortschritts können Kinder aus aller Welt heute Dinge tun, die vor 60 Jahren für den Großteil der Menschheit undenkbar gewesen wären. Ich habe das in Afrika erlebt, wo Nationen, die Konflikte überwunden haben, nun bereit sind, durchzustarten. Und die Vereinigten Staaten stehen ihnen als Partner zur Seite, um die Hungrigen zu ernähren und die Kranken zu versorgen und Elektrizität dorthin zu bringen, wo es keine Stromnetze gibt.

Ich sehe das in der ganzen Pazifikregion, wo Hunderte Millionen Menschen in nur einer einzigen Generation von der Armut befreit wurden. Ich sehe es in den Gesichtern junger Menschen überall auf der Welt, die die gesamte Welt mit einem Mausklick erreichen können und die begierig darauf sind, sich dem Kampf gegen die extreme Armut anzuschließen und den Klimawandel zu bekämpfen, Unternehmen zu gründen, die Freiheit zu verbreiten und die ideologischen Kämpfe der Vergangenheit hinter sich zu lassen. Das geschieht derzeit in Asien und Afrika. Es geschieht in Europa und überall in Amerika. Das ist die Zukunft, die auch die Menschen im Nahen Osten und Nordafrika verdienen — eine Zukunft, in der sie sich auf Chancen konzentrieren können statt auf die Frage, ob sie wegen ihrer Persönlichkeit oder wegen ihres Glaubens unterdrückt oder getötet werden.

Immer wieder haben Nationen und Menschen gezeigt, dass sie in der Lage sind, sich zu ändern — um den höchsten Idealen der Menschheit gerecht zu werden, um die Geschichte besser zu machen. Vergangenen Monat stand ich dort, wo vor 50 Jahren Martin Luther King jr. den Amerikanern von seinem Traum erzählte, zu einer Zeit, in der viele Menschen meiner ethnischen Herkunft nicht einmal an den Präsidentschaftswahlen teilnehmen durften. Dieses Jahr besuchte ich die kleine Zelle, in der Nelson Mandela jahrzehntelang ausgeharrt hatte, abgeschnitten von seinem Volk und der ganzen Welt. Wie können wir nur glauben, dass die heutigen Herausforderungen nicht überwunden werden können, obwohl wir gesehen haben, welche Veränderungen der menschliche Geist erreichen kann? Wer in diesem Saal kann behaupten, dass die Zukunft denen gehört, die diesen Geist unterdrücken wollen und nicht denen, die ihn befreien wollen?

Ich weiß, auf welcher Seite der Geschichte ich die Vereinigten Staaten von Amerika sehen will. Wir sind bereit, die Herausforderungen von morgen mit Ihnen anzugehen — und glauben fest daran, dass alle Frauen und Männer gleich geschaffen wurden, jeder einzelne Mensch eine Würde und unantastbare Rechte hat, die ihm nicht genommen werden können. Deshalb sehen wir nicht mit Sorge, sondern mit Hoffnung in die Zukunft. Und deshalb sind wir weiterhin überzeugt, dass diese Staatengemeinschaft der nächsten Generation eine friedlichere, wohlhabendere und gerechtere Welt hinterlassen kann.

Vielen herzlichen Dank.

Originaltext: Remarks by President Obama in Address to the United Nations General Assembly

Herausgeber: US-Botschaft Berlin, Abteilung für öffentliche Angelegenheiten; http://blogs.usembassy.gov/amerikadienst/



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