Frauen in Friedenssicherungseinsätzen
Genderperspektive: Die wegweisende Resolution 1325 (2000) des UN-Sicherheitsrats im Wortlaut
Auf seiner 4208. Sitzung am 24. und 25. Oktober 2000 hatte der Sicherheitsrat beschlossen, die Vertreter Ägyptens, Äthiopiens, Australiens, Belarus, Botsuanas, der Demokratischen Republik Kongo, Guatemalas, Indiens, Indonesiens, Japans, Kroatiens, Liechtensteins, Malawis,
Mosambiks, Nepals, Neuseelands, Norwegens, Pakistans, der Republik Korea, Ruandas, Simbabwes,
Singapurs, Südafrikas, der Vereinigten Arabischen Emirate, der Vereinigten Repu-
blik Tansania und Zyperns einzuladen, ohne Stimmrecht an der Erörterung des Punktes
"Frauen und Frieden und Sicherheit" teilzunehmen. Außerdem wurden Angela King, die Beigeordnete Generalsekretärin und Sonderberaterin für Gleichstellungsfragen und Frauenförderung, und Noeleen Heyzer, die Exekutivdirektorin des Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen für die Frau, zur Teilnahme eingeladen.
Auf seiner 4213. Sitzung am 31. Oktober 2000 behandelte der Rat den Punkt "Frauen
und Frieden und Sicherheit". Ergebnis war die einstimmig angenommene Resolution 1325 (2000), die wir im Folgenden im Wortlaut dokumentieren. Es ist eine Schlüsselresolution, in der auf eine stärkere Einbeziehung von Frauen in Prozesse der Friedenskonsolidierung gedrungen wird.
Resolution 1325 (2000)
vom 31. Oktober 2000
Der Sicherheitsrat,
unter Hinweis auf seine Resolutionen 1261 (1999) vom 25. August 1999, 1265 (1999)
vom 17. September 1999, 1296 (2000) vom 19. April 2000 und 1314 (2000) vom 11. August
2000 sowie auf die einschlägigen Erklärungen seines Präsidenten, sowie unter Hinweis auf
die Presseerklärung seines Präsidenten vom 8. März 2000 anlässlich des Tages der Vereinten
Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden (Internationaler Tag der Frau) [1],
sowie unter Hinweis auf die Verpflichtungen aus der Erklärung [2] und der Aktionsplattform von Beijing [3] sowie aus dem Ergebnisdokument der dreiundzwanzigsten Sondertagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen "Frauen 2000: Gleichstellung, Entwicklung und Frieden für das 21. Jahrhundert" [4], insbesondere betreffend Frauen und bewaffnete Konflikte,
eingedenk der Ziele und Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und der Hauptverantwortung des Sicherheitsrats nach der Charta für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit,
mit dem Ausdruck seiner Besorgnis darüber, dass Zivilpersonen, insbesondere Frauen
und Kinder, die weitaus größte Mehrheit der von bewaffneten Konflikten betroffenen
Personen stellen, namentlich auch als Flüchtlinge und Binnenvertriebene, und dass sie in
zunehmendem Maße von Kombattanten und bewaffneten Elementen gezielt angegriffen
werden, sowie in der Erkenntnis, dass dies Folgen für einen dauerhaften Frieden und eine
dauerhafte Aussöhnung nach sich zieht,
erneut erklärend, welche wichtige Rolle Frauen bei der Verhütung und Beilegung von
Konflikten und bei der Friedenskonsolidierung zukommt, und betonend, wie wichtig es ist,
dass sie an allen Anstrengungen zur Wahrung und Förderung von Frieden und Sicherheit
gleichberechtigt und in vollem Umfang teilhaben und dass ihre Mitwirkung an den
Entscheidungen im Hinblick auf die Verhütung und Beilegung von Konflikten ausgebaut
werden muss,
sowie erneut erklärend, dass die Bestimmungen des humanitären Völkerrechts und der
Menschenrechtsinstrumente, die die Rechte von Frauen und Mädchen während und nach
Konflikten schützen, vollinhaltlich verwirklicht werden müssen,
betonend, dass alle Parteien sicherstellen müssen, dass Minenräumprogramme und
Aufklärungsprogramme über die Minengefahr den besonderen Bedürfnissen von Frauen und
Mädchen Rechnung tragen,
in Anerkennung der dringenden Notwendigkeit, in alle Bereiche von Friedenssicherungseinsätzen
eine Geschlechterperspektive zu integrieren, und in diesem Zusammenhang
Kenntnis nehmend von der Windhuk-Erklärung und dem Aktionsplan von Namibia zur
Integration einer Geschlechterperspektive in mehrdimensionale Friedensunterstützungsmissionen [5],
sowie in Anerkennung der Bedeutung der in der Presseerklärung seines Präsidenten vom
8. März 2000 abgegebenen Empfehlung, das gesamte Friedenssicherungspersonal im Hinblick
auf den Schutz, die besonderen Bedürfnisse und die Menschenrechte von Frauen und
Kindern in Konfliktsituationen speziell auszubilden,
ferner anerkennend, dass ein Verständnis der Auswirkungen bewaffneter Konflikte auf
Frauen und Mädchen, wirksame institutionelle Vorkehrungen zur Gewährleistung ihres
Schutzes und ihre volle Mitwirkung am Friedensprozess in erheblichem Maße zur Wahrung
und Förderung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit beitragen können,
in Anbetracht der Notwendigkeit, das Datenmaterial zu den Auswirkungen bewaffneter
Konflikte auf Frauen und Mädchen zu konsolidieren,
1. fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, dafür zu sorgen, dass Frauen in den
nationalen, regionalen und internationalen Institutionen und Mechanismen zur Verhütung,
Bewältigung und Beilegung von Konflikten auf allen Entscheidungsebenen stärker vertreten
sind;
2. legt dem Generalsekretär
nahe, seinen strategischen Aktionsplan für die Verbesserung
der Situation der Frauen im Sekretariat (1995-2000) umzusetzen, in dem eine stärkere
Mitwirkung von Frauen in Entscheidungsfunktionen bei Konfliktbeilegungs- und Friedensprozessen gefordert wird [6];
3. fordert den Generalsekretär
nachdrücklich auf, mehr Frauen zu Sonderbeauftragten
und Sonderbotschafterinnen zu ernennen, die in seinem Namen Gute Dienste leisten,
und fordert die Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang auf, dem Generalsekretär
Kandidatinnen zur Aufnahme in eine regelmäßig aktualisierte zentrale Liste vorzuschlagen;
4. fordert den Generalsekretär
außerdem nachdrücklich auf, die Ausweitung der
Rolle und des Beitrags von Frauen bei den Feldmissionen der Vereinten Nationen anzustreben,
insbesondere bei den Militärbeobachtern, der Zivilpolizei, bei Menschenrechts- und
humanitärem Personal;
5. bekundet seine Bereitschaft, in die Friedenssicherungseinsätze eine Geschlechterperspektive zu integrieren, und fordert den Generalsekretär nachdrücklich auf, sicherzustellen, dass bei Bedarf auch für Geschlechterfragen zuständige Elemente in Feldmissionen aufgenommen werden;
6. ersucht den Generalsekretär, den Mitgliedstaaten Leitlinien für die Aus- und
Fortbildung sowie Material über den Schutz, die Rechte und die besonderen Bedürfnisse von
Frauen sowie über die Wichtigkeit der Beteiligung von Frauen an allen Friedenssicherungs-
und Friedenskonsolidierungsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen, bittet die Mitgliedstaaten,
diese Elemente sowie Aufklärungsmaßnahmen über HIV/Aids in ihre einzelstaatlichen
Ausbildungsprogramme zur Vorbereitung von Militärpersonal und Zivilpolizisten auf ihren
Einsatz aufzunehmen, und ersucht den Generalsekretär ferner, sicherzustellen, dass das
Zivilpersonal bei Friedenssicherungseinsätzen eine ähnliche Ausbildung erhält;
7. fordert die Mitgliedstaaten
nachdrücklich auf, ihre freiwillige finanzielle, technische
und logistische Unterstützung von Trainingsmaßnahmen zur Sensibilisierung in Geschlechterfragen zu verstärken, namentlich Maßnahmen der einschlägigen Fonds und Programme,
unter anderem des Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen für die Frau, des
Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen, des Amtes des Hohen Flüchtlingskommissars der
Vereinten Nationen und anderer zuständiger Organe;
8. fordert alle beteiligten Akteure
auf, bei der Aushandlung und Umsetzung von
Friedensübereinkünften eine Geschlechterperspektive zu berücksichtigen, die unter anderem
auf Folgendes abstellt:
a) die besonderen Bedürfnisse von Frauen und Mädchen während der Rückführung
und Neuansiedlung sowie bei der Normalisierung, der Wiedereingliederung und dem Wiederaufbau
nach Konflikten;
b) Maßnahmen zur Unterstützung lokaler Friedensinitiativen von Frauen und
autochthoner Konfliktbeilegungsprozesse sowie zur Beteiligung von Frauen an allen Mechanismen
zur Umsetzung der Friedensübereinkünfte;
c) Maßnahmen zur Gewährleistung des Schutzes und der Achtung der Menschenrechte
von Frauen und Mädchen, insbesondere im Zusammenhang mit der Verfassung, dem
Wahlsystem, der Polizei und der rechtsprechenden Gewalt;
9. fordert alle Parteien bewaffneter Konflikte
auf, das auf die Rechte und den Schutz
von Frauen und Mädchen, insbesondere als Zivilpersonen, anwendbare Völkerrecht vollinhaltlich
zu achten, insbesondere die auf sie anwendbaren Verpflichtungen aus den Genfer
Abkommen von 1949 [7] und den dazugehörigen Zusatzprotokollen von 1977 [8], dem
Abkommen vom 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge [9] und dem dazugehörigen
Protokoll von 1967 [10], dem Übereinkommen von 1979 zur Beseitigung jeder Form von
Diskriminierung der Frau [11] und dem dazugehörigen Fakultativprotokoll vom 6. Oktober
1999 [12] sowie dem Übereinkommen von 1989 über die Rechte des Kindes [13] und den beiden
dazugehörigen Fakultativprotokollen vom 25. Mai 2000 [14], und die einschlägigen Bestimmungen
des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs [15] zu berücksichtigen;
10. fordert alle Parteien bewaffneter Konflikte
außerdem auf, spezielle Maßnahmen
zum Schutz von Frauen und Mädchen vor geschlechtsspezifischer Gewalt zu ergreifen,
insbesondere vor Vergewaltigung und anderen Formen des sexuellen Missbrauchs und allen
anderen Formen der Gewalt in Situationen bewaffneter Konflikte;
11. hebt hervor, dass alle Staaten dafür verantwortlich sind, der Straflosigkeit ein
Ende zu setzen und die Verantwortlichen für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit
und Kriegsverbrechen, namentlich auch im Zusammenhang mit sexueller und sonstiger
Gewalt gegen Frauen und Mädchen, strafrechtlich zu verfolgen, und betont in diesem
Zusammenhang, dass diese Verbrechen soweit möglich von Amnestieregelungen ausgenommen
werden müssen;
12. fordert alle Parteien bewaffneter Konflikte
auf, den zivilen und humanitären
Charakter von Flüchtlingslagern und -siedlungen zu achten und namentlich auch bei ihrer
Errichtung die besonderen Bedürfnisse von Frauen und Mädchen zu berücksichtigen, und
verweist auf seine Resolutionen 1208 (1998) vom 19. November 1998 und 1296 (2000) vom
19. April 2000;
13. legt allen an der Abrüstungs-, Demobilisierungs- und Wiedereingliederungsplanung
Beteiligten
nahe, die unterschiedlichen Bedürfnisse weiblicher und männlicher Exkombattanten
sowie die Bedürfnisse der von ihnen abhängigen Personen zu berücksichtigen;
14. bekräftigt seine Bereitschaft, bei allen Maßnahmen, die nach Artikel 41 der
Charta der Vereinten Nationen ergriffen werden, zu erwägen, welche Auswirkungen sie auf
die Zivilbevölkerung haben können, und dabei die besonderen Bedürfnisse von Frauen und
Mädchen zu berücksichtigen, damit angemessene humanitäre Ausnahmeregelungen geprüft
werden können;
15. bekundet seine Bereitschaft, dafür zu sorgen, dass bei Missionen des Sicherheitsrats
die Geschlechterperspektive sowie die Rechte von Frauen berücksichtigt werden,
namentlich auch durch Konsultationen mit Frauengruppen auf lokaler wie internationaler
Ebene;
16. bittet den Generalsekretär, die Durchführung einer Studie über die Auswirkungen
bewaffneter Konflikte auf Frauen und Mädchen, die Rolle der Frauen bei der Friedenskonsolidierung
und die Geschlechterdimensionen von Friedensprozessen und der Konfliktbeilegung
zu veranlassen, und bittet ihn ferner, dem Sicherheitsrat einen Bericht über die
Ergebnisse dieser Studie vorzulegen und diesen auch allen Mitgliedstaaten der Vereinten
Nationen zugänglich zu machen;
17. ersucht den Generalsekretär, in seine Berichterstattung an den Sicherheitsrat
gegebenenfalls auch Informationen über Fortschritte bei der Integration einer Geschlechterperspektive
in alle Friedenssicherungsmissionen sowie über alle anderen Frauen und
Mädchen betreffenden Gesichtspunkte aufzunehmen;
18. beschließt, mit der Angelegenheit aktiv befasst zu bleiben.
Auf der 4213. Sitzung einstimmig verabschiedet.
Fußnoten-
SC/6816.
- Abgedruckt in: Bericht der Vierten Weltfrauenkonferenz, Beijing, 4. - 15. September 1995 (auszugsweise
Übersetzung des Dokuments A/CONF.177/20 vom 17. Oktober 1995), Kap. I, Resolution 1, Anlage I.
- Ebd., Anlage II.
- Siehe Resolution S-23/3 der Generalversammlung, Anlage.
- S/2000/693, Anlagen I und II.
- Siehe A/49/587 und Corr.1.
- Vereinte Nationen, Treaty Series, Vol. 75, Nr. 970-973.
- Ebd., Vol. 1125, Nr. 17512 und 17513.
- Ebd., Vol. 189, Nr. 2545.
- Ebd., Vol. 606, Nr. 8791.
- Resolution 34/180 der Generalversammlung, Anlage.
- Resolution 54/4 der Generalversammlung, Anlage.
- Resolution 44/25 der Generalversammlung, Anlage.
- Resolution 54/263 der Generalversammlung, Anlagen I und II.
- A/CONF.183/9.
Quelle: Resolutionen und Beschlüsse des Sicherheitsrats im Jahr 2000, S. 192-195;
www.uno.de
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