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Verstimmung nach UNESCO-Wahl

Arabische Länder fühlen sich ausgegrenzt

Von Ralf Klingsieck, Paris *

Die Nominierung der Bulgarin Irina Bokowa für die UNESCO-Präsidentschaft könnte die europäisch-arabischen Beziehungen belasten. Zumal insbesondere Frankreich dem ägyptischen Bewerber Hoffnung gemacht hatte.

Die Wahl des neuen UNESCO-Generaldirektors Anfang der Woche verlief dramatischer als je zuvor in der Geschichte der UN-Spezialorganisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Die Entscheidung fiel im Exekutivrat mit seinen 58 Mitgliedern, während die Zustimmung der UNESCO-Generalkonferenz aller 194 Mitgliedsländer im Oktober nur noch eine Formalität ist. Im Verlauf eines mehrtägigen Abstimmungsmarathons hatten sich nach und nach sieben der insgesamt neun Bewerber zurückgezogen. Am Montag wurden bei der vierten Abstimmung für die beiden letzten Kandidaten noch jeweils 29 Stimmen abgegeben, am Dienstag setzte sich dann die bulgarische Diplomatin Irina Bokowa mit 31 Stimmen durch. Der ägyptische Kulturminister Faruk Hosni hatte – für viele überraschend – das Nachsehen.

Dabei galt Hosni noch vor Wochen als haushoher Favorit. Der ägyptische Präsident Hosni Mubarak hatte es sich seit Jahren zum Ziel gesetzt, seinen Minister Faruk Hosni, der seit 22 Jahren sein treuester Gefolgsmann ist, auf den Posten des UNESCO-Generaldirektors zu hieven. Den musste der Japaner Koichiro Matsuura 2009 nach 10-jähriger Amtszeit räumen. Mit der Berufung Hosnis wollte sich Ägypten auf dem internationalen Parkett zum Sprecher für die Länder des Südens, die arabische Welt und die islamische Zivilisation aufschwingen.

Im Interesse der Zukunft der Mittelmeerunion hatte schon 2007 Staatschef Nicolas Sarkozy – neben Mubarak ihr zweiter Kopräsident – die Unterstützung Frankreichs zugesichert, ebenso Spanien, wo sich das Sekretariat der Mittelmeerunion befindet. Die Unterstützung der Mitgliedsländer der Organisation für Afrikanische Einheit, der Arabischen Liga und der Organisation der Islamischen Konferenz war dem Kandidaten aus Ägypten sowieso sicher. Doch der hat seine haushohen Chancen selbst demontiert. So verwiesen Kritiker auf seine unrühmliche Rolle in der Führungsriege des undemokratischen Regimes und bei der Knebelung der künstlerischen- und der Meinungsfreiheit in Ägypten. Gleichzeitig hat er den Historiker Roger Garaudy, der den Völkermord an den Juden und die Existenz der Gaskammern leugnet, offiziell zu einer Konferenz nach Kairo eingeladen. Ausländische Medien zitierten Äußerungen des Ministers, mit denen er sich als Rassist und Antisemit geoutet hatte. Beispielsweise wollte er »eigenhändig alle hebräischen Bücher der Bibliothek von Alexandria verbrennen« und sah eine »Unterwanderung der internationalen Medien durch die Juden«. In immer mehr Ländern setzte sich die Überzeugung durch, dass dieser Mann wohl doch nicht der geeignetste wäre, um die humanistischen und völkerverbindenden Ideale der UNESCO zu repräsentieren.

Eine eher peinliche Veranstaltung vor Medienvertretern, die Sarkozys Berater Henri Guaino noch Anfang September in Paris inszeniert hatte und auf der Faruk Hosni seine früheren Äußerungen bedauerte und zu relativieren versuchte, konnten die Zweifel an seiner Person nicht ausräumen. Ein echter Schachzug gelang dagegen Präsident Mubarak, der Israel auf seinen Kandidaten einschwor, indem er ein hartes Durchgreifen gegen Waffenschmuggler an der Grenze zwischen Sinai und Gaza versprach. Dass sich nach der dritten Abstimmungsrunde die österreichische Kandidatin Benita Ferrero-Waldner zurückzog und ihre Anhänger bat, für die Bulgarin Bokowa zu stimmen, war wohl der Anfang vom Ende, zumal auch die USA für die Bulgarin Stellung bezogen.

Um diesen neuen Trend nicht zu verpassen, warf Frankreich, das Gastgeberland der UNESCO, in der Endrunde seine Realpolitik über Bord und lief zu den Bokowa-Anhängern über. Offiziell wurde das natürlich nicht bestätigt, um nicht Ägyptens Staatschef Mubarak zu brüskieren. Doch um die Mittelmeerunion wird sich Nicolas Sarkozy jetzt ernsthafte Sorgen machen müssen. Die Stimmung in Ägypten und in anderen Ländern der Region hat sich gegen den Westen, speziell Europa und vor allem Frankreich, gedreht. Die Niederlage des Ägypters, der der erste arabische und islamische Generalsekretär in der fast 60-jährigen Geschichte der UNESCO hätte werden können, wird dort von vielen als Demütigung und als Bestätigung empfunden. Von einem »Schock der Zivilisationen« und von einer »infamen Medienkampagne« ist die Rede. Was man ihrem Kandidaten vorgeworfen hat, können die meisten Landsleute Hosnis nicht nachvollziehen. Triumphiert hat in Ägypten nur die radikal-islamistische Moslembruderschaft. Ihr war der Kulturminister Faruk Hosni schon immer ein Dorn im Auge – weil er ihrer Meinung nach zu westlich-liberal ist.

* Aus: Neues Deutschland, 26. September 2009


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