Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Schutz der Arktis aufgeschoben

Arktischer Rat musste sich Öl- und Gasinteressen einiger Mitglieder beugen

Von Andreas Knudsen *

Der Wettlauf um die Reichtümer der Arktis hat längst begonnen, doch weite Gebiete unterliegen keinem staatlichen Schutz. Dieser Aufgabe hat sich der Arktische Rat verschrieben, doch sein Einfluss hängt vom guten Willen seiner Mitglieder, der Anrainerstaaten der Arktis, ab. Dies zeigte sich kürzlich wieder auf einer Konferenz im norwegischen Tromsø, wo Ergebnisse einer wissenschaftlichen Studie diskutiert – und erst einmal wieder in die Schublade gelegt wurden.

2009 werden sich die zuständigen Minister der Mitgliedsländer des Arktischen Rats turnusmäßig treffen. Erst dort soll nach dem Willen Schwedens und der USA der wissenschaftliche Bericht angenommen und freigegeben werden. Einige der an der Ausarbeitung beteiligten Wissenschaftler befürchten, dass bis dahin die Schlussfolgerungen soweit politisch entschärft werden, dass sie ihre Arbeit nicht mehr wiedererkennen.

Die bereits öffentlich zugänglichen inoffiziellen Teile des Berichts zeichnen ein Bild, wonach die Ausbeutung der arktischen Öl- und Gasvorkommen nur mit äußerster Vorsicht ohne Schaden für die empfindlichen arktischen Biotope möglich ist. Und das ist wohl auch der zentrale Streitpunkt. Bereits jetzt stammen 10 Prozent der Öl- und 25 Prozent der Gasproduktion aus arktischen Gebieten. Für die nächsten Jahrzehnte wird ein drastisches Wachstum erwartet.

Die Anrainerstaaten unternehmen gegenwärtig große Anstrengungen, um zu beweisen, wie weit ihr Festlandsockel in die Arktis hineinreicht und welcher potenzielle Anteil der arktischen Reichtümer ihnen zusteht. Die russische Tauchfahrt zum Nordpol im letzten Sommer war nur das spektakulärste Bild des Wettlaufs. Russland bereitet die Erschließung von Vorkommen in der Tschuktschensee, in der Karasee, im Petschora-Komi-Gebiet sowie in der Barentssee vor. Allein das Shtokman-Feld in der Barentssee soll reicher sein als alle Nordseefelder. Norwegen hat das Snøhvit-Feld in der Norwegischen See erschlossen, Grönland und die Färöer vergeben laufend Untersuchungslizenzen für ihre Gewässer, während Kanada Vorkommen im Mackenzie-Delta erkundet.

Die Bush-Regierung kämpft seit Jahren darum, Vorkommen in Naturschutzgebieten Nordalaskas (Foto der Alaska-Pipeline: dpa) zu erschließen, um die Abhängigkeit von Lieferungen aus dem Nahen Osten und Venezuela zu vermindern. Diese Bestrebungen waren nach Ansicht der skandinavischen Medien wohl das Haupthindernis einer Veröffentlichung der ganzen Studie.

Als größte Gefahren für die arktische Umwelt nennt der Bericht den Austritt von Öl und Gas, die sich mit lokalen Mitteln kaum beherrschen lassen. Für die Entfernung von ausgetretenem Öl auf eisbedeckten Flächen gibt es heute noch keine technische Lösung. Durch die langsameren Wachstumsprozesse in der Arktis dauert die Regenerierung der Natur ohnehin länger.

Die Studie empfiehlt daher umfangreiche Schutz- und Kontrollmaßnahmen bei der Erforschung und wirtschaftlichen Nutzung der Arktis. Doch bevor diese Empfehlungen umgesetzt werden, vergeht mindestens ein Jahr, ein Jahr, in dem die unkontrollierte Erschließung der Arktis voranschreitet.

* Aus: Neues Deutschland, 3. März 2008


Zurück zur Umwelt-Seite

Zur Seite "Öl und andere Ressourcen"

Zurück zur Homepage