Soziale Veränderungen statt Klima
Aktivistin Safania Eriksen zum Stand der Vorbereitungen des Kopenhagener "KlimaForums"
Anlässlich der Kopenhagener Weltklimakonferenz im Dezember wird es einen
Gegengipfel von Graswurzelbewegungen geben. Das »KlimaForum 09 der
Zivilgesellschaft« findet vom 7. bis zum 20. Dezember statt. Geplant ist
neben einer Vielzahl von Veranstaltungen auch eine Großdemonstration.
Safania Eriksen, Sprecherin des Forums, ist trotz einiger
Schwierigkeiten bei der Vorbereitung optimistisch. Mit der Aktivistin
der dänischen Umweltorganisation NOAH sprach in Kopenhagen für das "Neue Deutschland" ND-Mitarbeiter Andreas Knudsen.
ND: Wen repräsentiert das »KlimaForum 09« und wie viele Teilnehmer
erwarten Sie im Dezember in Kopenhagen?
Eriksen: Das »KlimaForum 09« repräsentiert 24 dänische und 51
internationale Basisorganisationen, die ihrerseits nationale und
internationale Kontakte haben. Globale Umweltverbände wie Greenpeace und
WWF gehören jedoch nicht dazu. Wir repräsentieren die Menschen, die die
Klimaveränderungen am eigenen Leib spüren, und wollen ihre Probleme,
aber auch ihre Lösungsvorschläge vermitteln. Wir erwarten etwa 10 000
bis 15 000 Teilnehmer an unseren Veranstaltungen und Workshops.
Gastgeber zu sein für so viele Menschen ist eine große logistische
Herausforderung. Wie ist der Vorbereitungsstand?
Unsere Arbeit wird durch Gelder, die das dänische Außenministerium zur
Verfügung gestellt hat, finanziert. Insgesamt bekamen wir 20 Millionen
Kronen (rund 2,6 Millionen Euro, d. Red.) bewilligt. Damit können wir
für einige Monate vier Mitarbeiter einstellen, die die organisatorische
Arbeit leiten. Alles andere muss mit Freiwilligen abgewickelt werden.
Zum Vergleich muss gesagt werden, dass die Nichtregierungsorganisationen
beim Kopenhagener UN-Sozialgipfel 1995 über vier Millionen Euro verfügen
und 30 Mitarbeiter einstellen konnten. Allein das Konzert »Rock für das
Klima«, das die Stadt Kopenhagen finanziert, kostet über eine Million
Euro. Aber so sind die Bedingungen nun einmal. Ich glaube, dass unsere
Veranstaltungen und Ausstellungen mehr bewirken können als ein solches
Konzert. Die meisten unserer Teilnehmer werden wir in Privatquartieren
unterbringen, aber im Moment fehlen uns noch einige tausend Unterkünfte.
Wir dürfen den DGI-Sportkomplex am Hauptbahnhof gratis nutzen und
hoffen, dass viele Kopenhagener und ihre Gäste den Weg hierher finden
werden.
Was ist das Ziel des »KlimaForums 09«?
Wir wollen die Welt darauf aufmerksam machen, dass nicht technologische
Lösungen, sondern nur Verhaltensänderungen das Klima retten können. Wir
wollen soziale Veränderungen statt Klimawandel. Nur wenn die Menschen
weltweit, aber vorzugsweise im Westen, einsehen, dass nicht steigender
Konsum das Glück und den Wohlstand in einer Gesellschaft ausmacht,
können wir wirklich etwas erreichen. Wir erwarten, dass wir von den
Teilnehmern aus der Dritten Welt lernen können, dass man ein einfacheres
Dasein führen kann, ohne auf unser Glück verzichten zu müssen.
Sollen wir in Sack und Asche gehen, um das Klima zu retten?
Nein, es geht nicht um Askese, sondern um soziale Veränderungen, die
unsere Lebensformen in eine Richtung bringen, die gesicherte materielle
Existenz für alle Menschen bringen, ohne dass ständiges Wachstum und ein
immer schnellerer Konsumzyklus erforderlich sind. Das zu vermitteln
dauert aber länger als eine noch so wichtige Konferenz.
Sie sagten, dass technologische Lösungen nicht das Klima retten können.
Was meinen Sie konkret damit?
Die CCS-Technologie, also CO2 im Erdinneren zu lagern, bedeutet eine
Verlängerung der Nutzungszeit fossiler Brennstoffe und ist daher kein
gangbarer Weg. Genauso wenig ist es die Nutzung von Biobrennstoffen.
Wertvolle landwirtschaftliche Fläche kann dann nicht genutzt werden, um
Lebensmittel anzubauen, Wälder werden abgeholzt, um neue Flächen zu
bekommen, und Menschen müssen umsiedeln, womit ihnen die Lebensgrundlage
entzogen wird. Die Kernkraft ist genauso wenig ein Ausweg mit den
Gefahren, die mit der Rohstoffgewinnung, dem Betrieb und der Endlagerung
der Abfallstoffe verbunden sind. Die Lösung liegt in erneuerbaren
Energiequellen und Energieeinsparungen. Wir brauchen eine nachhaltige
Nutzung der natürlichen Ressourcen und müssen dazu die Einwohner vor Ort
einbeziehen.
Welche Erwartungen haben Sie an die Politiker, die das internationale
Klimaschutzabkommen in Kopenhagen aushandeln sollen?
Nur wenn die Reduzierung des CO2-Ausstoßes um 40 bis 50 Prozent bis 2020
beschlossen und das Ziel gesetzt wird, dass die globale
Durchschnittstemperatur um nicht mehr als zwei Grad steigen darf, wird
es ein gutes Abkommen sein. Alles andere wäre eine Schlaftablette, die
uns trügerische Sicherheit vorgaukelt. Anstatt eines politischen
Kuhhandels würden wir es vorziehen, dass kein Abkommen zustande kommt.
Aber gleichgültig wie der offizielle Gipfel ausgeht -- unsere Arbeit
fängt erst hinterher richtig an. Wir müssen eine Massenbewegung
schaffen, die die Verantwortlichen ständig daran erinnert,
Verpflichtungen einzugehen und diese einzuhalten. Das ist unsere
eigentliche Mission.
* Aus: Neues Deutschland, 11. August 2009
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