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Hoffnungsschimmer

UN-Klimagespräche in New York: Während China und Indien sich bewegen, zeigt die deutsche Bundeskanzlerin wenig Interesse an der Veranstaltung

Von Wolfgang Pomrehn *

Der Klimawandel ist im vollen Gange. Hoch im Norden hat sich das arktische Meereis auf den drittniedrigsten bislang gemessenen Stand zurückgezogen. In dieser Zeit lädt UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die Staats- und Regierungschefs zu Klimagesprächen nach New York ein. Ban will damit den Verhandlungen einen neuen Impuls geben. Denn diese stocken, obwohl schon im Dezember eine neuer Klimaschutzvertrag unterschriftsreif sein muß.

Der Klimawandel sei die »prägende Herausforderung unsere Zeit«, äußerte Ban vergangene Woche in New York, wie der UN-Pressedienst schreibt. »Kein anderes Thema demonstriert so deutlich die Notwendigkeit globaler Solidarität.« Der Generalsekretär zeigte sich besorgt über die Verzögerungen im Verhandlungsprozeß. Das Treffen solle die Brücke nach Kopenhagen bauen, wo im Dezember die diesjährige UN-Klimakonferenz stattfindet. Auf der soll der Nachfolgevertrag für das Kyoto-Protokoll unterzeichnet werden, das 2012 ausläuft. Ban wünscht sich von den Regierungschefs, daß sie gemeinsam zeigen, den Ernst der Lage verstanden zu haben.

Düstere Warnungen kommen unterdessen vom Vorsitzenden des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Fragen des Klimawandels IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change), Rajendra Pachauri. Der Inder, der dem Wissenschaftlergremium seit 2002 vorsteht, mahnt, daß sich die Welt derzeit auf dem gefährlichsten denkbaren Pfad befinde. Die Treibhausgasemissionen würden beschleunigt, statt daß sie abnehmen. Hielte diese Entwicklung unverändert an, dann wäre mit einer globalen Erwärmung von bis zu 6,4 Grad Celsius zu rechnen. Verbunden wären damit gewaltige Verheerungen durch Dürren, Unwetter und einen steigenden Meeresspiegel. Bei einer derartigen Erwärmung würden mit Sicherheit in den kommenden Jahrhunderten die großen Eisschilde auf Grönland und in der West­antarktis destabilisiert, die zusammen den Meeresspiegel um 12 Meter steigen lassen könnten.

Schon bei nur 2,5 Grad Celsius Zunahme der globalen Temperatur gegenüber dem vorindustriellen Niveau »werden wir sehr ernste Veränderungen sehen«, so Pachauri. Nicht zuletzt für die Bewohner niedriger Küstenregionen sei der Klimawandel eine sehr problematische Entwicklung. Derzeit steigt das Meer mit einer Geschwindigkeit von etwa 30 Zentimetern pro Jahrhundert, doch viele Wissenschaftler halten selbst bei erfolgreichem Klimaschutz einen Anstieg von bis zu einem Meter zum Ende des Jahrhunderts für möglich. Der Grund liegt in der Trägheit, mit der die Ozeane und die Gletscher auf den Klimawandel reagieren.

Hoffnungsschimmer für die Verhandlungen kommen unterdessen aus China und Indien, die beide beginnen, nach Jahren der Zurückhaltung eine aktivere Rolle zu spielen. Mit einer Zuckerbrot-und-Peitsche-Politik versuchen sie den Industriestaaten Zugeständnisse abzuringen. Zum einen verweisen sie bei jeder Gelegenheit auf deren Verantwortung und die Geringfügigkeit aller bisherigen Anstrengungen. Auf der anderen Seite hat auch in China inzwischen eine öffentliche Diskussion unter Fachleuten begonnen, ob das Land eine Obergrenze für seine Emissionen einführen sollte. Indien hat unterdessen dieser Tage Beobachter überrascht, in dem es eine Gesetzgebung zur Minderung der Treibhausgasemissionen ankündigte. Sein Land werde sich in Kopenhagen zwar nicht auf ein Reduktionsziel festlegen lassen, meinte Umweltminister Jairam Ramesh. Jedoch halte seine Regierung an ihrer Verpflichtung fest, die indischen Pro-Kopf-Emissionen unter dem Niveau der Industriestaaten zu halten.

Bezeichnend dagegen der Umgang von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem UN-Gipfel. Während der Generalsekretär von dem größten jemals abgehaltenen Treffen von Staats- und Regierungschefs spricht, auf dem über Klimaschutz gesprochen werde, fällt das Treffen hierzulande vollkommen unter den Tisch. In den Ankündigungen der Bundesregierung zur Reise der Kanzlerin in die USA wird der UN-Gipfel bisher mit keiner Silbe erwähnt.

Vergangene Woche hatte Merkel gemeinsam mit Frankreichs Präsidenten Nicoals Sarkozy einen Brief an Ban geschrieben, in dem sie immerhin Transferzahlungen der Industriestaaten fordert, die den Entwicklungsländern beim Klimaschutz helfen sollen. Die UN hatte hierfür einen jährlichen Finanzbedarf von weit über 100 Milliarden Euro errechnet. Sollte der deutsch-französische Vorstoß ernst gemeint sein und tatsächlich mit den nötigen Finanzzusagen verbunden werden, könnte er die Verhandlungen wesentlich erleichtern. Er käme nämlich einer zentralen Forderung der Entwicklungsländer entgegen.

Eher unverschämt sind dagegen Ankündigungen, die deutsche und französische Wirtschaft gegen Staaten schützen zu wollen, die sich nicht am Klimaschutz beteiligen. Deutschland und Frankreich sind nämlich alles andere als Musterknaben. Sarkozy wirbt derzeit in aller Welt für neue Atomkraftwerke Made in France, die nicht nur für Mensch und Umwelt eine erhebliche Gefahr darstellen, sondern die große Summen an Kapital binden würden, das viel besser in erneuerbare Energieträger investiert werden könnte. Merkel verfügt ihrerseits über beste Beziehungen zu hiesigen Energiekonzernen wie RWE und E.on, die in Deutschland und im Ausland Dutzende Kohlekraftwerke planen. Vattenfall-Chef Lars Göran Josefsson, dessen Unternehmen die Lausitz auf der Suche nach Braunkohle verwüstet, darf sich noch immer Klimaberater der Bundeskanzlerin nennen.

* Aus: junge Welt, 22. September 2009


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