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Bedenken gegen Extremismus-Klausel

Thüringen: Auseinandersetzung im Landtag *

Wer Bundesgelder für den Kampf gegen Extremismus bekommen will, muss sich zur Demokratie bekennen. Dass Initiativen dies auch für ihre Partner erklären müssen, hält der thüringische Justizminister für bedenklich.

Thüringens Justizminister Holger Poppenhäger (SPD) hat rechtliche Bedenken gegen die Extremismus-Klausel aus der Förderpraxis des Bundes für Initiativen gegen Rechtsextremismus. Zwar sei es wenig angreifbar, dass Projektträger sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen müssen, um Fördermittel des Bundes zu erhalten, sagte Poppenhäger am Freitag im Landtag. »Das darf man auch im Rahmen der Ausrichtung der Programme verlangen.« Bedenklich sei allerdings die Verpflichtung, auch für die Haltung von Projektpartnern einzustehen. »Wir brauchen keine Massenklage«

Die sogenannte Extremismus-Klausel soll garantieren, dass Bundesgelder gegen Rassismus und Rechtsextremismus nicht in falsche Hände geraten. Träger müssen sich zur demokratischen Grundordnung bekennen und dies auch für ihre Partner garantieren. Unklar erscheine bislang auch, wie sich die Träger über die Verfassungstreue ihrer Partner informieren sollen, sagte Poppenhäger. »Allein der Hinweis auf den Verfassungsbericht oder die Internetsuchmaschine Google kann hier nicht weiterhelfen.«

Die Landesregierung habe sich zu dieser Kritik aber noch keine abschließende Meinung gebildet und ziehe zunächst keine Klage in Erwägung, um die Förderung nicht zu gefährden. Sozialministerin Heike Taubert (SPD) hatte sich stattdessen in einem Brief an die zuständige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) gewandt und gebeten, die Klausel zu streichen.

Der Berliner Senat dagegen habe bereits rechtliche Schritte gegen die umstrittene Erklärung eingelegt, sagte SPD-Abgeordnete Dorothea Marx. Wenn ein Bundesland dies tue, sei das aber juristisch ausreichend, plädierte sie. »Wir brauchen keine Massenklage«. Landesprogramm ohne Klausel

Die CDU-Fraktion sah dagegen keinerlei rechtliche Bedenken an der Erklärung. Damit solle verhindert werden, dass extremistische Strukturen unterstützt werden, betonte Beate Meißner. »Das können nur die beklagen, die etwas zu verbergen haben.« Wer mit gewalttätigen Linksautonomen zusammenarbeite, wisse, mit wem er es zu tun habe. »Niemand kann erwarten, dass er Zuschüsse von dem Staat bekommt, den er abschaffen will.«

Die CDU-Fraktion habe sich auch im Landesprogramm gegen Extremismus eine ähnliche Erklärung gewünscht, aus Rücksicht auf den Koalitionspartner SPD aber darauf verzichtet. »Nur ein Schnüffelstaat unterstellt jedem alles und sagt: Schaut noch mal bei euren Nachbarn nach, ob da was sein könnte«, entgegnete Grünen-Abgeordneter Dirk Adams. Auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der LINKEN, Martina Renner, betonte: »Wir sind gegen eine Gesinnungsüberprüfung bei Projekten für Demokratie und gegen Rechtsextremismus.« Bei der Klausel zählten Verdacht und Zwang statt demokratischer Kultur.

* Aus: Neues Deutschland, 26. Februar 2011


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