Friedrichs Flickschusterei
Innenminister verspricht: Verfassungsschutz wird modern, effizient, transparent
Von René Heilig *
Die LINKEN möchten ihn abschaffen –
den Verfassungsschutz. Ein Zwölf-
Punkte-Plan liegt als Angebot vor. So
radikal sind die Grünen nicht mehr.
Die SPD regt in ihrem Eckpunktepapier
einen »fundamentalen Mentalitätswechsel
« an. Vom »beherzten
Umbau« spricht die FDP. Gestern
produzierte der Bundesinnenminister
Sprechblasen über eine Reform.
Von welcher Seite man es auch
betrachten mag: Die von Bundesinnenminister
Hans-Peter Friedrich
(CSU) initiierte Verfassungsschutzreform
muss Flickschusterei
bleiben. Dabei bestreitet niemand,
dass es grundlegende Änderungen
in Sachen Inlandsgeheimdienste
geben muss. Die haarsträubenden
Fehlleistungen bei der Abwehr des
Nationalsozialistischen Untergrundes
(NSU) sind zu blutig, als
dass man weitermachen will wie
bisher. Die Terroristen ermordeten
in 13 Jahren unbehelligt zehn
Menschen. Für Kritik sorgte darüber
hinaus, dass noch nach dem
Auffliegen der Gruppe im Bundesamt
Akten zu dem Fall vernichtet
wurden. Ähnlich unkontrolliert
bremsen Agenten in Thüringen
und Sachsen demokratische Kontrollinstanzen
aus. Andere Landesämter
und der Militärische Abschirmdienst
tauchten ab.
Wie die Reformen aussehen
sollen, ist umstrittener denn je.
Friedrich will auf Bundesebene alte
Latschen über vorhandene
Leisten ziehen – bevor der NSUUntersuchungsausschuss
neue
Vorlagen ausgeben oder
Kritiker sich auf Alternativen
zum bestehenden
Geheimdienst
geeinigt haben.
Gestern lud der
Bundesinnenminister
seine Länderkollegen
ein, um
deren Bedenken zu
zerstreuen. Nicht
nur der nordrhein-
westfälische
Innenminister
Ralf
Jäger (SPD) warnte
vor einer »zentralistischen Mega-
Behörde«. Auch der Sprecher der
Unionsinnenminister, Uwe Schünemann
aus Niedersachsen, forderte,
dass Bundesamt und die 16
Landesämter auf Augenhöhe zusammenarbeiten.
Niemand müsse Angst haben
entmachtet zu werden. Es gehe vor
allem darum, den Informationsfluss
zwischen dem Bundesamt
und den Landesämtern zu verbessern.
Die Allzuständigkeit der
Landesämter bei der Datenerhebung
bleibe erhalten, versicherte
Friedrich. »Mein Konzept«, so
Friedrich, »heißt
mehr Transparenz
gegenüber dem
Parlament,
gegenüber der
Öffentlichkeit,
mehr Effizienz
innerhalb der
Behörde, auch
innerhalb des
Verbundes der
Verfassungsschutzämter,
und mehr
Kooperation.«
In seiner
Worthülsensammlung fehlt das
Wort »Modernisierung« nicht.
Dass er seinen Agenten mehr
Effizienz abverlangen will, kann
man dem Minister abnehmen.
Weniger glaubhaft kommt das mit
der Transparenz rüber, denn
Friedrich sagt nicht, wie er die erzeugen
will. Mehr noch, der
klammheimliche Umbau des Bundesamtes
und die Einsetzung eines
neuen Präsidenten, der aus ministeriellem
Umfeld stammt, erhöhen
Friedrichs Glaubwürdigkeit nicht.
Im Gegenteil. Schwarz-Gelb
will aus dem nach dem Auffliegen
des NSU aufgekommenen
Sturm
der Entrüstung
Rückenwind machen. Die
Schwerpunkte dafür hatte schon
Friedrichs Vor-Vor-Vorgänger Otto
Schily (SPD) in der Schublade. Das
Bundesamt darf dann »in einigen
Bereichen« zusätzlich Daten erheben.
Beispielsweise beim »gewaltgeneigten
Terrorismus«. Was bitte
hat das Amt bis jetzt getan?! »Im
Einzelfall« soll die Möglichkeit bestehen,
dass das Bundesamt Fälle
von Landesbehörden an sich zieht.
So wie es für den Polizeibereich im
BKA-Gesetz steht. Doch gerade bei
der Suche nach den NSU-Terroristen
wurde es nicht angewandt.
Man will gemeinsame Grundsätze
zur V-Mann-Anwerbung und
eine Zentraldatei der Spitzel beim
Bundesamt. Friedrich denkt an
eine Koordinierungsrichtlinie,
die die Kommunikation und
den Informationsaustausch
zwischen Bund und Ländern
verbessert. Dafür gibt es bereits
Gemeinsame Abwehrzentren
gegen islamistischen
Terror und gegen Gewalttäter
von Rechts. Mit denen ist das
Trennungsgebot zwischen Geheimdiensten,
Polizei und anderen
Behörden bereits weitgehend
aufgeweicht. Das Bundesinnenministerium
hält weitere
Abwehrzentren für notwendig,
genannt werden Sabotage- und
Spionageabwehr. Friedrich
will sie sogar »bei allen Tätigkeiten,
die der Verfassungsschutz
verrichtet«. Er wird
auch den Phänomenbereich
»Linke und LINKE« nicht
vergessen.
Wer nur eine Reform
des Geheimdienstes betrachtet,
blickt zu kurz.
Friedrich baut parallel das
Bundeskriminalamt und die
Bundespolizei um. Will er
eine Art Sicherheitshauptamt,
wie Kritiker warnen?
Originalton Friedrich gestern
im Deutschlandfunk:
»Vor allem wichtig ist,
dass wir ein Zentrum
schaffen, in dem die Kooperation
mit anderen Behörden,
insbesondere der Polizei, auch von
Bund und Ländern, sichergestellt
ist.«
* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 29. August 2012
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