Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Beim Stelldichein der Rüstungsindustrie gibt es auch ökologische Panzerkanonen

Ein Bericht über die weltgrößte Waffenmessen "Eurosatory" in Paris

In der Schweizer Wochenzeitung "WoZ" erschien am 11. Juli ein Artikel über die weltgrößte Rüstungsmesse in Paris, den wir unseren Besuchern nicht vorenthalten wollen. Hier werden die Waffen gezeigt, die bald auf den Schlachtfeldern der Welt zum Einsatz kommen. Dass neben der Schweiz, die natürlich die WoZ in besonderer Weise interessiert, auch die Bundesrepublik und Israel mit ihren Produkten nach Käufern und Märkten Ausschau halten, liegt auf der Hand.


Das Stelldichein der Rüstungsindustrie

Ökologische Panzerkanonen

Von Tobias Gasser, Paris


...
Alle zwei Jahre trifft sich die verschworene Gemeinschaft der Waffenproduzenten, -händler und -käufer in Paris an der Rüstungsmesse Eurosatory. Über 40.000 geladene Gäste – es kommt nicht jeder rein –, 130 offizielle Delegationen mit 500 Entscheidungsträgern aus über 100 Staaten flanieren zwischen den Ständen und Vitrinen der 800 Aussteller.

Gleich am Eingang weist ein Schweizer Kreuz zum Swiss Pavillon, in dem sich 23 Schweizer Rüstungsfirmen zusammen präsentieren. Ein behäbiges Alpenmassiv ziert den Pavillon. Alfred Markwalder, Chef der Gruppe Rüstung der Schweizer Armee, lädt im Hochglanzprospekt des Swiss Pavillon ein, "die Innovation, kooperativen Fertigkeiten und das Leistungsregister der Schweizer Rüstungsindustrie zu testen. Die Schweizer Missionen im Ausland wie auch die Gruppe Rüstung freuen sich, Ihnen behilflich zu sein, um die gewünschten Kontakte zu etablieren."

Von dieser Exportförderung profitiert auch der Rüstungskonzern Ruag, der die politisch umstrittene 9-Millimeter-Deformationsmunition SeCa (Security Cartridge) ausstellt. Der Bundesrat hat im September 2001 empfohlen, diese "Mannstoppmunition" von der Wunschliste der Polizeikommandanten zu streichen. Die Schweiz könne sich nicht fürs humanitäre Völkerrecht einsetzen und gleichzeitig die Deformationsgeschosse im ordentlichen Polizeidienst zulassen, hiess es damals. Das hielt die Vertreterin der Ruag aber nicht davon ab, einem deutschen Besucher zu erklären, dass diese «bleifreie» Munition "Leiden verkürzt". Die gleiche Munition werde ja auch bei der Jagd eingesetzt.

Neben Handgranaten, der Überwachungsdrohne Ranger und einer "ökologischen" Trainings-Panzerkanone war auch die 120-Millimeter-Kanistermunition zu bewundern. "Wie ein Hagelsturm" wirke diese Streumunition gegen "weiche und harte Ziele", verspricht die staatlich-eidgenössische Waffenschmiede. 32 panzerbrechende Tochtergeschosse verstreuen 30.000 messerscharfe Splitter auf einer Zielfläche von 6.000 Quadratmetern. Es handle sich hier um "die einzige Granate, welche ein praktisch blindgängerfreies Feld anbietet für ihre anrückenden Truppen", wirbt die Ruag. Dieselbe Munition ist allerdings unter anderem Namen auch bei anderen Anbietern zu haben.

Die deutsche Rheinmetall und die Israel Military Industries IMI haben diese "deutsch-schweizerisch-israelische" Munition Anfang der achtziger Jahre – nach einem US-amerikanischen Boykott von Streumunitionslieferungen an Israel – entwickelt. Die Ruag stiess später dazu. Die Preise gleicher Produkte sind schwierig zu vergleichen. "Was wollen Sie bezahlen? Ich mache Ihnen jeden Preis", sagt der Marketingverantwortliche bei IMI und verweist auf seine langjährige Erfahrung. Achtzig Millionen Tochtergeschosse hätten sie in den letzten zwanzig Jahren hergestellt. Dass gegen die israelischen Dumpingpreise nichts zu machen ist, musste die Rheinmetall erfahren. Sie hat kürzlich einen Deal mit Britannien an die IMI verloren und musste eine Produktionsstrasse schliessen. Am Stand der Rheinmetall will man sich nicht darüber beklagen: Kooperieren statt konkurrenzieren heisst die Losung. Rheinmetall bezieht die Munition nun selber bei IMI.

Trotz europäischen Boykottdrohungen sind die Auftragsbücher der israelischen Rüstungsindustrie voll. 2002 soll ein Rekordjahr werden: Neue Aufträge im Wert von 2,6 Milliarden US-Dollar seien bis Ende Jahr zu erwarten, vermeldet die Fachzeitung "DefenceNews". An der Eurosatory wird dem noch mit einer aufregenden Multimedia-Show nachgeholfen. Eine Prise Kampf dem Terror, finstere Typen mit dem Konterfei Usama Bin Ladens, "State of the art"-Produkte ("battle proven") und viel Bass aus den Lautsprecherboxen lassen das Herz in Uniform höher schlagen. "Ein Zaun muss her", verlangen momentan die Politiker in Israel, und die Rüstungskonzerne sind zur Stelle. Ein "System der Systeme" werde es, mit einer Vielzahl von Sensoren, Detektoren, Drohnen und neuen Überwachungszeppelinen, verheissen die Prospekte. Die ersten 300 Millionen Schekel (rund 95 Millionen Franken) seien dafür bereits gesprochen, meint der Generaldirektor des israelischen Verteidigungsministeriums, Amos Jaron, zu "DefenceNews". Das ganze Projekt werde "Milliarden Schekel" kosten. Da kommt die alljährliche US-Militärhilfe sicherlich gelegen: Dieses Jahr sollen es 2,04 Milliarden US-Dollar sein. Das passende Motto des Israel-Pavillons an der Eurosatory: "Verbünde dich mit Verbündeten."

Aus: WoZ, 11. Juli 2002


Zur "Waffen"-Seite

Zur Seite "Rüstungsexport, Rüstungsproduktion"

Zurück zur Homepage