Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Berlin: Wieder ein Totalverweigerer vor Gericht - und eine Verurteilung

"Warum ich meine Verwendung für den Zivildienst verweigere."

Wir bitten um Beachtung folgender Mitteilungen.

Nach knapp 1,5 Jahren Wartezeit, werde ich (Sascha) mich nun am 30.01.2001, wegen Dienstflucht vor Gerichtverantworten müssen.

Das Konzept der Gesamtverteidigung der BRD ruht auf 2 wesentlichen Stützpfeilern: Auf der einen Seite die militärische Verteidigung (Bundeswehr/Soldaten), auf der anderen Seite die Zivilverteidigung (in welcher Zivildienstleistende eingeplant sind). In der Kriegs- oder sogenannten Verteidigungsplanung der BRD spielen Zivildienstleistende eine sehr wesentliche Rolle. Mobilmachungsergänzungen von Personal und Material, Truppenversorgung mit Material, Hilfe bei der Aufrechterhaltung der Staats- und Regierungsfunktionen sind einige, der hier nur kurz angeschnittenen Aufgaben, für welche Zivildienstleistende im Kriegs- oder Verteidigungsfall eingeplant sind. Wenn Soldaten in den Krieg ziehen, sollen es Zivildienstleistende sein, die Truppen mit Rohstoffen versorgen, oder für die Aufrechterhaltung des Landesfriedens Sorge tragen sollen.

Zwar werde ich nach heutiger Rechtslage als Zivildienstleistender nicht gezwungen sein, im Kriegsfall direkt jemanden zu erschießen, aber Zivildienstleistende stützen und fördern durch Ihren Dienst, das der Arm der militärischen Verteidigung genau dazu befähigt wird. Befähigt zum gezielten Töten von Menschen und der Vernichtung von Werken gemeinsamer Arbeit. Und ob ich nun jemanden beim Töten unterstütze oder ob ich selber töte ist für mich ein und der selbe Tatbestand.

Zivildienst ist keine Alternative zum Dienst bei der Bundeswehr, sondern stellt somit eine für jede Kriegsführung notwendige Ergänzung da. Zivildienst ist genau wie die Bundeswehr ein Dienst der auf einer Befehls und Gehorsamsebene aufbaut, und Menschen das Recht auf Selbstbestimmung und freie Entscheidung nimmt und somit einem kritischen Bewußtsein entgegenarbeitet.

Auch im Zivildienst werden Menschen Teil einer Maschinerie, in der sie nicht mehr eigene Entscheidung treffen sollen, sondern nur noch nach den Interessen der Befehlserteilenden zu funktionieren haben. Mein Gewissen gehört mir und nicht dem Staat und eine höhere Pflicht als eigenverantwortlich zu handeln, gibt es nicht. Wehrpflicht ist keine Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben von Menschen. Ich halte es für wichtig, die Allgemeine Wehrpflicht, welche eine ständige Vorbereitung für den Krieg darstellt, nicht mit dem Attest oder Krankenschein zu umgehen, sondern sich offen gegen sie zu stellen, um Öffentlichkeit gegen diese gesellschaftliche Militarisierung zu schaffen und Kriege im Vorfeld zu verhindern. Ich glaube, daß eine ehrliche Auseinandersetzung, das deutlich gesprochene NEIN zu Unrecht, Grundvoraussetzung dafür ist, wenn Mensch das politische Klima in diesem Land verändern will. In diesem Sinne ist Totale Kriegsdienstverweigerung (TKDV) für mich auch ein Kampf, für eine bessere menschliche Welt.

Das Menschen aus Profitinteressen dazu gebracht werden, sich gegenseitig umzubringen, ist eine Tatsache, die es zu bekämpfen gilt.

Verschickt diese Mail weiter !!! Diskutiert!!! Handelt!!! Unterstützt den Prozeß!! - Für ein selbstbestimmtes freies Leben!! Krieg dem Krieg

Kommt zum Gerichtstermin am 30.01.2001 um 9.00 Uhr in Raum 131 1/B in der Wilsnacker Str.4 in Berlin Treffpunkt für gemeinsame Demo zum Gericht, gleicher Tag, pünktlich: 8.15 Uhr, S- Bellevue Bringt Transpis mit!!

Oben stehender Text wurde uns zugesandt von:

Ohne Uns - Rundbrief zur Totalen Kriegsdienstverweigerung
c/o Jörg Eichler, Ludwigstraße 6, 01 097 Dresden
email: je519121@rcs.urz.tu-dresden.de
http: www.ohne-uns.de

Totalverweigerer verurteilt

Die DFG-VK teilte inzwischen in einer Presseerklärung mit, dass ein anderer Totalverweigerer vom selben Amtsgericht, vor dem der oben genannte Fall verhandelt wird, verurteilt wurde.

PRESSEERKLÄRUNG 01/2001, 24. Januar 2001
Verantwortlich: Frank Brendle

40 Stunden Arbeit für Totalverweigerer
Kein Freispruch, weil der Angeklagte kein Zeuge Jehovas ist


Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten hat heute den 22jährigen Totalen Kriegsdienstverweigerer Dirk Schwieger zu einer Jugendstrafe von 40 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt.

Der Student hatte im November 1998 den Zivildienst in einem Hamburger Krankenhaus angetreten, nach fünf Monaten jedoch abgebrochen. Ausschlaggebend dafür war, wie er vor Gericht aussagte, die militärische Verplanung des Zivildienstes. "Meine Loyalität gilt allein der Erhaltung des menschlichen Lebens", erklärte Schwieger. Die Einbettung des Zivildienstes in die Gesamtverteidigung und seine Pflicht, im Kriegsfall Versorgungs-tätigkeiten für die Bundeswehr zu leisten, habe bei ihm zu einem Gewissenskonflikt geführt, den er nur durch die Beendigung des Zivildienstes habe lösen können.

Rechtsanwältin Gabriele Heinecke hatte einen Freispruch gefordert, da es sich um eine Gewissensentscheidung gehandelt habe, die vom Grundgesetz geschützt sei.

Amtsrichter Jentsch versuchte jedoch, das Gewissen des Angeklagten auszuleuchten. Zwar anerkannte er den Gewissenskonflikt, sprach ihm aber nicht die für einen Frei-spruch nötige Intensität zu - ganz so, als könne irgendjemand bewerten, wie tief ein Anderer von einer Gewissensentscheidung bewegt ist. Der Richter erklärte mehrfach, Schwieger sei zwar "nicht rechtsfeindlich", habe aber auch nicht eine solche Gewissens-not, wie sie in ähnlichen Fällen bei Zeugen Jehovas gegeben sei. Wie er das heraus-gefunden hat, darüber sagte er nichts. Außerdem, so der Richter, hätte Dirk Schwieger ein so genanntes freies Arbeitsverhältnis nach § 15a Zivildienstgesetz eingehen können.

Mit dem Urteil zu 40 Stunden gemeinnütziger Arbeit blieb Richter Jentsch deutlich unter dem Strafantrag des Staatsanwaltes, der vier Wochen Dauerarrest gefordert hatte.

Die DFG-VK bedauert es, dass das Amtsgericht Berlin-Tiergarten nicht den Mut hatte, eine persönliche Gewissensentscheidung über das Wehrpflichtgesetz zu stellen. Der Frage nach der Verfassungswidrigkeit der Wehrpflicht aufgrund der fehlenden Wehrgerechtigkeit ist das Gericht ausgewichen: Der Richter verwies darauf, dass hier "Konsequenzen im gesetzgeberischen Bereich" gefordert seien. Wir drücken es deutlicher aus: Die Wehrpflicht gehört abgeschafft!

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