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90 Tagessätze für Totalverweigerer

Amtsgericht Berlin-Tiergarten setzt sich über verfassungsrechtliche Bedenken hinweg

DFG-VK Berlin-Brandenburg
Deutsche Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen

PRESSEERKLÄRUNG 02/2001, 30. Januar 2001 - verantwortlich: Frank Brendle

Der Totale Kriegsdienstverweigerer Sascha Weber ist heute vom Amtsgericht Berlin-Tiergarten zu einer Geldstrafe von 1800 Mark, aufgeteilt in 90 Tagessätze zu je 20 Mark, verurteilt worden.

Der 20jährige Kriegsgegner hatte im Oktober 1999 den Zivildienst an einer Hamburger Dienststelle abgebrochen, weil ihm sein Gewissen die Beihilfe zur Kriegsführung verbiete. Genau dazu wäre er im Kriegsfall jedoch verpflichtet: Das Zivildienstgesetz sieht die unbefristete Einberufung zum Zivildienst vor, um auch Kriegsdienstverweigerer zu militärrelevanten Unterstützungstätigkeiten zu verpflichten.

Richterin Vasilio brachte einen kaum gebräuchlichen Paragraphen des Zivildienstgesetzes (ZDG) in Stellung: § 15a ZDG bietet als "Alternative zum Zivildienst ein so genanntes freies Arbeitsverhältnis im Pflegebereich, wenn der Verweigerer Gewissensgründe gegen den Zivildienst hat. Dieses Arbeitsverhältnis ist jedoch schon deswegen kein "freies", weil es nur unter Androhung einer Haftstrafe angetreten und nicht frei gekündigt werden kann. An der militärischen Verplanung des Kriegsdienstverweigerers ändert sich dadurch nichts.

Ein Antrag von Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck auf Aussetzung des Verfahrens wurde abgelehnt. Das Landgericht Potsdam hatte vor zwei Jahren einen ähnlichen Fall dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt, weil es an der Verfassungsmäßigkeit der Wehrpflicht Zweifel hatte. Diese Zweifel haben sich mit der Einführung des freien Zugangs von Frauen zur Bundeswehr und der zunehmenden Wehrungerechtigkeit verstärkt. Kaleck wollte die für den Sommer dieses Jahres erwartete Entscheidung aus Karlsruhe abwarten.

Mit der Geldstrafe blieb das Gericht zwar, in Anerkennung der Gewissensgründe von Sascha Weber, unter dem Strafantrag der Staatsanwältin, die eine Strafe von sechs Monaten auf Bewährung gefordert hatte. Das Grundrecht auf Gewissensfreiheit gelte jedoch nicht für die Verweigerung des Zivildienstes. Verfassungsrechtliche Zweifel kamen der Richterin nicht. In den fünf Minuten, die sie für die Urteilsfindung benötigte, konnten diese offensichtlich auch kaum aufkommen.

Die DFG-VK schließt sich der Forderung Sascha Webers an, nicht Kriegsgegner, sondern jene, die Kriege planen und führen, vor Gericht zu stellen. Die Wehrpflicht ist undemokratisch, verfassungswidrig - sie gehört abgeschafft!

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