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Juniorpartner Südafrika

Große Schwellenländer treffen sich zum BRICS-Gipfel in Durban

Von Armin Osmanovic, Durban *

Die Gruppe der wichtigsten Schwellerländer Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, kurz BRICS, berät derzeit auf ihrem Gipfeltreffen über eine engere Zusammenarbeit.

Südafrikas Präsident Jacob Zuma empfing am Dienstag die Staatschefs von Brasilien, Russland und China sowie den indischen Premier zum fünften BRICS-Gipfel. Gegenstand der zweitägigen Konsultationen in Durban am Indischen Ozean ist eine stärkere Zusammenarbeit dieser noch jungen Ländergruppe. Vor allem institutionell will man sich enger verflechten. Geplant ist unter anderem die Gründung einer Entwicklungsbank sowie die Einrichtung eines ständigen BRICS-Sekretariats, eines Krisenfonds und eines gemeinsamen Wirtschaftsrats.

Die fünf aufstrebenden Staaten, in denen über 40 Prozent der Weltbevölkerung leben, stehen mittlerweile für 28 Prozent des Weltsozialproduktes. 2040 könnte ihr Anteil bei 40 Prozent liegen. Die BRICS-Staaten haben die internationale Politik in den vergangenen Jahren, ob in Klima- oder Handelsfragen, verändert.

In Südafrika freilich wird diskutiert, was das Land am Tisch der »neuen Mächte« zu suchen hat. Hauptargument der Kritiker ist die geringe wirtschaftliche Bedeutung Südafrikas, dessen Bruttoinlandsprodukt niedriger ist als das von Österreich. Schwellenländer wie Mexiko, Indonesien oder die Türkei weisen weit größere und dynamischere Volkswirtschaften auf. Und selbst in Afrika ist man nicht länger unangefochten die Nummer eins: Nigeria dürfte in wenigen Jahren zur größten Volkswirtschaft des Kontinents aufsteigen.

Kritisiert wird aber auch die Politik der Staatengruppe. Für die in Durban unter dem Motto »BRICS from below« ebenfalls zusammengekommenen zivilgesellschaftlichen Gruppen, die für heute einen Protestmarsch angekündigt haben, ist der neue Staatenclub nicht viel anders als die vom Westen dominierte G8. Patrick Bond, Aktivist und Wissenschaftler an der Universität KwaZulu-Natal, bezeichnet die BRICS-Staaten als »Neoimperialisten «, welche Afrika ausbeuten, wie dies schon die alten Kolonialmächte und die USA getan haben. Die Kritik richtet sich vor allem an China, dessen Bedeutung in Afrika dramatisch gewachsen ist. Betrug der bilaterale Handel vor zehn Jahren 11 Milliarden USDollar, ist heute China mit 166 Milliarden Dollar Afrikas wichtigster Wirtschaftspartner.

Geteilt wird die Kritik an China auch von einigen afrikanischen Staatschefs. So hatte der heutige sambische Präsident Michael Sata im Wahlkampf heftig gegen die schlechten Arbeitsbedingungen bei chinesischen Unternehmen im Land gewettert. Seit seiner Wahl hält er sich angesichts der Bedeutung chinesischer Investoren in seinem Land aber mit lautstarken Worten zurück.

Den südafrikanischen Präsidenten Zuma fechten solche Diskussionen, aber auch die ewigen Warnungen aus dem Westen ohnehin nicht an. Für ihn war die Aufnahme Südafrikas in die BRICS-Gruppe im vergangenen Jahr neben der Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft 2010 der größte außenpolitische Erfolg.

Auf Augenhöhe ist Südafrika in einem wichtigen Punkt: Das Land am Kap gehört zu den großen Rohstoffproduzenten, wie auch die anderen BRICS-Staaten. Die Ländergruppe steht für 31 Prozent der globalen Goldförderung. Ein ähnliches Bild ergibt sich für Erdöl, Kohle, Kupfer, Platin, Palladium oder Aluminium. Führend sind die BRICS-Länder aber auch bei der Nachfrage: Allein China verbraucht 46 Prozent des weltweit produzierten Aluminiums und 42 Prozent des Kupfers. Der Hunger Chinas nach billigen Rohstoffen für seine Industrie bildet denn wohl langfristig das größte Konfliktpotenzial mit den anderen BRICSStaaten: Ihre Entwicklung wird stark davon abhängen, ob sie ihre Rohstoffe selbst vor Ort industriell veredeln und exportieren können.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 27. März 2013


BRICS-Bank soll für Eigenständigkeit sorgen

Hohe Summen für Infrastrukturausbau benötigt

Von Uwe Kerkow **


Die BRICS-Staaten sind im Begriff, eine eigene Entwicklungsbank zu gründen. Was deren Struktur und Aufgaben betrifft, wird das neue Institut der Weltbank ähneln.

Die Idee einer BRICS-Bank ist knapp ein Jahr alt, und nun wurde unmittelbar vor der offiziellen Eröffnung des Gipfels im südafrikanischen Durban am Dienstag die Gründung formell beschlossen. Ursprünglich sollten Brasilien, China, Indien, Russland und Südafrika je zehn Milliarden US-Dollar Startkapital einzahlen. Das ist für Südafrika, die kleinste der fünf Volkswirtschaften, aber zu viel. Deswegen wurde vorgeschlagen, die Einzahlungen entsprechend der wirtschaftlichen Bedeutung zu staffeln. Dies würde der Organisationsstruktur von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) entsprechen, wo die Kapitaleinlagen und Stimmrechte nach der Größe der Volkswirtschaften der Mitgliedsstaaten gestaffelt sind.

Die neue Bank soll vor allem Infrastrukturprojekte finanzieren, der Weltbank dabei aber keine Konkurrenz machen. Vor allem Indien hat einen riesigen Nachholbedarf. Im aktuellen Fünf- Jahresplan (2012 bis 2017) für den Haushalt der Zentralregierung sind Infrastrukturausgaben von umgerechnet rund 750 Milliarden US-Dollar vorgesehen. Schätzungen zufolge könnte der Investitionsbedarf für Infrastrukturprojekte in den fünf BRICS-Staaten in den nächsten 10 bis 20 Jahren bis zu 15 Billionen US-Dollar erreichen. Nach südafrikanischen Schätzungen würden voraussichtlich etwa 10 bis 15 Prozent der Darlehen nach Afrika gehen. Generell erhofft man sich die zügigere Bewilligung von Geldern, als es etwa durch die Weltbank geschieht.

Die Einrichtung einer solchen Bank wäre ein konsequenter nächster Schritt auf dem Weg zu weitergehender wirtschaftlicher Unabhängigkeit vom Westen. Auch würde ein solches Institut dem gewachsenen Gewicht insbesondere von Brasilien, Indien und China gerecht werden. Die Handelsvolumina zwischen den BRICS-Staaten beliefen sich 2011 auf 230 Milliarden Dollar. Das ist eine ganze Menge, wie ein Vergleich zeigt: Der Handel zwischen den USA und der EU erreichte im gleichen Jahr nur etwa den doppelten Umfang.

Zudem sind die fünf Staaten unzufrieden mit dem Tempo der IWF-Reformen. Schon über zwei Jahre blockieren die USA und Europa ein neues Kräfteverhältnis. Zwar sind sich alle Beteiligten einig, dass die Schwellenländer künftig höhere Anteile am IWFKapital halten sowie Brasilien, Russland, Indien und China in den Club der zehn größten Anteilseigner aufrücken sollen. Mit den höheren Anteilen wären auch mehr Stimmrechte verbunden. Außerdem sollen die BRICS-Staaten mehr Vertreter in das Exekutivdirektorium des Währungsfonds entsenden und die Europäer Sitze abgeben. Doch Europäer und US-Amerikaner können sich bisher nicht auf die konkrete Umsetzung einigen. Dabei hatten die BRICSStaaten ihrerseits klaglos der Erhöhung der IWF-Kreditlinien um 450 Milliarden Dollar zugestimmt, obwohl sie das Management der Wirtschaftskrise in den USA und Europa deutlich kritisierten. Auch setzt das billige Zentralbankgeld aus Washington, Tokio und Frankfurt die Währungen vor allem von Indien und Brasilien unter Aufwertungsdruck.

Von einer neuen BRICS-Bank würde China als mit Abstand größter Partner am meisten profitieren. Daher erscheint es nur logisch, dass der Sitz Schanghai werden soll. Allerdings sehen die anderen vier Staaten das Übergewicht Pekings auch mit einer gewissen Sorge. Ob die Bank tatsächlich in der chinesischen Währung Yuan operieren wird, steht daher noch nicht fest. Auf alle Fälle kann die neue Bank den BRICSStaaten dabei helfen, die bisher bei internationalen Handelsgeschäften durch Umtausch ihrer Währungen in US-Dollar entstehenden Transaktionskosten zu mindern.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 27. März 2013


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