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1,1-Billionen-Dollar-Rekord

Abrüstungskampagne verweist auf weltweit steigende Ausgaben für Waffen. Militärische Konflikte Hauptgrund für Hungerkatastrophen

Von Thalif Deen (IPS), New York *

Menschenrechtsorganisationen und Kriegsgegner forderten am Montag ein internationales Abkommen zur Regulation des globalen Waffenhandels. Sie warnten vor Militärausgaben, die in diesem Jahr die 1,1-Billion-US-Dollar-Marke überspringen werden, und erinnerten an die Tatsache, daß bewaffnete Konflikte nach Angaben der Welternährungsorganisation FAO schon im vergangenen Jahr der Hauptgrund für Hungerkatastrophen waren.

Hinter der Kampagne stehen Amnesty International, Oxfam und das International Action Network on Small Arms (IANSA) – ein seit 1998 bestehender Zusammenschluß von über 500 Gruppen aus fast 100 Staaten mit Sitz in London. Nachdruck verliehen die Rüstungsgegner ihrer Forderung in einem Bericht, der während der Diskussionen im UN-Ausschuß zu Fragen der Abrüstung und internationalen Sicherheit vorgelegt wurde. Nach dem neuen Report werden die globalen Militärausgaben von über 1,1 Billionen Dollar in diesem Jahr den Rekord von 1987/8 brechen, der bei 1,034 Billionen Dollar lag.

Danach belaufen sich die aktuellen Rüstungsausgaben auf das rund 15fache der internationalen Entwicklungshilfe. Schon zwischen 2000 und 2004 haben die 100 größten Waffenhersteller der Welt ihre Verkäufe um fast 60 Prozent steigern können, von 157 Milliarden auf 268 Milliarden Dollar. Bereits im Juni hatte das Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) vor der sich immer schneller drehenden Rüstungsspirale gewarnt. Dem Institut zufolge waren die USA 2005 für 48 Prozent der weltweiten Militärausgaben verantwortlich. Nach seinen Schätzungen sind es vornehmlich die kriegsähnlichen Lagen in Afghanistan und dem Irak sowie die weitere Aufrüstung in den USA, die die globalen Militärausgaben anhaltend nach oben treiben.

Neben den USA sind Rußland, Frankreich, Großbritannien und Deutschland für den größten Teil des Handels mit konventionellen Waffen verantwortlich. 2005 kontrollierten sie 82 Prozent des Transfers. Hinzu kommt China, das derzeit seine Streitkräfte modernisiert. Damit sind die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates mit von der Partie, was die Gespräche über das geforderte Abkommen ausgesprochen schwierig machen wird. Natalie J. Goldring vom Centre for Peace and Security Studies der Edmund A. Walsh School of Foreign Studies an der Georgetown-Universität in Washington meint dementsprechend, daß eine internationale Vereinbarung zur Regulierung des Waffenhandels nicht leicht zu erreichen sein wird. Trotzdem habe sie aber oberste Priorität. »Es ist höchste Zeit, neue Standards festzuschreiben.«

»Noch in diesem Oktober muß die Welt mit der Arbeit an einem Abkommen zum Waffenhandel beginnen«, fordert auch Bernice Romero, Kampagnendirektorin bei Oxfam. In einer Stellungnahme vom 2. Oktober unterstreicht die in Großbritannien ansässige Hilfsorganisation den Zusammenhang zwischen einem unregulierten Waffenhandel auf der einen und Hunger, Konflikt und Menschenrechtsverletzungen auf der anderen Seite. Ihr zufolge sind 61 Prozent der afrikanischen Staaten mit großer Ernährungsunsicherheit zugleich in Bürgerkriege verwickelt. Laut Oxfam leiden in Afghanistan 2,5 Millionen Menschen Hunger, und die anhaltenden Kämpfe sind wesentlich dafür verantwortlich, daß keine Hilfe zu ihnen gelangt. Ebenso hat Israel seit seiner erneuten Aggression gegen den Gazastreifen in den vergangenen Monaten Hunderte Hilfscontainer der Vereinten Nationen an der Grenze zu diesem Gebiet aufgehalten und bedürftige Palästinenser sich selbst überlassen.

Weiter unterstreicht Oxfam, daß auch Schwellenländer ihre Militärausgaben deutlich erhöht haben. Nach Angaben der Organisation gehören Rüstungsschmieden aus Brasilien, Indien und Südafrika zu den 100 größten der Welt.

* Aus: junge Welt, 6. Oktober 2006


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