Olivgrüne Aktien
US-Finanzinvestoren sind Hauptnutznießer des Börsengangs der britschen Rüstungsschmiede QinetiQ
Von Dago Langhansy*
Als »Gier im allerhöchsten Ausmaß und die schlimmste Privatisierung seit
der Bahn« bezeichnete Anfang der Woche der britische
Globalisierungskritiker George Monbiot den Börsengang des militärischen
Forschungszentrums QinetiQ im Guardian.
Ganz anders dagegen Tony Blairs stellvertretender Verteidigungsminister,
Lord Drayson, der die Ausgabe von Aktien der britischen Rüstungsschmiede
als »gutes Modell zukünftiger Privatisierungen« pries. Sein Vorgänger
Lord Gilbert erklärte hingegen, die Verkäufe wären »ganz nach der Art,
wie Boris Jelzin die Vermögensmasse der ehemaligen Sowjetunion zu
Schleuderpreisen an seine Kumpel weitergereicht hat.« Die
Tory-Opposition nutzte den Streit anläßlich der Emission der begehrten
Technologieanteile, um eine parlamentarische Untersuchung zu fordern.
QinetiQ ist nicht irgendeine Technologiefirma. Das Doppel-Q im
Firmennamen kann man durchaus als Hinweis auf die James-Bond-Filme
deuten, in denen ein Mister Q den Superagenten mit einem umfangreichen
Arsenal neuester Geheimwaffen bestückt hat. QuinetiQ ist 2001 als
Forschungsabteilung aus der Defense Evaluation and Research Agency des
britischen Verteidigungsministerium hervorgegangen. In deren rund
50jähriger Geschichte wurden in dem wichtigsten Rüstungslabor der
britischen Verteidigungsindustrie zahlreiche Patente entwickelt. QinetiQ
beschäftigt heute über 11 000 Personen und verfügt über einen
ansehnlichen Grundbesitz. Zu den bekanntesten internationalen Patenten
gehören Radartechnologien, die LCD-Bildschirmtechnik und die punktgenaue
Landetechnologie des Harrier-Senkrechtstarters.
Besonderen Unmut erregten in der britischen Öffentlichkeit die
Geschäftspraktiken des US-amerikanischen Finanzinvestors Carlyle Group.
Dessen »Investment in QinetiQ zahlt sich stattlich aus«, hieß es in der
Washington Post. Die Renditeaussichten für die Finanzinvestoren von
Carlyle waren bereits im Februar 2003 klar, als die Rüstungsspekulanten
den Rest einer Gesamtsumme von 73 Millionen Dollar für 31 Prozent der
Geschäftsanteile von QinetiQ auf den Tisch gelegt hatten. Denn exakt am
selben Tag hatte QinetiQ eine »langfristige Partnerschaftsvereinbarung«
mit dem britischen Verteidigungsministerium unterzeichnet. Mit diesem 25
Jahre geltenden Vertrag mit einem Volumen von 5,6 Milliarden britischen
Pfund wird das Rüstungslabor beauftragt, alle britischen Schießplätze zu
verwalten. Abgewickelt wurden die Zahlungen in Stückelungen über
Beteiligungsgesellschaften auf der Kanalinsel Guernsey, um der
britischen Besteuerung zu entgehen. Nach dem Börsengang von QinetiQ am
10. Februar war die Beteiligung Carlyles eine halbe Milliarde US-Dollar
wert.
Solche Anlagestrategien sind für den 1987 gegründeten
Private-Equity-Konzern Carlyle keineswegs ungewöhnlich. Die Carlyle
Group hatte 1997 den Rüstungskonzern United Defense erworben und
gewinnträchtig nach den Anschlägen am 11. September 2001 mit einem
Profit von einer Milliarde US-Dollar eigene Anteile veräußert. Aktuell
verwaltet Carlyle ein geschätztes Vermögen von 30 Milliarden US-Dollar.
Zur Politik der Carlyle-Investoren gehört naturgemäß die Einbindung der
politischen Elite. Während in den USA zum beratenden Umfeld der
Finanzjongleure solch prominente Figuren wie Expräsident George Bush
senior, der ehemalige Verteidigungsminister Frank Carlucci, der frühere
Außenminister James Baker, der einstige Chef der
Telekommunikationsbehörde FCC William Kennard, der frühere Haushaltchef
des Weißen Hauses Richard Darman und der Ex-Chef der US-Börsenaufsicht
Arthur Levitt gehören, zählte beispielsweise der frühere Premierminster
John Mayor als langjähriger Vorstand des europäischen Zweiges der Firma
zu den Nutznießern des Spekulationsbetriebes. Von deutscher Seite sind
als Helfer der Carlyle-Group der frühere BDI-Präsident Michael Rogowski
und der Expräsident der Bundesbank Karl Otto Poehl unterwegs.
Der Börsengang von QuinetiQ ist nahezu ein Musterbeispiel für den
Ausverkauf öffentlichen Eigentums. Zunächst wird ein Unternehmen
unterbewertet dem Markt ausgeliefert, um Investoren zu ködern. Zugleich
werden durch langfristige Garantien voluminöse Gewinne gesichert, die in
die Taschen internationaler Finanzspekulanten fließen und das Management
des betreffenden Unternehmens bereichern.
Im Gegensatz zu früheren Privatisierungsaktionen von Staatseigentum an
der Börse blieben Kleinaktionäre zunächst ausgeschlossen. Nach der
ersten Emission wurde Privatanlegern immerhin ein minimaler Anteil von
sechs Prozent eingeräumt. Das britische Verteidigungsministerium hält
nach umfangreichen Verkäufen inzwischen einen Anteil am Rüstungslabor
von 19,3 Prozent. Die Carlyle Group hat nach dem Verkauf von über 20
Prozent ihres Aktienbestandes einen Restanteil von 10,5 Prozent.
Charakteristisch an diesem Lehrstück jedoch ist der Aspekt, daß selbst
sicherheitsrelevante Domänen der hochtechnologischen Rüstungsforschung
wie QuinetiQ bedenkenlos unter den Hammer des internationaler
Finanzmarktes geraten.
* Aus: junge Welt, 27. Februar 2006
Auszüge aus dem erwähnten Artikel im Guardian:
(...)
One could argue that much of Qinetiq's value was added not by the brilliance of its directors, or even of its engineers and scientists, but by a huge contract with the Ministry of Defence, signed on the very day (February 28 2003) that Carlyle paid for its stake. The "Long-Term Partnering Agreement", under which Qinetiq manages the government's firing ranges, is worth £5.6bn over 25 years. In fact, with a contract such as this, any one of us could have bought that 31% stake without having to open our wallets: you could borrow the money, at cheap rates, against your guaranteed future income. Carlyle admits that it underwrote part of the capital by refinancing its revenues on the basis of the contract. The Guardian has also reported that Qinetiq might have left behind some potential liabilities during the flotation: the government may have to carry the costs of cleaning up some land it has been using.
To anyone who has studied the private finance initiative, this story - of guaranteed assets and reduced liabilities - will be familiar. Qinetiq's sale carries fewer public dangers than the part-privatisation of our schools, hospitals and whatever else remains of the public sector, as the potential liabilities are much smaller, and the impact of the possible misdrafting of the long-term contract less consequential. But it seems clear that these generous provisions fattened up the company for privatisation. As Lord Gilbert says: "The MoD was taken like a lamb to the slaughter."
(...)
So here we have a privatisation - the first full-scale privatisation Tony Blair's government has carried out - that has allowed a US investment company to walk off with hundreds of millions of pounds of free money, much of which will be tax exempt. It has been assisted by 25 years of guaranteed income from the government and the possible shedding of liabilities. It is overseen by a man who first came to public notice as a result of a defence procurement deal surrounded by controversy, and who now turns up as minister for defence procurement. Does anyone agree that this is a "good model for future privatisations"?
The Guardian, Tuesday February 14, 2006; (Greed of the highest order and the worst privatisation since rail. by George Monbiot)
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