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UN-Konferenz zur Begrenzung des internationalen Waffenhandels

Interview mit Jan Grebe in der NDR-Sendereihe "Streitkräfte und Strategien"

Bernd Musch-Borowska (Moderation):
In New York findet zurzeit eine internationale Konferenz dazu statt, die UN-Conference on the Arms Trade Treaty ATT. Bis zum 27. Juli wollen die Teilnehmer über einen rechtlich verbindlichen Vertrag zur Begrenzung des Handels mit konventionellen Waffen diskutieren. Denn auch wenn nach den jüngsten Zahlen, die das internationale Friedensforschungsinstitut SIPRI in Stockholm vorgelegt hat, die Militärausgaben weltweit stagnieren, auf hohem Niveau versteht sich, so blüht der Handel mit konventionellen Waffen wie nie zuvor.

Nach Schätzungen von Experten macht die Branche mit dem Verkauf von Handfeuerwaffen, Gewehren, Maschinengewehren und Munition in Krisen- und Konfliktgebiete einen Jahresumsatz von rund 300 Milliarden US-Dollar.

Einer dieser Experten ist Jan Grebe vom Bonn International Center for Conversion BICC, einem der großen deutschen Friedensforschungsinstitute.


Interview Musch-Borowska / Jan Grebe


Musch-Borowska: Welches sind denn die größten Waffenhändler bzw. Handelsnationen weltweit?

Grebe: Unangefochten an der Spitze der größten Waffenlieferanten stehen die USA, gefolgt von Russland und dann kommen einige europäische Staaten, wie etwa Deutschland, Frankreich und Großbritannien, die auch als große Exporteure auftreten und die Waffen in die gesamte Welt liefern.

Musch-Borowska: Und wo gehen all die Waffen hin? Wer sind die wichtigsten Empfänger?

Grebe: In Zeiten der Sparzwänge in den westlichen Staaten gehen hier die Abnahmen und die Käufe immer weiter zurück, sodass auch die Unternehmen sich auf andere Exportmärkte orientieren und dort finden wir große Abnehmer. Insbesondere im asiatischen Raum, aber auch im Nahen und Mittleren Osten sowie Lateinamerika, wo aufstrebende Schwellenländer immer mehr Waffen nachfragen und kaufen.

Musch-Borowska: Afrika ist möglicherweise auch eine Krisenregion in die viele Waffen gehen. Wo sind da die Schwerpunkte?

Grebe: In Afrika haben wir ein etwas anders gelagertes Problem. Dort sind es besonders die Klein- und Leichtwaffen, die kleinen Sturmgewehre, die dort große Probleme verursachen, die in Konflikten eingesetzt werden und weniger konventionelle Großwaffen. Viele Staaten verfügen nicht über Finanzmittel, um sich große Waffen, wie etwa Panzer oder U-Boote zu kaufen. Und aufgrund der anderen Konfliktlage sind dort Waffen anders verbreitet und andere Waffen finden dort den Weg in die Konfliktgebiete.

Musch-Borowska: Was für Waffen sind denn zurzeit die Kassenschlager im internationalen Waffenhandel?

Grebe: Wir können beobachten, dass viele der Schwellenländer, wie Brasilien, Indien, Südafrika oder auch China und andere Staaten wie Indonesien, wo die Kanzlerin jüngst war, nach großen konventionellen Waffen schauen, etwa Panzer, U-Boote, andere Schiffe, Fregatten, nach Kampflugzeugen. Alles große Waffen, die einen gewissen Prestigefaktor mit sich bringen und auch eingesetzt werden können in verschiedenen Konfliktarten, die wir in diesen Ländern sehen.

Musch-Borowska: Wenn Deutschland solche konventionelle Waffen exportiert, dann heißt es immer, es werde darauf geachtet, dass diese Waffen nicht „falsch“ eingesetzt würden. Lässt sich eigentlich kontrollieren, wie diese von Deutschland gelieferten Waffen verwendet werden? Also beispielsweise, ob die an Saudi-Arabien gelieferten Leo II Panzer irgendwann bei einem möglichen saudi-arabischen Frühling, nicht doch gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden?

Grebe: Das ist das große Problem von Rüstungslieferungen oder Kriegswaffenlieferungen. Man hat keine Kontrolle mehr über den tatsächlichen Einsatz dieser Waffen. Der Bundesregierung sind die Hände gebunden, wenn man denn kontrollieren will, wie und wann diese Waffen eingesetzt werden. Das obliegt letztendlich den souveränen Staaten, den souveränen Regionen in den Empfängerländern.

Musch-Borowska: Bis zum 27. Juli wird noch auf der UN-Konferenz in New York zur Begrenzung des Waffenhandels über einen möglichen Vertrag beraten. Was erwarten Sie von dieser Konferenz?

Grebe: Ich denke, dass dort ein positiver Abschluss gefunden wird. Es wird einen weltweiten Waffenhandelsvertrag geben. Wie dieser dann letztlich aussieht und gestrickt ist, bleibt noch offen aufgrund der Verhandlungen. Dennoch muss man sehen, dass es sich hier um einen Handelsvertrag handelt und nicht um einen Abrüstungsvertrag wie viele sich immer wünschen und vorstellen. Das heißt, dieser Vertrag wird letztlich – und das ist die große Hoffnung – zu mehr Transparenz führen und die Bundesregierung sieht auch in diesem Vertrag, die Möglichkeit dem Rüstungshandel mehr Legitimität zu geben, aber auch dass mehr Sicherheit durch mehr Transparenz und eben Legitimität entsteht. Ich glaube, dass es immer noch viele ungelöste Fragen gibt, die Reichweite des Vertrages über die Waffenkategorie, die dort auftauchen in diesem Vertrag und dass es einige Staaten gibt, die sich dagegen wehren, dass es dieser Vertrag in diesem Umfang umgesetzt wird. Und von daher bin ich verhalten optimistisch, dass man einen starken und robusten weltweiten Waffenhandelsvertrag am Ende des Monats sieht.

* Aus: NDR Info Das Forum, STREITKRÄFTE UND STRATEGIEN, 16.07.2012; www.ndrinfo.de


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