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Rüstungsexportbericht? Die Kontrolleure müssen warten

Die Bundesregierung lässt sich Zeit und den Parlamentariern somit keine Chance zu schnellem Reagieren

Von René Heilig *

In den letzten Jahren konnte man sich darauf verlassen - kurz bevor die Weihnachtsbäume friedlichen Kerzenschein über das Land ergossen, kam der regierungsoffizielle Rüstungsexportbericht (des Vorjahres) auf den parlamentarischen Tisch. Diesmal steht der von 2008 noch immer aus.

Die schwarz-gelbe Bundesregierung geht bisweilen neue Wege. Oder Umwege? Schließlich ist es nicht nachvollziehbar, warum der offizielle deutsche Rüstungsexportbericht für das Jahr 2008 noch immer nicht veröffentlicht ist. Aus dem zuständigen, nun FDP-regierten Wirtschaftsministerium hört man, dass die Abgeordneten des Bundestages und die restliche Öffentlichkeit wohl noch bis Ende Januar warten müssen, bis ihnen der Bericht vorgelegt wird. Woran das liegt, ist schwer nachvollziehbar, schließlich handelt es sich doch nur um reine Statistik. Die jedoch - glaubt man der neuen Bundesregierung - »umfangreiches Zahlenmaterial« enthält, dessen »Aufarbeitung und Prüfung ... mit einem erheblichen Zeitaufwand« verbunden ist. Und gleiches treffe auf die »Bewertung durch die Bundesregierung« zu.

Den Abgeordneten - zumindest denen der Linksfraktion - kommt es weniger auf die Bewertung durch die Bundesregierung als viel mehr auf aussagefähige Fakten an. Darauf, dass festgestellt wird, wer was wohin tatsächlich exportiert und ob die Lieferungen im Einklang stehen mit dem EU-Kodex für Waffenexporte. Auch die »politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgüter« sollten berücksichtigt werden. Transparenz ist zudem wichtig, weil der Bund traditionell Hermes-Bürgschaften - also Steuergelder - anbietet, um solche Rüstungsexporte abzusichern.

Um den offensichtlichen Mangel an Offenheit im Rüstungsexportbereich beheben zu helfen, fragten Paul Schäfer, Jan van Aken, Annette Groth und andere Abgeordnete nach. Viel Mühe, wenig Gewinn.

Tatsache ist, dass die Bundesrepublik Deutschland mit - aktuell - über acht Milliarden Euro zu den größten Rüstungsexportnationen der Welt gehört. Deutschland exportiert - widerrechtlich - auch in Spannungsgebiete. Pakistan ist eine bevorzugte Lieferadresse. Mehr als 2500 Exportlizenzen im Wert von rund einer Milliarde Euro wurden 2008 für Geschäfte mit Ländern erteilt, die laut EU-Dokumenten als problematisch gewertet werden müssen. Darunter sind über 40 Staaten, in denen die Menschenrechtssituation bedenklich ist. In 24 Empfängerländern registrieren UNO und EU gewaltsame Konflikte. Bei den aufgelisteten Exporten handelt es sich keineswegs immer um komplette Waffensysteme. Zulieferungen und sogenannte Dual-use-Geschäfte sind »normal«. Und wie hoch der Anteil sogenannter Sammelausfuhrgenehmigungen ist - Kooperationsgeschäfte, an denen andere Partner beteiligt sind -, kann die Bundesregierung angeblich nicht exakt aufschlüsseln.

Die vergangene schwarz-rote Bundesregierung hat 2008 Rüstungsexporte im Wert von 5,8 Milliarden Euro genehmigt. Das ist im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 36,5 Prozent. Diese Zahlen und Aussagen stammen von Experten der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung, die seit 19 Jahren verlässlich im Dezember einen Rüstungsexportbericht vorlegen. Sie nutzen dazu jene Daten, die die Bundesregierung termingerecht - also bereits zur Sommerzeit - an die UNO, die OSZE und die entsprechenden Gremien der EU liefert. Und die folglich auch an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages geschickt werden könnten. Dass dies nicht geschieht, kann man durchaus als »Wertschätzung« deutscher Abgeordnetentätigkeit verstehen.

Die jüngste Verzögerung mag jedoch noch einen weiteren Grund haben. Den findet man in der Koalitionsvereinbarung zwischen Union und FDP, meint der Sicherheitsexperte Otfried Nassauer vom Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit. Künftig werde der Außenwirtschaftsförderung mehr Vorrang vor der Exportkontrolle eingeräumt. Man will das Außenwirtschaftsrecht und die Außenwirtschaftsverordnung »entschlacken« und Vorschriften streichen, die deutsche Exporteure gegenüber EU-Konkurrenten benachteiligen.

Die Richtung ist klar: Bisherige Beschränkungen beim Export von Mordwerkzeug sollen fallen. Dabei würde die Neugier der Öffentlichkeit nur stören.

* Aus: Neues Deutschland, 5. Januar 2010


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