Scharping und Bundeswehr schnüren Rüstungsbeschaffungspaket
Alle wichtigen Großprojekte sollen realisiert werden
Die Süddeutsche Zeitung berichtete am 17.08.2000 von einer Bundeswehr-Klausur mit Verteidigungsminister Scharping, über die Stillschweigen vereinbart war. Dabei ging es um die Umsetzung der wichtigsten Beschaffungsvorhaben für die Bundeswehr. Wenn nicht alles trügt, hält die Bundesregierung nicht nur an den alten, von der Kohl-Regierung in Gang gesetzten Rüstungsprojkten fest, sie wird auch Mittel und Wege wissen, sie finanziell durchzusetzen.
Aufrüsten in Zeiten der Schrumpfung
Militär und Ministerium ringen um die Realisierung von 75 Milliarden Mark teuren Projekten
Noch tingelt Verteidigungsminister Rudolf Scharping sommerlich-leger durch die Truppe, doch die Zeit der Urlaubsfrische ist auch in seinem Ministerium spätestens seit Montag vorbei. Wenig beobachtet von der Öffentlichkeit hat sich die Spitze des Hauses zu einer Rüstungsklausur zurückgezogen, die über die gesamte Woche gehen und ihren Höhepunkt am kommenden Freitag finden wird. Es geht um alle großen Rüstungsprojekte der Bundeswehr in Zeiten eines schrumpfenden Etats und einer Strukturreform, die schnell vorangetrieben wird. Projekte, die sich leicht auf 75 Milliarden Mark summieren, liegen da auf dem Tisch. Und nicht zuletzt geht es auch um eine erste Kraftprobe für den neuen Generalinspekteur Harald Kujat.
Über der Veranstaltung ist strenges Stillschweigen verhängt. Sonst werde die Luft schnell "eisenhaltig", rechtfertigen sich Teilnehmer. So viel ist aber zu sagen: Zunächst unter der Leitung von Staatssekretär Walther Stützle kommen bis zu 60 Vertreter der politischen und militärischen Spitze des Hauses zusammen, Montag und Dienstag wurde in Berlin, Mittwoch und Donnerstag in Bonn konferiert. Der D-Day, an dem Scharping wieder ins Geschehen eingreifen wird, beginnt am Freitag wieder in Berlin .
Bis dahin finden Computersimulationen statt: 9,1 Milliarden Mark an investiven Mitteln stehen im Haushalt 2001 zur Verfügung. Frage: Wie werden diese am sinnvollsten auf die Projekte verteilt, und wie geht das in den Folgejahren weiter? Der Computer schluckt die verschiedenen Zahlenkolonnen und spuckt dann Balkendiagramme aus.
Der größte Brocken ist dabei das europäische Großflugzeug A400 M, für das der operative Bedarf auf 75 Stück festgelegt ist, wozu aber noch keine einzige Kostenzahl im Haushalt von 2001 zu finden ist. Schwer zu Buche schlagen darüber hinaus nach wie vor der Eurofighter, der geplante Kampfhubschrauber Tiger (6 Milliarden Mark), der Nato-Hubschrauber NH-90 (7 Milliarden Mark) und das neue gepanzerte Transportfahrzeug GTK (bis zu 8 Milliarden Mark). Bei der Marine stehen mit der Korvette K 130 und der Fregatte 124 Kosten von insgesamt 10 Milliarden Mark an. Dagegen nimmt sich die geplante raumgestützte Aufklärung mit etwa einer halben Milliarde Mark noch vergleichsweise günstig aus.
Bei der Klausur wird es also ein Hauen und Stechen geben, bei dem sich auch erweisen muss, ob der neue Generalinspekteur eine Planung gegen die Einzelinteressen von Heer, Marine und Luftwaffe bewerkstelligen kann. "Die Prioritäten der Ausrüstungsplanung liegen in der Realisierung der funktionalen Fähigkeiten im multinationalen, streitkräftegemeinsamen und TSK-spezifischen Systemverbund", schreibt er dazu in seiner jüngsten "Weisung zur Ausplanung der Streitkräfte der Zukunft", die als "WASK" seither durch die Gänge des Ministeriums hallt. Vorgegeben hat Kujat auch: "Material und Ausrüstung der Einsatzkräfte haben Priorität vor der Modernisierung der übrigen Streitkräftekategorien". Im übrigen hat er in einem Interview rechtzeitig kundgetan: "Es kommt alles auf den Prüfstand." Und: "Ein Schieben und Strecken wird es nicht geben." Daran wird er sich messen lassen müssen.
Christoph Schwennicke
Aus: SZ, 17.08.2000
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