Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Ein Gewinn für den Frieden in der Welt und für Bonn"

Internationales Konversionszentrum Bonn als Partner im Jahr 2004 - Gemeinsame Presseerklärung der Stadt Bonn und BICC

Im Folgenden dokumentieren wir eine Presseerklärung, die u.a. die fruchtbare Kooperation zwischen Wissenschaft und politischer Öffentlichkeit unterstreicht. Das Internationale Konversionszentrum Bonn ist ein gutes Beispiel für die von der Friedens- und Konfliktforschung reklamierte gesellschaftspolitische Verantwortung der Wissenschaft.
Außerdem dokumentieren wir noch einen Auszug aus einem Artikel von Joachim Gerhardt, der ebenfalls aus Anlass des kleinen Jubiläums im August 2004 erschien Fischreiher statt Kalaschnikows.



Gemeinsame Presseerklärung der Stadt Bonn und BICC

10 Jahre BICC: Ein Gewinn für den Frieden in der Welt und für Bonn Stadt und BICC - Internationales Konversionszentrum Bonn als Partner im Jahr 2004

Ihre Tradition, mit in Bonn ansässigen internationalen Einrichtungen Partnerschaften für ein Jahr einzugehen, setzt die Stadt 2004 mit dem BICC, dem Internationalen Konversionszentrum Bonn fort. Das 1994 gegründete Zentrum hat die Umwandlung militärischer Ressourcen in zivile Nutzung zum Ziel, sei es die Bekämpfung der weltweiten Flut von Kleinwaffen, sei es bei der Verwendung ehemaliger Kasernen. Und immer stärker ist auch die Prävention von Konflikten in das Blickfeld gerückt, ohne die es keine Sicherheit und damit keine Entwicklung gibt.

"Wenn unsere Welt in Zukunft etwas friedlicher wird, was inständig zu hoffen ist, dann hat auch das BICC seinen Beitrag dazu geleistet - von der UNO-Stadt Bonn aus. Darauf sind wir stolz", sagte Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann zu Beginn des Partnerschaftsjahres. "Wir möchten der Institution mehr öffentliche Aufmerksamkeit verschaffen und gleichzeitig auf das Netzwerk wichtiger international tätiger Einrichtungen in Bonn hinweisen", erläuterte sie die Zielsetzung der Kooperation, die unter Anderem auf 1,4 Millionen städtischer Briefbögen ihren Ausdruck findet.

BICC passe ganz besonders gut in unsere Stadt, so Frau Dieckmann. Es leiste ebenso Beiträge zur Wissenschaftsstadt Bonn wie auch zur internationalen Stadt und zur Stadt der weltweiten Zusammenarbeit auf den Gebieten Entwicklung und Umwelt. "BICC ist als wichtiges Element der Bonner "internationalen Familie" nicht mehr wegzudenken."

Vom internationalen Renommee der Partnerinstitutionen profitiert natürlich auch Bonn, zumal sich die Stadt nicht nur als "Sitzstadt" begreift, sondern auch inhaltliche Beiträge leisten will, wo das möglich ist. Frau Dieckmann: "Wir können dabei auf vielfältige Weise zeigen, dass Bonn als Ausgangspunkt internationaler Aktivitäten immer mehr Bedeutung gewinnt. Wir können deutlich machen, welches Netzwerk für die internationale Zusammenarbeit in den Bereichen Entwicklung und Umwelt hier entstanden ist. Kurz, wir können dokumentieren, dass Bonns Anspruch als "Zentrum für internationale Zusammenarbeit" mehr ist als ein Etikett."

Die Stadt bietet BICC verschiedenste Foren, um ihre Arbeit zu präsentieren: Ob Tag der offenen Tür im Rathaus (3. Juli) oder Begegnungsfest in der Rheinaue (4. September), ob das bereits traditionelle UNO-Gespräch - BICC wird nicht nur Fachleuten Rede und Antwort stehen, sondern sich den Bürgerinnen und Bürgern vorstellen. Das aktuelle Programm findet sich unter www.bicc.de und www.bonn.de. Eine UNO-Konferenz über Konversion als Chance für Entwicklung und Umwelt stand 1992 am Anfang. Der Gedanke, ein internationales Forschungs- und Beratungszentrum zu allen Fragen von Abrüstung und Konversion einzurichten, fiel beim Land Nordrhein-Westfalen auf fruchtbaren Boden. 1994 war es dann soweit: Das weltweit einzigartige Bonn International Center for Conversion nahm seine Arbeit auf. Die Schirmherren waren Kofi Annan, damals noch stellvertretender Generalsekretär der Vereinten Nationen, und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Johannes Rau, der nun als Bundespräsident zur Feier des 10-jährigen Bestehens von BICC am 2. April 2004 nach Bonn kommt.

Es ist inzwischen eine gute Tradition, dass die Stadt mit hier ansässigen internationalen Einrichtungen für ein Jahr eine Partnerschaft eingeht: Im Jahr 2000 machte UNICEF den Anfang, 2001 war es aus Anlass des Internationalen Jahres des Ehrenamtes das Freiwilligenprogramm der Vereinten Nationen UNV, 2002 folgte die Deutsche Welthungerhilfe, die ihr 40-jähriges Bestehen feierte, und 2003 konnte auch der Deutsche Entwicklungsdienst auf vier Jahrzehnte erfolgreiche Arbeit zurückblicken. Und 2004 nun also BICC.

"Obwohl erst zehn Jahre alt ist das BICC - gegründet als 'Endprodukt des Kalten Krieges' - mit seinen Aufgaben gewachsen", erläutert Peter Croll, Geschäftsführer des BICC. Vor zehn Jahren war der Bedarf an Konversion, also der Umwandlung von ehemals militärischen Ressourcen in zivile, in vielen Ländern enorm. Hier setzte damals die Arbeit des BICC an. Im Auftrag der Landesregierung beriet es Kommunen bei der Konversion von Liegenschaften. Im Auftrag von Bundesministerien und internationalen Institutionen wie der EU und der NATO erforschte und dokumentierte es Abrüstungsschritte.

Der gesellschaftliche Auftrag zu forschen, zu beraten und die Ergebnisse zu veröffentlichen ist geblieben. Und auch die Auftraggeber - nationale und internationale Institutionen, Regierungsstellen und Nicht-Regierungsorganisationen sind dem BICC treu geblieben.

Aber es sind neue Herausforderungen hinzugekommen, die "präventive", also vorsorgende Konversion notwendig machen. Afghanistan, Irak, Angola, Ruanda, Kolumbien - in den letzten Jahren ist die Zahl der bewaffneten Konflikte und Kriege gewachsen. Durch gewaltsame Auseinandersetzungen werden Entwicklungsanstrengungen zunichte gemacht und die menschliche Sicherheit bedroht. Dringend gesucht werden vorsorgende Mechanismen zur Konfliktlösung. Wie ist die "Ökonomie" von Konflikten, welche Rolle spielt die Verteilung natürlicher Ressourcen wie Wasser, wer sind die Profiteure? Auch mit solchen Fragen beschäftigt sich das BICC heute.

Stichwort "Kleinwaffen": mehr als 600 Millionen solcher Waffen bedrohen weltweit die Sicherheit der Menschen - ob am Horn von Afrika, in Albanien und Mazedonien, in Afghanistan und im Irak. Das BICC beriet Abrüstungs- und Einsammlungsprogramme vor Ort. Bei den UN-Kleinwaffenkonferenzen in New York 2001 und 2003 richtete es im Auftrag der Bundesregierung Workshops zur Kleinwaffenkontrolle aus. Die Entwicklungszusammenarbeit kann Ländern, die Unterstützung bei der Kleinwaffenkontrolle benötigen, insbesondere durch den Aufbau von Kapazitäten vor Ort (capacity building) Hilfestellung leisten. Für das Bundesministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) und in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen wird das BICC deshalb in den nächsten Jahren Aus- und Weiterbildungsprogramme entwickeln.

Stichwort Reform der Sicherheit: Viele Länder befinden sich in einer Grauzone zwischen Krieg und Frieden, Prozesse des schleichenden oder offenen Staatszerfalls finden statt. Wie können Sicherheitskräfte qualifiziert und wie die Zivilgesellschaft gestärkt werden? Das BICC untersucht diesen Prozess beispielsweise in Afghanistan.

"Ohne präventive Konversion keine Sicherheit, ohne Sicherheit keine Entwicklung. Konversion ist stärker denn je gefordert, um ein höheres Maß an menschlicher Sicherheit zu erreichen", zieht Croll das Fazit der Arbeit des BICC. "Wir sind stolz darauf, anlässlich unseres 10. Gründungsjubiläums Partner der Stadt Bonn zu sein. Für uns ist das ein Ansporn unsere Devise "streng öffentlich" mit zahlreichen Veranstaltungen und auch einem 'Tag der Offenen Tür' für die Bonner Bürgerinnen und Bürger umzusetzen", erklärt Croll. Insbesondere will das BICC das Jahr 2004 dazu nutzen gemeinsam mit anderen Friedens- und Konfliktforschungs- sowie Entwicklungsorganisationen über das Thema "menschliche Sicherheit" nachzudenken und Beiträge zur Lösung der brennenden Probleme zu suchen.

Herausgeber: Die Oberbürgermeisterin der Bundesstadt Bonn, Presseamt, Stadthaus, Berliner Platz 2, 53103 Bonn
Internet: http://www.bonn.de

Redaktion: Friedel Frechen (verantwortlich), Dr. Monika Hörig, Monika Frömbgen, Thomas Böckeler, Elke Palm, Jürgen Winterwerp
in Zusammenarbeit mit BICC.


Kontakt zum BICC: www.bicc.de




Joachim Gerhardt*

Fischreiher statt Kalaschnikows

Zehn Jahre Internationales Konversionszentrum Bonn (BICC)
(Auszug)

Der Traum ist fast so alt wie die Menschheitsgeschichte: "Schwerter werden zu Flugscharen". So stand es programmatisch auf den Fahnen der Friedensbewegung in den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts, so steht es seit jeher in der Bibel. Doch was dort eine prophetische Vision ist, wird in Mozambique bereits Alltag. Nur sind die Flugscharen Fischreiher und die Schwerter Kalaschnikows. "Arms into Art" heißt das Projekt im Volksmund, in dem Kleinwaffen wie sie zu Abertausenden durch das südostafrikanische Land vagabundieren, eingesammelt und zu Kunstwerken umgebaut werden. Zum Beispiel zu eben jenem stählernen Fischreiher, der auf kunstvolle Weise sein Gefieder aus dem ehemaligen Kolben und seinen Schnabel aus der Mündung der einst tödlichen Waffe bezogen hat. Jetzt ist dieses Ungetüm vielleicht fünfzig Zentimeter groß, steht friedlich lächelnd im Raum und hätte es alle mal verdient, in einem ambitionierten Designermuseum ausgestellt zu stehen.

Die Künstler wissen mit ihrem Gegenstand umzugehen. Vor wenigen Wochen haben viele noch selbst die vernichtende Wirkung ihrer Waffe genutzt. Sie waren Teil kleiner paramilitärischer Einheiten, die das Land seit Jahrzehnten so unsicher machen. Mit jedem Fischreiher und ähnlich kunstvollen Gebilden wird es nun gewaltfreier und sicherer im Südosten Afrikas. (...)

Das Kunst-Projekt ist eines von 40 Projekten, die derzeit vom BICC, dem Internationalen Konversionszentrum Bonn, begleitet werden. Die Überführung von ehemals militärisch genutzten Potenzialen zu zivilen Aufgaben hat sich das weltweit in dieser Form einzigartige Forschungsinstitut auf die Fahnen geschrieben.
(...)
Was ohne Beratung schief gehen kann, hat Projektleiter Andreas Heinemann-Grüder im Kosovo in Folge der Entwaffnung der albanischen UCK erlebt. Dort hätten von der EU beauftragte Umschulungsfirmen ehemalige Kämpfer zu Kraftfahrzeugmechanikern ausgebildet. An und für sich verdienstvoll, "aber nachher stand an jeder Ecke eine Reparaturwerkstatt, nur ohne Kunden und Autos". Der "post-militärische Prozess" sei sehr sensibel, erläutert Heinemann-Grüder. Auch wer einfach nur Waffen einkassiere, bringe nicht automatisch den Frieden. Denn in vielen Ländern seien der Besitz und die Anwendung von Waffen für Menschen die einzige Chance, für die persönliche Sicherheit zu sorgen. Auch hätten Beispiele in Westafrika gezeigt, dass Kämpfer sich mit dem Geld für die abgegebenen Waffen gleich neue, nur modernere gekauft hätten.

Erfolgversprechender ist da ein von BICC begleitetes Projekt in Albanien gelaufen: Als Prämie dafür, dass sich ein Dorf für "kleinwaffenfrei" erklärt habe, sei von den Vereinten Nationen eine Schule gebaut worden. So hätte zwar keiner für das Abgeben der Waffen Geld gesehen, aber alle würden profitieren. Die Reduzierung von Kleinwaffen ist ein Kernanliegen von BICC. Fast 640 Millionen solcher Waffen bedrohen laut Susanne Heinke die Sicherheit der Menschen, sei es am Horn von Afrika, im Kosovo, in Albanien, in Mazedonien, in Afghanistan oder dem Irak. Für das Entwicklungshilfeministerium werde BICC deshalb in Zusammenarbeit mit der UN in den nächsten Jahren Aus- und Weiterbildungsprogramme für Abrüstung und eine bessere Kontrolle von Kleinwaffenbesitz entwickeln.

Deutschland sieht Heinke hier in einer besonderen Verantwortung. Denn das deutsche G-3, seit den 60er-Jahren in zahlreichen Ländern in Lizenz produziert, sei nach der russischen Kalaschnikow und der israelischen Uzi weltweit das meistvertriebene Sturmgewehr. Sieben Millionen Stück seien derzeit im Umlauf, die meisten nicht unter staatlicher, schon gar unter nicht rechtsstaatlicher Kontrolle. "Viele Länder befinden sich in einer Grauzone zwischen Krieg und Frieden", sagt Andreas Heinemann-Grüder. Um so dringlicher sei es darum, Sicherheitskräfte zu qualifizieren und die Zivilgesellschaft zu stärken. "Ohne präventive Konversion gibt es auf Dauer keine Sicherheit, ohne Sicherheit keine friedliche Entwicklung." (...)

* Joachim Gerhardt arbeitet als freier Journalist in Bonn.

Der Artikel von J. Gerhardt erschien in der Zeitschrift "Das Parlament", 23. August 2004



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