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Geschenk zum Abschied

Vergangene Woche unterzeichneten Bush und Blair Vereinbarung zur Liberalisierung der Rüstungsexporte. USA und Großbritannien bleiben größte Waffendealer der Welt

Von Dago Langhans *

Großbritannien ist nicht nur der Staat mit dem weltweit zweithöchsten Rüstungsetat: Dem aktuellen Jahresbericht des International Institute for Strategic Studies zufolge ist die Insel auch zweitgrößter globaler Waffenexporteur. Im vergangenen Jahr habe die britische Regierung die Ausfuhr militärischer Sachgüter und Dienstleistungen im Wert von umgerechnet 66 Milliarden Euro genehmigt, so die rüstungskritische Nichtregierungsorganisation (NGO) Saferworld. Deren kürzlich veröffentlichete Untersuchung unter dem Titel »The Good, the Bad and the Ugly« (die Guten, die Bösen und die Häßlichen) kritisiert vor allem, daß die britische Verpflichtung zu einer Exportpolitik mit »ethischen Dimensionen« in der Praxis beständig unterlaufen werde. Überraschend ist das nicht.

Blairs Liebling

Ex-New-Labour-Chef Tony Blair hat aus seiner Zuneigung zum Militärisch-Industriellen-Komplex nie ein Hehl gemacht. Drei Monate vor seiner Wahl zum Premier 1997 hatte Blair bereits dem größten europäischen Rüstungskonzern British Aeorospace, dem heutigen BAE Systems, gehuldigt. In der internen Hauspostille des Konzerns versicherte Blair damals, zur »Sicherung von Arbeitsplätzen« setze seine zukünftige Regierung auf Waffenhandel und eine »starke Verteidigungsindustrie«. Diese Versprechen hat der vielen Briten als notorischer Lügner (Spitzname »Bliar«) geltende Regierungschef immerhin eingehalten. Allerdings nicht, ohne seinem Spitznamen alle Ehre zu machen.

Rüstungsausfuhren in Konfliktregionen und Länder, in denen Menschenrechtsverletzungen nachweisbar und alltäglich sind, seien laut Saferworld unvereinbar mit den 2002 durch die New-Labour-Regierung beschlossenen Ausfuhrrichtlinien. Dennoch hätte das »gute« Britannien in den vergangenen vier Jahren Rüstungsexporte in 19 von 20 Staaten genehmigt, die vom eigenen Außenministerium als »bedenklich« eingestuft werden, darunter Kolumbien und Israel. Abgesehen von Lieferungen an »Schurkenstaaten« wie den Iran würden diese Kriterien jedoch nicht angewandt, so Saferworld, sondern britischen Rüstungsproduzenten nach einer allgemeinen Vorprüfung umfangreiche Ausfuhrgenehmigungen erteilt. Die NGO fordert deshalb einen transparenten, wirksamen Ausbau tatsächlicher Kontrollmechanismen, die die Lizenzproduktion britischer Waffen im Ausland und Vermittlungsgeschäfte im Ausland ansässiger britischer Waffenhändler umfassen. Zugleich sollte dem Parlament auch ein Überblick verschafft werden, wo britische Waffen überall eingesetzt werden.

Letztlich ist Rüstungsproduktion wichtiger als Exportkontrolle. Quasi als politisches Abschiedsgeschenk für Blair hat dessen transatlantischer Pate George W. Bush am Donnerstag per Videokonferenz ein Rüstungsexportabkommen unterzeichnet. Die Vereinbarung wird den Austausch von Rüstungsgütern über den Atlantik zwischen beiden Staaten vereinfachen und beschleunigen. US-Rüstungsgiganten wie Lockheed Martin, Boeing, General Dynamics und Co. hatten lange die umständliche Praxis von Ausfuhrgenehmigungen bemängelt.

Lizenz zum Profitmachen

Insbesondere das milliardenschwere Entwicklungsprogramm des neuen Kampfflugzeugs F-35 dürfte von den Exportliberalisierungen profitieren. Gemeinsam mit Lockheed und Northrop Grumman entwickelt BAE Systems das US-Kampflugzeug der kommenden Generation, den sogenannten Joint Strike Fighter. Je nach Ausstattung wird der Jet zwischen 28 und 38 Millionen US-Dollar pro Stück kosten. Bei einer Gesamtbestellmenge von bislang knapp 3200 Flugzeugen dürfte der erwartete Umsatz bei mehr als 110 Milliarden US-Dollar liegen und die Kassen der beteiligten Waffenkonzerne kräftig klingeln lassen. Vergangene Woche stimmte der US-Kongreßausschuß zur Kontrolle von Auslandsinvestitionen der Übernahme des US-Produzenten ARMOR-Holding durch BAE zu. Der Ausschuß tat dies, obwohl das Washingtoner Justizministerium derzeit die Ausfuhrpraxis des britischen Rüstungsgiganten unter die Lupe nimmt (siehe jW vom 11. und 26. Mai). Mit dem Aufkauf des Humvee-Herstellers (High Mobility Multipurpose Wheeles Vehicle – oder »Hummel«) wird BAE seine Stellung im nordamerikanischen Rüstungsgeschäft weiter ausbauen. Bereits jetzt generiert BAE 40 Prozent seines Umsatzes durch Geschäfte mit dem Pentagon.

Das zwischen Blair und Bush unterzeichnete Abkommen wird von Industriekreisen einhellig befürwortet. Es bekräftige die besonderen Beziehungen zwischen Großbritannien und den USA, die als enge Verbündete den »Krieg gegen den Terror« vorantrieben, so der Tenor. Britanniens Kriegsminister Lord Drayson pries die Vereinbarung zudem als »wirklichen Durchbruch«. Auch wenn genauere Details noch ausgehandelt werden müssen, dient das Abkommen im Entwicklungsbereich unter anderem dem ungehinderten Erfahrungs- und Personalaustausch von Rüstungsexperten zwischen den USA und Großbritannien. Operativ dürften eine notwendige Standardisierung von Waffentechnologien zwischen den Alliierten vorangebracht und der Export von dringend benötigten Rüstungsgütern aus den USA beschleunigt werden.

Das Popularitätstief der New-Labour-Regierung ist eng mit deren Militarismus verknüpft. Gegen den Sonderparteitag der britischen Spezialdemokraten am Sonntag, auf dem Blair-Nachfolger Gordon Brown zunächst Parteichef gekürt wurde, protestierten 7000 Kriegsgegner unter der zentralen Parole »Truppen raus aus dem Irak«. Bisher sind im »Krieg gegen den Terror« 152 britische Soldaten gefallen. Bei Blairs geplantem Auszug aus der Downing Street am Mittwoch wollen britische Friedensaktivisten ebenfalls zu Tausenden demonstrieren.

* Aus: junge Welt, 26.06.2007


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