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Kriegswirtschaft boomt

US-Militärhaushalt wächst weiter und verschärft desolate Haushaltslage. Börsenindex der Rüstungskonzerne auf Rekordstand

Von Dago Langhans *

Der »Krieg gegen den Terror« wird für die Vereinigten Staaten teuer. Nach neuesten Untersuchungen der Analyseabteilung des US-Kongresses (Congressional Research Service) übersteigen die absehbaren Kosten inzwischen alle bisherigen Planungen. Für den Haushalt 2008 erwartet die Bush-Regierung eine zusätzliche Aufstockung des Budgets um 141 Milliarden US-Dollar. Amy Belasco, Beraterin im Repräsentantenhaus, warnte unlängst: »Wenn der Kongreß diesen Anforderungen zustimmt, erreichen die Gesamtausgaben für Irak 567 und für Afghanistan 157 Milliarden US-Dollar.« Die ohnehin angespannte Haushaltslage in den USA nimmt durch erneute zusätzliche Milliardenforderungen desaströse Züge an.

Börsenwetter

Der Staat ist bis über die Ohren verschuldet, die Kriegswirtschaft profitiert jedoch kräftig. Interessant ist ein vergleichender Blick auf die Wirtschaftsdaten von börsennotierten Unternehmen unterschiedlicher Sparten. Trotz aller Krisenszenarien möchte die spekulierende Finanzkaste verläßliche Angaben für aktuelle und zukünftige Geschäfte. Dafür gibt es eine ganze Reihe von Instrumenten, wie die Idizes der Wertpapierhändler. Der US-Börsenindex S&P 500 der US-Rating­agentur Standard & Poor's listet 400 Industrieaktien, 40 Versorgerwerte, 20 Aktien von Verkehrsunternehmen und 40 Aktien von Finanzfirmen, die alle an der Wall Street notiert sind. In seiner Breite bildet der S&P 500 die Kapitalentwicklung genauer ab als der Leitindex Dow-Jones, der die Wertpapiere von 65 Superkonzernen betrachtet. Die neuesten Angaben zu den Indizes finden sich an prominenter Stelle in der Presse und werden meist vor den Wetterprognosen in Radio und Fernsehen verkündet. Kaum bekannt ist allerdings der 2004 eingerichtete SPADE Defense Index.

Scott Sacknoff, Firmenchef bei SPADE, erklärte dem Branchendienst SecurityStockWatch unlängst: »Wenn man bedenkt, daß der Markt für Rüstung, innere Sicherheit und Weltraum­industrie einer der wichtigsten Bereiche der US-Wirtschaft ist und insgesamt eine halbe Billion Dollar an direkter Wirtschaftsleistung generiert, kam es uns seltsam vor, daß ein Index, der die Wertentwicklung dieses Gesamtsektors prüft und darstellt, nicht vorhanden war.«

Auf der SPADE-Website heißt es: »Der SPADE Defense Index (AMEX: DXS) ist ein modifizierter kapitalisierungsgewichteter Index aus Aktien börsengehandelter Unternehmen, der die Performance von Unternehmen bewertet, die mit Rüstung, innerer Sicherheit und Weltraumtechnik verknüpft sind. Der Index listet gegenwärtig aus 56 Firmen mit entsprechenden Geschäftsaktivitäten im Produktionsbereich von Kriegsschiffen, Militärflugzeugen, Raketen und Munition, Systemen zur Verbesserung der Schlachtfeldtransparenz, vernetzter elektronischer Kriegsführung, innerer Sicherheit inklusive der Grenzsicherung, biometrischer und anderer Erfassungssysteme, Weltraum- und Satellitensystemen.«

Durch den politischen Trend zu einer anhaltenden Kriegsökonomie ist die Einrichtung neuer Bewertungsanzeiger speziell dieses Industriesegments notwendig geworden. Die Anleger möchten wissen, ob ihre Strategien ausreichend Geld abwerfen.

Sacknoff besitzt als Präsident von SPADE die notwendige Markterfahrung, um den neuen Kennzifferapparat zu verwalten. Er ist zugleich Manager beim Lobbyverband International Space and Business Council (ISBC), der nicht ganz zufällig in der Nähe des weltgrößten Rüstungsproduzenten Lockheed Martin in Bethesda, US-Bundesstaat Maryland angesiedelt ist, kaum 20 Kilometer vom Pentagon entfernt.

Enorme Steigerung

Zu den wichtigsten Kunden von ISBC gehören sowohl Rüstungskonzerne wie Raytheon, Hughes Space&Communication und ITT, aber auch staatliche Einrichtungen wie die NASA oder die italienische Weltraumbehörde. Industrie-, Anlageberatung und Marktanalysen stehen bei diesen Auftraggebern ebenso hoch im Kurs wie erfolgreiches Lobbying bei den sogenannten »Entscheidungsträgern«. So wundert es auch nicht, wenn Sacknoff inzwischen überlegt, in Absprache mit den Finanzgiganten an der Wall Street eine eigene Indexanleihe, angelehnt an den SPADE-Index aufzulegen. Mit diesen Optionsscheinen kann dann gleich auf das Auf und Ab der Gesamtentwicklung der Rüstungsindustrie spekuliert werden. Gegenwärtig scheint für Investoren und Waffenkonzerne dank der Kriege ein Allzeit-hoch zu herrschen. Wie der SPADE-Investorenbrief in seiner aktuellen Juliausgabe vorrechnet, hat der Rüstungsindex den Allgemeinindex Standard & Poor 500 um das Zweieinhalbfache im letzten Jahr übertroffen. Der S&P 500 brachte es auf ein Plus von 9,5 Prozent, die von SPADE ausgesuchten Rüstungswerte kletterten jedoch um 26,7 Prozent. Im Zeitraum von 2000 bis 2006 erreichten die im SPADE Defense Index gesammelten Aktienwerte einen Zuwachs von 113,86 Prozent, gegenüber einem Verlust von 3,47 Prozent bei den Standardwerten des S&P 500. Nicht nur marxistische Militärkritiker interpretieren diese gegenläufigen Entwicklungen als deutliche Zeichen für den anhaltenden Niedergang eines Machtimperiums, das sich bei der Beherrschung des Globus überhoben hat.

* Aus: junge Welt, 31. Juli 2007


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