Ohrfeige für DaimlerChrysler-Bosse in der Hauptversammlung 2005
19.838.000 Stimmen gegen die Entlastung des Vorstands - Auch Rüstungsproduktion in der Kritik
Im Folgenden dokumentieren wir einen Beitrag der "Kritischen Aktionäre" bei DaimlerChrysler über die diesjährige Hauptversammlung des Konzerns am 6. April 2005 in Berlin. Den Auszug aus der Rede von Jürgen Grässlin (siehe Kasten) haben wir dessen Homepage entnommen: www.juergengraesslin.com.
Ohrfeige für DaimlerChrysler-Bosse in der Hauptversammlung 2005
Hilmar Kopper geriet ins Stottern, als er am 06. April 2005 im Berliner ICC kurz nach
21.00 Uhr die Abstimmungsergebnisse der DaimlerChrysler Hauptversammlung verle-
sen musste: „Mit Nein haben gestimmt: neunzehn Tausend ... nein ... ääh ... neunzehn
Millionen achthundertachtunddreißig Tausend ...“. Was der Aufsichtsratsvorsitzende
des größten deutschen Autobauers nicht recht glauben konnte, war eine Ohrfeige für
das Topmanagement. Jeweils mehr als fünf Prozent der Aktienstimmen waren gegen
die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat abgegeben worden. Gewohnt ist Kopper
aus deutschen Aktionärsversammlungen Ja-Stimmen deutlich über 99 Prozent.
Drei große Fondsgesellschaften – und vermutlich zehntausende Kleinaktionäre – hatten sich gegen die Konzernleitung gestellt. Die Fondsprecher beklagten in der Hauptversammlung die Verluste durch die Übernahme des ehemaligen Daimler-Konkurrenten Chrysler, durch den schleppenden Verkauf des Kleinstwagen „Smart“ und durch die Rückrufaktion für 1,3 Millionen Mercedes PKW. Besonders zornig waren sie über die roten Zahlen, die nach anderen Konzernbereichen im vierten Quartal 2004 auch die „Kernmarke“ Mercedes geschrieben hat.
Die finanziellen Verluste seien das Ergebnis einer „seit Jahren völlig verfehlten Produktpolitik“,
schimpfte Alexander Dauensteiner von den Kritischen Aktionären. Neben dem viel zu hohen Kraftstoffverbrauch und Schadstoffausstoß der Mercedes- und Chrysler-Autos habe DaimlerChrysler „bei
Hybridantrieben und Dieselrussfiltern von vorneherein auf die falsche Strategie gesetzt,
„und hinkt deshalb der Konkurrenz um Jahre hinterher.“ Das Unternehmen hatte erst
vor wenigen Wochen angekündigt, künftig Rußfilter für einige seiner PKW-Modelle
einzubauen, während andere Hersteller dies seit Jahren tun.
Vorstandsvorsitzender Jürgen Schrempp nutzte Dauensteiners Kritik zu einem viertel-
stündigen Vortrag über vermeintliche Umweltschutzerfolge seiner Firma. Mit dutzenden
vorbereiteter Schaubilder versuchte er unter anderem zu belegen, dass die durchschnittliche Feinstaubbelastung in Deutschland seit 1980 dramatisch gesunken und die aktuelle
öffentliche Diskussion darüber überzogen sei.
Auch die Rüstungsproduktion
des Konzerns griffen Kritische
Aktionäre heftig an. Neben Militärlastwagen von Mercedes liefern vor allem die europäische
Flugzeug- und Waffenschmiede EADS, deren größter Inhaber
DaimlerChrysler mit mehr als 30 Prozent ist, und deren Beteiligungsgesellschaft RTG-Euromu-
nition mit steigender Tendenz
Kriegsgerät in alle Welt. Der
Vorstand müsse die EADS auf
zivilen Kurs führen, forderte der
Sprecher der Deutschen Friedensgesellschaft Jürgen Grässlin.
Auf ihrer Internetseite habe die RTG bis Januar 2005 für zwei Typen international geächteter Landminen geworben, so Grässlin. Erst nachdem Kritischen Aktionäre die Öffentlichkeit darauf hingewiesen
hätten, sei die Werbung gelöscht worden.
Die Daimler-Tochter MTU Friedrichshafen liefere Motoren an China, berichtete
Grässlin den Aktionären und fragte: „Wollen sie mitverantwortlich sein, wenn im Krieg
zwischen China und Taiwan DaimlerChrysler-Motoren zum Einsatz kommen? Zudem
entwickle die EADS die neue Trägerrakete M51 für Atombomben, wetterte der
Friedensaktivist, „und forciert damit das atomare Wettrüsten.“
Den Vorstandschef Schrempp
focht diese Kritik nicht an. RTG
verkaufe keine Landminen,
sondern „Submunition“, und die
Trägerraketen seien schließlich
nicht von Daimler in das EADS-Konsortium eingebracht worden.
Ihren Anteil der EADS-Profite streicht die DaimlerChrysler AG
trotzdem gerne ein.
Fünf anhängige juristische
Verfahren auf drei Kontinenten
wegen Menschenrechtsverletzungen mochte der Konzernboss ebenfalls nicht im Detail
kommentieren. Dabei ermittelt
die Staatsanwaltschaft in Buenos Aires wegen des Verdachts
auf Bildung einer kriminellen
Vereinigung gegen ehemalige
Manager von Mercedes-Benz
Argentinien, weil sie in die Entführung, die Folterung und das Verschwinden von linken Gewerkschaftern während der Militärdiktatur in Argentinien verstrickt sein sollen. Argentinische Staatsanwälte
verfolgen zudem den damaligen Produktionsleiter der argentinischen Mercedes-Fabrik, Juan Tasselkraut, wegen der illegalen Adoption von Kindern ermordeter
Regimegegner; und auch das Oberlandesgericht Nürnberg berät weiterhin über
Ermittlungen gegen Tasselkraut. Zu diesen Strafverfahren verweigerte Schrempp
in der Hauptversammlung jede Stellungnahme.
Jürgen Gräslin:
(...) Mit der mehr als 30prozentigen Beteiligung am Rüstungsriesen European Aeronautic Defence an Space Company (EADS) ist Daimler maßgeblich an der Fertigung des Eurofighters, des Kampfhubschraubers NH90 und des Militärtransporters A400M beteiligt. Zum Jahresende 2004 erhielt die EADS vom französischen Verteidigungsministerium einen Auftrag zur Produktion neuer Trägerraketen für M51-Atomsprengköpfe. Ab 2010 sollen diese auf vier französischen Atom-U-Booten stationiert werden.
Frage 8: Warum leistet Daimler/EADS mit der Fertigung von Trägersystemen für Atomwaffen einem neuen atomaren Wettrüsten Vorschub?
Obwohl der Vorstand behauptet, die Minen MIFF und MUSPA würden seit 1994 nicht mehr produziert, bot die EADS-Beteiligungsgesellschaft RTG-Euromunition sie noch im Januar 2005 unter den Namen PAAS und PATS im Internet an. Laut Auskunft der RTG-Euromunition wurde auf Grund von Protesten die Internetseite jedoch im Februar 2005 gesperrt. Den Begriff »Mine« suchte man bei den Herstellerangaben allerdings vergeblich. Vor einigen Jahren war das noch anders: In einer Werbeanzeige hieß die MIFF noch »Mine-Flach-Flach« und die MUSPA »Splitter-Flächensperrmine«.
Frage 9: Aus welchem Grund wurde noch im Januar 2005 auf der Homepage der Daimler/EADS-Beteiligungsgesellschaft RTG-Euromunition für die PAAS und PATS geworben?
Totgeschwiegen werden auch die China-Exporte des Konzerns bzw. seiner Beteiligungsgesellschaften. So dokumentierte das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI die Lieferung von Motoren der Daimler-Tochter MTU Friedrichshafen für chinesische U-Boote der SONG-Klasse. Auch chinesische Kriegsschiffe sind mit MTU-Motoren bestückt – als »Dual-Use-Güter« zivil exportiert und militärisch eingesetzt. Fällt das EU-Waffenembargo, dann können A400M-Militärtransportflugzeuge ganz legal nach China geliefert werden. Motto: Menschenrechte? Nein danke!
Im neuen Geschäftsbericht 2004 finden sich auf der Seite 71 einige Angaben zur EADS.
Frage 10: Warum verschweigt der neue Geschäftsbericht die Produktion bzw. Beteiligung an Kampfflugzeugen, Atomwaffenträgersystemen, der Minenwerbung, Rüstungsexporten und Dual-Use-Transfers - beispielsweise nach China?
Meine Herren Vorstände und Aufsichtsräte: Verkaufen Sie die Daimler-Anteile bei der EADS. Ansonsten machen Sie sich weiterhin mitschuldig am Massenmorden mit Daimler-EADS-Waffen!
Auszug aus der Rede von Jürgen Grässlin bei der Hauptversammlung von DaimlerChrysler am 6. April 2005 in Berlin. (Internet: www.juergengraesslin.com)
Von der Schadenersatzklage der überlebenden Folteropfer und der Hinterbliebenen
der ermordeten Argentinier vor dem Bundesgericht in San Francisco habe Daimler
zwar erfahren, so Schrempp, halte jedoch „die Anspruchsgrundlagen inhaltlich nicht
für erfüllt“ und setze sich „gegen die unbegründete Klage mit allen Mitteln zur Wehr.“
Als konkretes Mittel wählt der Konzern deshalb auch nicht die Aufklärung der Vorfälle
von 1976, sondern juristische Winkelzüge. Beim Oberlandesgericht Karlsruhe erwirkte
die DaimlerChrysler AG, dass ihr die US-Klage in Deutschland vorläufig nicht rechtswirksam zugestellt wird. Eine endgültige Entscheidung der Karlsruher Richter wird
frühestens zum Jahresende erwartet, weshalb sich Schrempp entspannt zurücklehnen
konnte.
Auch die Schadenersatzklage von Opfern des früheren südafrikanischen Apartheidregimes – mit dem Daimler bis zuletzt blendende Geschäfte machte – vor dem
Bundesgericht in New York war dem Daimlerboss keine Auseinandersetzung
mit der Konzerngeschichte wert: „Zu Südafrika sage ich gar nichts mehr.“
Quelle: www.kritische-aktionaere.de
Zu weiteren Beiträgen über Rüstung und Rüstungsproduktion
Zurück zur Homepage