Export von Kriegsgütern krisensicher
SIPRI-Bericht: Deutschland verdoppelte Rüstungslieferungen / LINKE fordert Ausfuhrstopp
Von Olaf Standke *
Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI warnt in seinem am Montag (15. März) veröffentlichten
Bericht vor einem neuen Rüstungswettlauf in Spannungsgebieten. Die Verdoppelung deutscher Waffenexporte in den vergangenen fünf Jahren hat der Bundesregierung scharfe Kritik von Linken und Grünen eingebracht.
In den Vorstandsetagen von Siemens hat man zur Zeit ein besonderes Auge für Australien. Der deutsche Konzern will die dortige Marine wieder flottmachen und schielt auf milliardenschwere Rüstungsaufträge aus Canberra, wo man umgerechnet über 66 Milliarden Euro für die Sanierung der maroden U-Boot-Flotte ausgeben will. Siemens stellt weltweit die meisten Antriebssysteme nicht nuklear betriebener U-Boote her. Wie der gestern vorgelegte Bericht des renommierten SIPRI-Instituts zeigt, boomt das Geschäft deutscher Waffenschmieden auch in Krisenzeiten. So verdoppelten sich ihre Lieferungen ins Ausland in den vergangenen fünf Jahren. Wichtigste Abnehmer waren die Türkei mit 14 Prozent der Ausfuhren, das vom Staatsbankrott bedrohte Griechenland (13) und Südafrika (12). Insgesamt wurden 55 Länder mit deutschem Kriegsgerät beliefert, 40 Prozent gingen an europäische Partner, 25 Prozent nach Asien, 15 Prozent Richtung Nahost. Der Zuwachs des Weltmarktanteils von sechs auf elf Prozent sei vor allem durch den Verkauf von Kriegsschiffen und Panzerfahrzeugen erreicht worden. Ein neuer Leopard-2-Panzer soll je nach Ausführung bis zwölf Millionen Euro kosten. Inge Höger, abrüstungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, nannte das gestern einen »beängstigenden Anstieg«.
Niemand hat derart zugelegt wie Deutschland. Allein 2008 genehmigte die Bundesregierung die Ausfuhr von Waffen im Wert von über acht Milliarden Euro. Noch mehr Rüstungsgüter exportierten zwischen 2005 und 2009 nur die USA mit einem Weltmarktanteil von 30 Prozent und Russland (23 Prozent). SIPRI ermittelte eine Zunahme des globalen Waffenhandels um mehr als ein Fünftel. »Eine Dämpfung der Rüstungsausgaben durch die Finanz- und Wirtschaftskrise konnten wir entgegen unserer Prognose nicht ausmachen«, sagte SIPRI-Sprecherin Stephanie Blenckner. Vor allem extrem teure Kampfflugzeuge seien stark gefragt, so Forschungschef Paul Holtom. Hier tobe regional ein regelrechtes Wettrüsten – der Idealzustand für Waffenproduzenten. SIPRI warnt denn auch vor einem neuen Rüstungswettlauf mit »potenziell destabilisierenden Waffensystemen« in Spannungsgebieten wie dem Nahen Osten, in Nordafrika, Südamerika sowie Süd- und Südostasien. So habe sich der Waffenhandel in Südamerika um 150 Prozent erhöht.
Auch Regierungen versuchten überall, Anteile auf dem Rüstungsmarkt zu gewinnen, weiß Niklas Schörnig von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung. Deutschland bilde da keine Ausnahme. Im Gegenteil. So einigte sich Schwarz-Gelb in den Koalitionsverhandlungen darauf, Rüstungsexporte künftig weniger restriktiv zu handhaben. Schließlich müsse man Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen Ländern abbauen und Arbeitsplätze sichern. Der Vize-Fraktionschef der LINKEN im Bundestag Jan van Aken dagegen forderte jetzt einen Exportstopp. Hierzulande dürfe es »keine Arbeitsplätze geben, die darauf beruhen, dass woanders Menschen sterben«. Inge Höger sieht keine Alternative zur »Konversion der Kriegswaffenindustrie in zivile Produktion«. Die Grünen verlangen zumindest ein Vetorecht des Bundestages bei Waffengeschäften, eine viel stärkere Rüstungskontrolle und schärfere Kriterien für den Waffenexport.
* Aus: Neues Deutschland, 16. März 2010
Das Geschäft mit dem Tod
Von Olaf Standke **
Was haben Indien, Israel, Nigeria, Pakistan und Thailand gemeinsam? All diese Länder sind in interne oder grenzüberschreitende Konflikte verwickelt. Und sie erhalten Waffen aus Deutschland. Von Afghanistan bis Zentralafrikanische Republik reicht die Kundenliste der hiesigen Rüstungsindustrie. Und die macht im wahrsten Sinne des Wortes Bombengeschäfte. Ob U-Boote oder Fregatten, ob Panzer, Sturmgewehre oder Maschinenpistolen, deutsche Waffenschmieden verkaufen immer mehr Kriegsgüter ins Ausland. Ihre Exporte haben sich auch in Zeiten der Finanzkrise verdoppelt, die Bundesrepublik ist auf der Hitliste der Todeshändler auf den dritten Platz vorgestoßen. Dabei werden die Statistiken mit Kompensationsgeschäften, »Geschenken« oder durch den schwunghaften Handel mit gebrauchter Bundeswehr-Ausrüstung noch kräftig manipuliert.
Dieser beschämende Aufschwung ist aber auch unverfrorener politischer Heuchelei geschuldet. Denn ob Rot-Grün oder Schwarz-Gelb, alle Bundesregierungen verweisen gern auf angeblich strenge Rüstungsexportrichtlinien hierzulande. Doch wenn die Profite stimmen und geostrategische Interessen es verlangen, sind sie kaum das Papier wert, auf dem sie stehen. Dann interessieren missachtete Menschenrechte oder gewaltsame Konflikte in belieferten Spannungsgebieten kaum. Deutschlands Tänzer ist noch allemal der Tod.
** Aus: Neues Deutschland, 16. März 2010 (Kommentar)
15 Mar 2010: New SIPRI data on international arms transfers reflect arms race concerns
Press release
Concerns about brewing ‘arms races’ in a number of regions of tension around the world are reflected in new data on international arms transfers published today by Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI). The comprehensive annual update of the SIPRI Arms Transfers Database is accessible from today at www.sipri.org.
Download the full report
here and access the updated database
here.
Combat aircraft accounted for 27 per cent of the volume of international arms transfers during 2005–2009. Orders and deliveries of these potentially destabilizing weapon systems have led to arms race concerns in the following regions of tension: the Middle East, North Africa, South America, South Asia and South East Asia.
‘SIPRI data show that resource-rich states have purchased a considerable quantity of expensive combat aircraft’, states Dr Paul Holtom, Director of the SIPRI Arms Transfers Programme. ‘Neighbouring rivals have reacted to these acquisitions with orders of their own. One can question whether this is an appropriate allocation of resources in regions with high levels of poverty.’
South America
Transfers to South America were 150 per cent higher during the last five years compared to the beginning of the millennium, following a significant upswing in both military spending and orders for arms in recent years.
Mark Bromley, SIPRI Researcher and Latin America expert, says that ‘we see evidence of competitive behaviour in arms acquisitions in South America. This clearly shows we need improved transparency and confidence-building measures to reduce tension in the region.’
South East Asia
Transfers to South East Asia have increased dramatically between the periods 2000–2004 and 2005–2009. Indonesian, Singaporean and Malaysian arms imports have increased by 84 per cent, 146 per cent and 722 per cent respectively. Singapore is the first ASEAN member to be included in the SIPRI Top 10 arms importers since the end of the Vietnam War.
Acquisitions of long-range combat aircraft and warships by these states have influenced the procurement plans of neighbouring states. SIPRI Asia expert Siemon Wezeman notes that ‘In 2009, Viet Nam became the latest South East Asian state to order long-range combat aircraft and submarines. The current wave of South East Asian acquisitions could destabilize the region, jeopardizing decades of peace.’
Other notable developments
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The average volume of worldwide arms transfers for 2005–2009 was 22 per cent higher than the period 2000–2004.
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The major recipient region for the period 2005–2009 remained Asia and Oceania (41 per cent), followed by Europe (24 per cent), the Middle East (17 per cent), the Americas (11 per cent) and Africa (7 per cent).
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Greece remains among the top five largest recipient of major conventional weapons for 2005-2009, but has fallen from third place for 2000–2004. The transfer of 26 F-16C from the United States and 25 Mirage-2000-9 combat aircraft from France accounted for 38 per cent of the volume of Greek imports.
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Like Singapore, Algeria is ranked in the SIPRI Top 10 arms importers for the first time due to significant increases in the volume of arms imported in 2005–2009.
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The USA remains the world’s largest exporter of military equipment, accounting for 30 per cent of global arms exports for the period 2005–2009. During this period, 39 per cent of US deliveries went to Asia and Oceania and 36 per cent to the Middle East.
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Deliveries of combat aircraft during 2005–2009 accounted for 39 per cent of the volume of US deliveries of major conventional weapons and 40 per cent of Russian deliveries.
The SIPRI Arms Transfers Programme
The SIPRI Arms Transfers Programme monitors, measures and analyses international transfers of major conventional weapons. The SIPRI arms transfers database is the most comprehensive publicly available source of information on international transfers of major conventional weapons that have taken place since 1950. It is a fully searchable online database and can be accessed at http://www.sipri.org/databases/armstransfers.
Source: http://www.sipri.org/
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