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Rüstungsdeal: De Maizière erneut in der Kritik

Opposition sieht Vorteile nur bei der Waffenindustrie *

Das Verteidigungsministerium von Thomas de Maizière (CDU) steht erneut wegen eines Rüstungsgeschäfts in der Kritik. Das Ministerium will Hubschrauber für die Marine anschaffen, an deren Eignung die Bundeswehr Zweifel hat. Der Hubschrauber sei ein Produkt, das gewinnbringend für EADS sei, aber nicht im Interesse der Soldaten und Steuerzahler, sagte Omid Nouripour, Verteidigungspolitiker der Grünen. Das Verteidigungsministerium verkündete hingegen, dass die in der »FAZ« zitierten Bedenken gegen den Helikopter NH 90 aus bis zu drei Jahre alten Dokumenten stammten. Wegen der technischen Weiterentwicklung der Baureihe seien diese »überholt und veraltet«.

Derweil kam gestern der Bundestags-Untersuchungsausschuss zur Affäre um die Drohne Euro Hawk zu seiner letzten Sitzung zusammen. Die Regierungsparteien Union und FDP sehen die Vorwürfe gegen de Maizière, der die Beschaffung der Drohne wegen immenser Kosten und Problemen bei der Zulassung sehr spät gestoppt hatte, ausgeräumt. Rainer Arnold (SPD) erneuerte hingegen seine Forderung nach einem Rücktritt des Ministers. Die Sozialdemokraten gaben gemeinsam mit den Grünen ein Sondervotum ab. Die LINKE kritisierte in einem eigenen Votum die Verflechtungen zwischen dem Verteidigungsministerium und der Rüstungsindustrie. Zudem hätte es ein Datenschutzkonzept geben müssen. Die Aufklärungstechnik der Drohne kann sensible Kommunikationsdaten abgreifen. Die Technik soll nach der gescheiterten Beschaffung von Euro Hawk auf einer anderen Trägerplattform weiterverwendet werden. »Die Bundeswehr hat es ignoriert, ein projektbezogenes Datenschutzkonzept zu erstellen. Dies betrifft die abgeschlossenen Testflüge ebenso wie den ursprünglich geplanten Serienbetrieb von insgesamt fünf Euro Hawk«, kritisierte der LINKE-Politiker Andrej Hunko.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 27. August 2013


Mehr Kontrolle bei Rüstungsvorhaben

SPD, Grüne und LINKE fordern, Lehren aus dem Desaster um die Drohne Euro Hawk zu ziehen

Von Aert van Riel **


Nach etwa 60 Stunden Tagungsarbeit in den letzten Wochen ist der Bundestags-Untersuchungsausschuss zu der Affäre um die Drohne Euro Hawk gestern zu seiner letzten Sitzung zusammengekommen. In ihren Bewertungen liegen Koalition und Opposition weit auseinander.

Ob und welche Lehren aus dem gestoppten Kauf der Drohne Euro Hawk gezogen werden, wird sich erst nach der Bundestagswahl im September entscheiden. Vor der letzten Sitzung des Untersuchungsausschusses sprach sich gestern der Grünen-Politiker Omid Nouripour für ein neues Gremium aus. Dadurch sollte der Bundestag mehr Mitsprache in Rüstungsfragen erhalten. Dies solle durch die Einrichtung eines entsprechenden Unterausschusses geschehen, so Nouripour. Das Verteidigungsministerium müsse verpflichtet werden, »kontinuierlich zu relevanten Rüstungsprojekten zu berichten«, forderte der Verteidigungspolitiker. Die Grünen haben gemeinsam mit der SPD ein Sondervotum verfasst. Politiker beider Parteien betonten, dass noch immer einige Akten aus dem Verteidigungsministerium fehlten. Sensationelle neue Erkenntnisse würden aber nicht mehr erwartet.

Verteidigungsminister Thomas de Maizière wird wohl bis zur Bundestagswahl im Amt bleiben. Zwar sieht es die Opposition als erwiesen an, dass der CDU-Politiker die Unwahrheit gesagt hat, als er behauptete, erst am 13. Mai 2013 über das Ausmaß des Debakels informiert gewesen zu sein. Wegen immenser Kosten und Problemen bei der Zulassung war dann die Beschaffung von Euro Hawk abgebrochen worden. Bereits 668 Millionen Euro waren in das Projekt geflossen. Die Koalition hat sich aber hinter den Minister gestellt und wirft SPD, Grünen und Linkspartei vor, ein »Wahlkampfspektakel« zu veranstalten.

Die LINKE sieht die Schuld für das Euro-Hawk-Debakel nicht nur bei de Maizière, sondern bei allen Verteidigungsministern seit Rudolf Scharping (SPD). In einem eigenen Votum kritisiert die Partei zudem, dass der Untersuchungsausschuss nicht die Aufgabe hatte, die Beschaffungspraxis von Rüstungsgütern, mangelnde Kontrollen und die Verquickungen zwischen Politik und Rüstungsindustrie zu untersuchen.

»Das Risiko wurde einseitig auf die Steuerzahler abgewälzt«, sagte der LINKE-Außenpolitiker Jan van Aken. Das Geld sei der Rüstungsindustrie zugeschaufelt worden. Dies könnte sich nun fortsetzen. Denn das mit Euro Hawk getestete Spionagesystem ISIS soll auf einer anderen Trägerplattform weiterverwendet werden. ISIS wurde von dem europäischen Rüstungskonzern EADS entwickelt. EADS will eine Drohne entwickeln, in die das Spionagesystem eingebaut werden kann.

Auch bei der in die Kritik geratenen Anschaffung von Helikoptern würde EADS profitieren. Die »FAZ« hatte aus einem bisher unter Verschluss gehaltenen Bericht der Bundeswehr berichtet, der zu dem Ergebnis komme, dass der Helikopter NH90 als »mehrrollenfähiger Hubschrauber« für die Marine ungeeignet sei. Dennoch wolle das Verteidigungsministerium 18 dieser Helikopter in der Version »NFH NGEN Sea Lion« im Wert von 915 Millionen Euro anschaffen. Die Hubschrauber werden vom deutsch-französisch-spanischen Luftfahrtunternehmen Eurocopter hergestellt, einer Tochter von EADS. Der SPD-Politiker Rainer Arnold und sein Grünen-Kollege Nouripour haben Zweifel daran, ob die Art der Ausschreibung für den Helikopter rechtlich haltbar sei.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 27. August 2013


Drohnen- Koalition

Von Aert van Riel ***

Kaum meinte Thomas de Maizière, die Affäre um die Drohne Euro Hawk ausgestanden zu haben, droht ihm nun neues Ungemach. Medien und Oppositionspolitiker werfen dem CDU-Mann vor, den Kauf von Marinehubschraubern zu planen, die von der Bundeswehr als »ungeeignet« eingestuft wurden. Der Verdacht, dass bei diesem Rüstungsgeschäft wieder einmal der europäische Konzern EADS bevorzugt wurde, liegt nahe. SPD und Grüne sind deswegen empört. Sie sorgen sich um die »operationelle Einsatzfähigkeit der Marine« und ein Geschäft, das »nicht im Interesse der Soldaten« sei.

Als Konsequenz aus dem Euro-Hawk-Debakel versprechen nun sowohl die Bundesregierung als auch die Oppositionsparteien, mit unterschiedlichen Mitteln künftig die Anschaffung von Kriegsgeräten genauer zu überprüfen. Der Nutzen von Spionagedrohnen und Kampfhubschraubern steht bei Rot-Grün und Schwarz-Gelb aber wohl grundsätzlich nicht zur Debatte. Zwar geben sich SPD und Grüne nun Drohnen-kritisch, aber sie haben einst selber die Beschaffung einer Aufklärungsdrohne für die Bundeswehr auf den Weg gebracht. In Zeiten, in denen Kriegseinsätze der Bundeswehr von der Mehrheit der Parlamentarier als Normalität angesehen werden, sorgen sich die meisten Politiker vielmehr um die Kosten für die Kriegsgeräte als um die Kriege selbst, für die sie einmal eingesetzt werden könnten. Deswegen ist aus friedenspolitischer Sicht seit der Debatte über die Drohne Euro Hawk nichts gewonnen worden.

*** Aus: neues deutschland, Dienstag, 27. August 2013 (Kommentar)


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