Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Geheimdienst sorgt für Kündigung

Kieler Landtag muß sich mit Rauswurf bei Rüstungszulieferer befassen

Von Mirko Knoche *

Der Konflikt um einen wegen seiner Heirat mit einer Chinesin gekündigten Ingenieur beschäftigt jetzt die Kieler Landespolitik. Maik Blase hatte Anfang des Jahres seine langjährige Freundin in China geheiratet und war deshalb Anfang März vom Rellinger Rüstungszulieferer »Autoflug« freigestellt worden. Im Juni erhielt er seine Kündigung zum 1.Oktober. Nach Informationen der IG Metall geht die Entlassung auf eine Initiative des schleswig-holsteinischen Verfassungsschutzes zurück.

Die Linksfraktion im Kieler Landtag beantragte deshalb am Montag (2. Aug.) die Einberufung des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG). Das Gremium überwacht die Arbeit des Verfassungsschutzes. Der Inlandsgeheimdienst hatte wenige Tage vor der Kündigung Blases eine Schulung bei »Autoflug« abgehalten. Die schleswig-holsteinische Linksfraktion beruft sich auf die IG Metall, nach deren Angaben konkrete Hinweise vorlägen, daß Blase wegen seiner Hochzeit entlassen wurde. Das Parlamentarische Kontrollgremium wird sich voraussichtlich am 24. August mit dem Fall befassen, teilte die Linksfraktion am gestrigen Freitag mit.

Blase hatte gegen seine Kündigung vor dem Arbeitsgericht Elmshorn geklagt. Am Dienstag vergangener Woche fand dort ein Gütetermin statt. »Autoflug« argumentierte dabei, es gebe »betriebsbedingte Gründe« für die Kündigung. Arbeitsrichter Marc Homuth sprach hingegen von »Diskriminierungsmerkmalen«. Ein Verstoß gegen das Antidiskriminierungsgesetz sei auch für Partner der Betroffenen anwendbar, so Homuth. Eine Entscheidung wird das Arbeitsgericht Anfang November fällen.

Blase war mehrere Jahre bei dem Rellinger Fallschirm- und Schleudersitzhersteller als Leiharbeiter tätig und wurde Anfang Februar in ein festes Beschäftigungsverhältnis übernommen. Nur einen Monat später stellte ihn der Personalchef frei. Durch seine Heirat mit einer Chinesin habe er sich erpreßbar gemacht. So könne die dortige Geheimpolizei mit einer Entführung Druck auf Blase ausüben, Firmengeheimnisse zu verraten. Die spätere Kündigung wurde dann aber als »betriebsbedingt« ausgesprochen.

Der Fall Blase hatte vor allem deshalb für Aufsehen gesorgt, weil der Ingenieur seine heutige Frau zuvor jahrelang regelmäßig besucht hatte. Die Sicherheitsbeauftragte von »Autoflug« war über seine Reisen informiert und machte keine Einwände geltend. Erst nachdem der Verfassungsschutz die Rellinger Firma besucht hatte, wurde Blase zum angeblichen Sicherheitsrisiko. Das Argument der Erpreßbarkeit hat einen entscheidenden Haken: Die Ehefrau will zu ihrem Mann nach Deutschland ziehen. Dafür benötigt das Paar allerdings ein gesichertes Auskommen. Blase will es an seinem bisherigen Arbeitsplatz verdienen.

Die IG Metall hat unterdessen sowohl den schleswig-holsteinischen Innenminister Klaus Schlie (CDU) als auch Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) um Aufklärung und Intervention bei »Autoflug« gebeten. Außerdem will die Gewerkschaft bei örtlichen Bundestagsabgeordneten um Unterstützung werben.

* Aus: junge Welt, 7. August 2010


Zu weiteren Beiträgen über Rüstung und Abrüstung

Zur Deutschland-Seite

Zur Verfassungsschutz-Seite

Zurück zur Homepage