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Nordhessen: Hochburg des Panzerbaus und Kommandohügel der Bundeswehr

Von Lühr Henken *

Seit im Juli letzten Jahres aus dem geheim tagenden Bundessicherheitsrat heraus sickerte, dass die Regierung keine Einwände gegen die Lieferung von 270 speziellen Kampfpanzern an das repressive Königreich Saudi-Arabien hat, kommt der Rüstungsstandort Kassel kaum aus den Schlagzeilen heraus. Ruchbar wurde darüber hinaus der Wunsch dieses Golfstaats nach 600 bis 800 LEOPARD-Kampfpanzern, Indonesiens nach 100 und schließlich des Emirats Katar nach 200 LEOPARDen. In Kassel werden traditionell die Panzertürme montiert. Die Realisierung dieser Milliarden-Deals würde Deutschland den dritten Platz in der Weltrangliste der Rüstungsexportnationen bis zum Ende des Jahrzehnts sichern. Der Export-Skandal verdeckt andere Rüstungsproduktionen aus Kassel für die deutsche Bundeswehr und hoch gefährliche Entwicklungen im Zuge der Bundeswehrreform in der näheren Umgebung Kassels, also in Nordhessen. Damit ist abgesteckt, worum es in den folgenden Ausführungen geht.

Zunächst zu den beiden größten Kasseler Rüstungsfirmen: KMW und Rheinstahl

Krauss-Maffei Wegmann (KMW)

Krauss-Maffei Wegmann (KMW) ist europäischer Marktführer bei stark gepanzerten Ketten- und Radfahrzeugen. Bisher hat KMW 7.000 Kampfpanzer des Typs LEOPARD hergestellt. KMW hat für militärische Produkte drei Produktionsstandorte in Deutschland: München, Kassel und Hamburg. Firmensitz ist München. Darüber hinaus verfügt KMW über Standorte in sechs Ländern und beschäftigt etwa 3.400 MitarbeiterInnen. Etwa 1.500 davon in Kassel (hna.de 5.6.12). Der Export in insgesamt 30 Länder macht etwa 70 Prozent des KMW-Gesamtumsatzes aus. 2010 setzte KMW rund 900 Mio. Euro um und belegte unter den größten Rüstungsfirmen in Deutschland Platz 4.

KMW ist ein Familienbetrieb. 100prozentige Eigentümerin ist die Familien-Holding Wegmann & Co. in Kassel, nachdem sie Ende 2010 Siemens dessen KMW-Anteil von 49 Prozent abkaufte. Die Eigentümergemeinschaft umfasst mindestens die vier Familien Bode, Braunbehrens, von Maydell und Sethe mit mindestens 26 Personen. Dr. Manfred Bode, langjähriger Geschäftsführer und derzeit Vorsitzender des Aufsichtsrats, gilt als strategischer Kopf der Eigentümer. Über den Export nach Saudi-Arabien brach innerhalb der Eigentümer öffentlich ein Streit aus, der jedoch die Konzernpolitik ungerührt ließ.

Wegmann & Co. GmbH in Kassel hat die Türme für die schweren Kampfpanzer LEOPARD 1 und 2 entwickelt und montiert. In Hamburg werden die Panzerwannen geschweißt und in München findet die Endmontage und Auslieferung statt. Im Werk Kassel werden darüber hinaus die Panzerhaubitzen 2000 und die Raketenwerfer MARS gefertigt. KMW Kassel stellt den Panzer-Spähwagen FENNEK her. Für die Bewaffnung der DINGO, FENNEK und GTK BOXER liefert das Kasseler Werk fernbedienbare leichte Waffenstationen. Das sind auf dem Dach montierte Halterungen für Maschinengewehre und Granatwerfer.

Rheinmetall

Der Kasseler Rheinmetall-Standort ist mit 950 Beschäftigten kleiner als KMW. Seit Beginn diesen Jahres ist ein Teil des das Kasseler Werks Bestandteil des von Rheinmetall und MAN gegründeten Joint Ventures „Rheinmetall MAN Military Vehicles“ (RMMV), an dem Rheinmetall 51 und MAN 49 Prozent halten. Der Firmensitz ist München. RMMV bündelt im Rheinmetall-Konzern den Bereich, der die militärischen Radfahrzeuge herstellt. Kettenfahrzeuge gehören nicht dazu. Sie verbleiben im Betriebsteil Rheinmetall Landsysteme (RLS).

In Kassel wurden bisher knapp 1.300 Transportpanzer FUCHS hergestellt. Insbesondere für den Einsatz in Afghanistan wurden und werden diese Panzer angepasst. Im ostalgerischen Constantine wird RMMV in den nächsten Jahren eine Fabrik zur Herstellung von FUCHS-Panzern für die algerische Armee bauen. Rheinmetall betrachtet Algerien als „strategisch wichtigen neuen Markt“. In Kassel werden auch die sechsrädrigen gepanzerten Mehrzweckfahrzeuge YAK hergestellt. 100 Exemplare dieser 13-Tonner für die Bundeswehr sind unter Vertrag. (ES&T Januar 2012) RMMV Kassel bietet darüber hinaus den geschützten Transport-LKW WISENT an. Allerdings wird der Bedarf für den 25-Tonner als eher gering eingeschätzt. (ES&T Januar 2012)

Schützenpanzer PUMA für die Bundeswehr

KMW und Rheinmetall betreiben hier in Kassel in dem eigens dafür gegründeten Joint Venture „Projekt System & Management GmbH“ (PSM) gemeinsam die Entwicklung und Herstellung des neuen Schützenpanzers PUMA. 350 Stück wurden für die Bundeswehr in Auftrag gegeben. Sie sind Waffen der Infanterie, die speziell für den Kampf in Städten und Orten hergestellt werden. Es ist das zurzeit größte Heeresbeschaffungsprojekt in Europa.

Zur Bewaffnung des Schützenpanzers zählt neben einem Maschinengewehr für den Nahbereich eine Maschinenkanone mit der Besonderheit einer variablen Munitionierung. Meistens soll eine 30 mm-Maschinenkanone mit einer Reichweite von 2.000 m und einer Kadenz von bis zu 200 Schuss pro Minute eingesetzt werden. Besonders perfide dafür ist die von Rheinmetall entwickelte programmierbare „Air Burst Munition“ (Zeitzündermunition). Das ist eine rechnergestützte „intelligente Munition“, (Geschwindigkeit 567 km/h, Reichweite 200 bis 4.000 m, SuT Februar 2009, S.41) die die Granate je nach Wunsch kurz vor dem Aufprall in 162 Wolfram-Subprojektile mit einem Gewicht von jeweils gut einem Gramm zerlegen kann. Diese kann eingesetzt werden gegen Panzerungen, langsam fliegende Hubschrauber, Menschen und befestigte Stellungen. Offiziere im Generalstabsdienst stellen dazu fest: Dies „verschafft dem neuen Schützenpanzer eine hohe Durchsetzungsfähigkeit auch in bebautem Gelände“ (SuT Januar 2006).

Die zwischen 31 und 41 Tonnen schweren, sehr wendigen und durchsetzungsstarken PUMA, die wegen ihrer „Tarnkappenbauweise“ schwer aufklärbar sind, sind klimatisiert und im AIRBUS A 400 M weltweit transportierbar. Gleichzeitig sind sie auch die teuersten Schützenpanzer der Welt. Ein PUMA kostet etwa 12 Millionen Euro. Jedes Jahr sollen in Kassel 40 PUMA hergestellt werden, so dass 2020 der letzte ausgeliefert wird. Ab Mitte 2013 soll der erste PUMA der Truppe zur Verfügung stehen.

Zusammengefasst: Im Rüstungsstandort Kassel konzentriert sich etwa die Hälfte der gesamthessischen Rüstungsproduktion. Über 2.500 Beschäftigte produzieren hier im Jahr Rüstungsgüter im Wert von etwa 500 bis 750 Millionen Euro. Das sind bis zu 4,5 Prozent der bundesdeutschen Rüstungsproduktion.

Kampfpanzerexport nach Saudi-Arabien

Krauss-Maffei Wegmann bietet seit 2005 den Typ LEOPARD 2 A7+ an, von denen Saudi-Arabien 270 Stück kaufen will. KMW bewirbt ihn wörtlich als „Kampfpanzer des 21. Jahrhunderts“, mit dem sich die „neuen Herausforderungen“ wie, so wörtlich, „asymmetrische Bedrohungen, zum Beispiel Terroristen, Sprengfallen (IED's) oder Einzelpersonen“ bekämpfen lassen.

Speziell auf den Stadt- und Ortskampf ausgerichtet, erhielt der A7+ einen ungewöhnlichen Tarnanstrich, der den Verhältnissen in Innenstädten angepasst ist. Mit ihm werden, so KMW, die Soldaten „optimal auf neue Einsatzszenarien vorbereitet“. Das geschehe im Vergleich zum Basis-Modell A5 vor allem durch hochwirksamen Rundumschutz, verbesserte Aufklärungsfähigkeit mittels einer hochauflösenden Tageslichtkamera mit Zoom-Möglichkeit und Wärmebildkamera bei Nacht und schlechter Sicht, ein Räumschild, um im Ortskampf Barrieren zu beseitigen, eine Nahfeldbeobachtungsfähigkeit, nicht-letale Bewaffnung, Suchscheinwerfer und durch direkte Kommunikation mit abgesessenen Kräften sowie durch erweiterte Bewaffnungsmöglichkeiten gegenüber den anderen LEOPARD 2- Varianten. So kommt wahlweise ein Maschinengewehr Kaliber 12,7 mm und ein Granatwerfer Kaliber 40 mm hinzu. Die FAZ beschreibt die Fähigkeiten dieses Panzers so: Mit dem MG kann „man auch steil nach oben schießen – beispielsweise in engen Straßen gegen Feinde auf Hausdächern. Neue Munition, die zeitverzögert explodiert, wirkt auch hinter Mauern. Außerdem kann der Panzer rundum gegen Panzerfaustangriffe gewappnet werden, das Fahrwerk wurde verbessert, eine Kühlanlage sorgt auch in heißen Ländern für erträgliche Temperaturen.“ (FAZ 6.7.11) Auf die 120mm-Glattrohrkanone von Rheinmetall wird selbstverständlich nicht verzichtet. Rheinmetall bietet für den A7+ ein um 1,30 m verkürztes Rohr an, weil die kürzere Waffe beim Einsatz in engen Straßen und Gassen von Vorteil sei.

Zur Munition muss noch ein Wort mehr verloren werden. LEOPARD 2-Panzer können mit sogenannter High-Explosive-Gefechtsmunition (HE-Munition) ausgerüstet werden, die gegen sogenannte weiche und halbharte Ziele eingesetzt wird. Weiche Ziele sind Menschen, halbhart ist alles unterhalb von Verbunkerungen und starken Panzerungen. Rheinmetall schreibt über die HE-Munition auf ihrer Website: „Durch einen Sprengkopf mit hoher Sprengleistung und einer Mischung aus Stahl- und Schwermetallkonstruktionssplittern wird eine sehr gute Wirksamkeit bei unterschiedlichsten Zielen wie Lenkflugkörperstellungen, Zielen hinter Deckungen und in Gebäuden sowie Schützenpanzern, Transportfahrzeugen oder abgesessener Infanterie erreicht.“ Klar ist, der Panzer A 7+ soll im Straßen- und Häuserkampf eingesetzt werden.

Ausgerechnet Saudi-Arabien interessiert sich für diesen einzigartigen Panzertyp. Dieses absolutistisch regierte Königreich, dessen Herrscher über dem Gesetz steht, dessen Staatsbürger der Scharia unterworfen sind, wo Parteien, Gewerkschaften, Streiks, ja selbst Demonstrationen verboten sind. Das feudalistische Saudi-Arabien ist ein Zentrum des sunnitischen Fundamentalismus, dessen Staatsreligion der Salafismus ist. Salafistische Organisationen hierzulande werden dagegen vom Verfassungsschutz als ideologische Brutstätte des gewaltsamen Dschihadismus identifiziert und verfolgt. Ein Widerspruch tut sich auf.

Einige wenige Auszüge aus dem Länderreport 2012 von amnesty international belegen die Repressivität des saudischen Systems:

„Tausende von Menschen, die in den vergangenen Jahren aus Sicherheitsgründen festgenommen worden waren, befanden sich 2011 noch immer in Haft. […] Folter und grob ungerechte Gerichtsverfahren waren noch immer an der Tagesordnung. Gerichte verhängten erneut grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafen, die auch vollstreckt wurden, vor allem Auspeitschungen. [...] Mindestens 82 Gefangene wurden hingerichtet.“ (http://www.amnesty.de/laenderbericht/saudi-arabien)

Die Repression richtet sich vor allem gegen die schiitische Minderheit in Saudi-Arabien. Sie umfasst etwa zwei Millionen Bürgerinnen und Bürger, die im ölreichen Osten am Persischen Golf leben. Dieser seit Jahrzehnten schwelende Konflikt, in dem sich die Schiiten vor allem gegen die allgegenwärtige sunnitische Religionspolizei auflehnen, aber auch für ihre sozialen und politischen Rechte kämpfen, hat durch den „arabischen Frühling“ neuen Auftrieb erhalten. Die Jugendlichen fühlen sich insbesondere mit ihren schiitischen Glaubensbrüdern im benachbarten Bahrain verbunden, deren Demonstrationen mit Hilfe von 1.000 saudischen Sicherheitskräften und 200 gepanzerten Fahrzeugen seit März 2011 unterdrückt werden.

In Saudi-Arabien wurden im Verlaufe von Demonstrationen eine Handvoll jugendlicher Schiiten erschossen. Ihre Begräbnisse führten jeweils zu großen Protestkundgebungen. Die größte ereignete sich im November 2011 in Katif, eine 600.000 Einwohner zählende Stadt am Golf. Es war die bisher größte „Kundgebung seit drei Jahrzehnten mit gegen hunderttausend Teilnehmern“, berichtet die Neue Zürcher Zeitung (NZZ 31.1.12) Die NZZ beobachtet, dass die saudische Regierung „immer wieder (versucht), die Proteste der Schiiten als iranischen Komplott darzustellen. Obwohl die Schiiten kulturelle und religiöse Beziehungen zu Iran pflegen“, stellt die NZZ fest, „sind ihre Forderungen nach einem Ende der Diskriminierungen eher von den arabischen Revolten als von Iran inspiriert. Die saudischen Herrscher haben seit Beginn des Arabischen Frühlings keinerlei Zugeständnisse gemacht, und die neuerliche Repression gegen die Schiiten lässt kaum Hoffnung auf baldige politische Reformen aufkommen.“ So das schweizer Blatt weiter, um mit dem Gedanken zu enden: „Solange aber keine gemeinsame Oppositionsfront von Schiiten und Sunniten entsteht, kann sich das Königshaus in Sicherheit glauben.“ (NZZ 23.7.12)

Offensichtlich sollen die deutschen Kampfpanzer die Herrschaft der Ölprinzen absichern, indem sie gegen die Demokratieentwicklung eingesetzt werden – oder auch im Falle eines Krieges gegen den Iran, innersaudische Aufstände oder solche in Bahrain mit Gewalt niederschlagen.

Einschlägige Formulierungen der „Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen“ aus dem Jahr 2000 verbieten dieses Panzergeschäft:

„Genehmigungen für Exporte nach KWKG (Kriegswaffenkontrollgesetz) und/oder AWG (Außenwirtschaftsgesetz) kommen nicht in Betracht, wenn die innere Lage des betreffenden Landes dem entgegensteht, z.B. bei bewaffneten internen Auseinandersetzungen und bei hinreichendem Verdacht des Missbrauchs zu innerer Repression oder zu fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen. Für diese Frage spielt die Menschenrechtssituation im Empfängerland eine wichtige Rolle.“ (Punkt 4)

Jedoch, wie heißt es so schön: Keine Regel ohne Ausnahme. So auch in den Richtlinien: „Der Export von Kriegswaffen wird nicht genehmigt, es sei denn, dass im Einzelfall besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der Bündnisinteressen für eine ausnahmsweise zu erteilende Genehmigung sprechen. Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine ausschlaggebende Rolle spielen.“ (Punkt 2)

Die Regierung hat bis heute jegliche Stellungnahme zu Medienberichten mit dem Hinweis auf die Geheimhaltungsverpflichtung des Bundessicherheitsrats verweigert. Jedoch hat Kanzlerin Merkel gegenüber Sat 1 am 8. Juli 2011, also 11 Tage nach der Sitzung des BSR, die „große strategische Bedeutung“ Saudi-Arabiens gewürdigt: „Riad sei ein wichtiger Partner im Kampf gegen den Terrorismus und gegen eine nukleare Bewaffnung Irans sowie im Nahost-Prozess. Allerdings gebe es erhebliche Defizite im Menschenrechtsbereich.“ (faz.net 8.7.11) De Maizière sekundierte im WDR: „Saudi-Arabien sei ‚für uns ein Stabilitätsanker in der Region‘, der trotz eines politischen Systems, das er ablehne, ‚für uns ein wichtiger Partner ist‘“. (faz.net 8.7.11) Klar ist, die hehren menschenrechtlichen Grundsätze werden zur Makulatur, wenn Machtpolitik sowie geostrategischen und wirtschaftlichen Interessen Vorrang gegeben wird. Dieser Logik folgend, führt Aufrüstung zur Stabilisierung dieser Region. Dass die weitere Aufrüstung der eh schon überlegenen militärischen Gegner des Iran – unter Einschluss der USA und Israels – die Gefahr eines Angriffskrieges auf den Iran oder dessen Beschleunigung seines Atomprogramms zur Folge haben kann, blendet diese Argumentation aus.

Dass es der Regierung beim Rüstungsdeal mit Saudi-Arabien tatsächlich um den Iran geht, wusste DER SPIEGEL im Oktober 2011 aus dem Debattenverlauf der geheimen Bundessicherheitsratssitzung vom 27. Juni zu berichten. Nachdem die neun TeilnehmerInnen der Runde zunächst keine einheitliche Position fanden, habe die Kanzlerin als „leidenschaftliche Fürsprecherin“ das Wort ergriffen. „Sie führt die Zustimmung der Israelis an, damit ist aus Sicht der Union ein zentrales Hindernis ausgeräumt. Schließlich fällt ein Argument, das auch im Sinn der israelischen und der amerikanischen Regierung ist: Ein aufgerüstetes Saudi-Arabien wirke als Gegengewicht zu Iran und dessen atomare Ambitionen.“ (DER SPIEGEL Nr. 41/11, 10.10.11) Danach fiel der Beschluss einstimmig. Eine Ausfuhrgenehmigung hat der Wirtschaftsminister bisher jedoch noch nicht erteilt.

Allerdings erprobt Krauss-Maffei Wegmann in der saudischen Wüste bereits einen A7+ unter Mitwirkung eines deutschen Stabsoffiziers, der die Schießsicherheit gewährleisten soll. (FAZ 7.7.12)

In diesem einzigartigen SPIEGEL-Artikel wird der Wert dieses Geschäfts für Krauss-Maffei Wegmann und die Zulieferer umrissen. Die Lieferung umfasse nicht nur die Panzer, sondern auch Wartung, Schulung und die Lieferung von Ersatzteilen. [...] Das Geschäft ist bis zu fünf Milliarden Euro schwer.“ (DER SPIEGEL 10.10.11) Das Kanzleramt habe dieses Argument in der Sitzung des Bundessicherheitsrats genutzt: „Der Deal bedeute ein komplettes Paket, keine einmalige Lieferung. […] Deutschland hätte einen dauerhaften Einfluss, das Kriegsgerät wäre ein Entree zur saudischen Führung.“ (DER SPIEGEL 10.10.11) Also von wegen: „ausnahmsweise zu erteilende Genehmigung“. Für die Regierung sind Vorschriften dazu da, sie zu umgehen.

DER SPIEGEL wertet dieses Handeln Merkels zu Recht als Tabubruch: „Sie bricht mit der Entscheidung ihrer Vorgängerregierungen, prinzipiell kein schweres Kampfgerät nach Saudi-Arabien zu liefern. Und sie ist ein Paradigmenwechsel der deutschen Außenpolitik.“ (DER SPIEGEL 10.10.11) Die schwarz-gelbe Politik des expansiven Rüstungsexports hat Merkel öffentlich begründet. Das neue Dogma wurde zuerst Anfang September 2011 im „Bergedorfer Gesprächskreis“ der Körber-Stiftung erklärt. DER SPIEGEL zitiert zwei Schlüsselsätze: "Der erste lautet, dass es richtig sei, andere Länder zu bewaffnen, damit diese in Deutschlands Sinn agierten. Wenn die Bundesrepublik davor zurückschrecke, militärisch zu intervenieren," so Merkel wörtlich, "dann reicht es in der Regel nicht, an andere Länder und Organisationen Worte der Ermutigung zu richten. Wir müssen die Staaten, die bereit sind, sich zu engagieren, auch dazu befähigen. Ich sage ausdrücklich: Das schließt auch den Export von Waffen mit ein." [...] Der zweite Schlüsselsatz umfasst die Skizze einer neuen, international vernetzten Rüstungspolitik. O-Ton Merkel: "Wir sollten aber versuchen, einen Schritt weiterzugehen. Wenn wir uns im atlantischen Bündnis einig sind, dass die Nato nicht alle Konflikte lösen kann und dass den aufstrebenden Schwellenländern und Regionalorganisationen mehr Verantwortung zukommt, dann sollten wir im Bündnis bei den Rüstungsexporten auch schrittweise zu einer gemeinsamen Politik kommen." (DER SPIEGEL 10.10.11)

Dass diese neuen außenpolitischen Leitlinien keine Floskeln sind, sondern handfest daran gearbeitet wird, wurde kürzlich öffentlich. Beim NATO-Gipfel in Chicago im Mai habe die Bundesregierung „von der Öffentlichkeit unbemerkt“, so DER SPIEGEL, versucht „in der Nato eine Liste von Drittstaaten aufzustellen, mit denen Rüstungsgeschäfte aus strategischen Gründen erlaubt sein sollen. Damit hätte Berlin auch heikle Waffenexporte innenpolitisch legitimieren können,“ räsoniert das Magazin. „Die Deutschen scheiterten am Widerstand der Bündnispartner. Aufgeben will Merkel nicht. Der deutsche Nato-Botschafter Martin Erdmann soll in Brüssel einen weiteren Versuch starten.“ (DER SPIEGEL Nr. 31/2012, 30.7.12) So DER SPIEGEL. Erdmann hatte zwei Wochen vor dem NATO-Gipfel seine 27 NATO-Kollegen angeschrieben und unter anderem ausdrücklich die Mitglieder des Golfkooperationsrats als Empfängerländer erwähnt. (ftd.de 31.7.12)

Also, der Deal mit den Saudis ist kein Ausrutscher, sondern der Anfang, wenn’s nach Merkel geht.

Mitte Mai wurde bekannt, dass sich die dem US-Rüstungskonzern General Dynamics gehörende spanische Panzerschmiede Santa Barbara Sistemas in Saudi-Arabien darum bemüht, ein seit 2010 im Raume stehendes Geschäft über 200 bis 270 LEOPARD 2E abzuschließen. Diese werden in Spanien mit deutschen Lizenzen von KMW und Rheinmetall hergestellt. Eine deutsche Zustimmung sei daher erforderlich. 2010 wurde berichtet, dass es diesbezüglich von deutscher Seite keine Hindernisse gebe, „weil diese Firmen (KMW und Rheinmetall, LH) zu mindestens mit einem Drittel des Vertragswertes beteiligt würden.“ (FAZ 26.10.10) Der Vertragswert wurde damals mit „mehr als drei Milliarden Euro“ angegeben. "Allerdings erstreckt sich die Exportgenehmigung der Bundesregierung für Fertigungsanlagen nach Spanien nur auf ältere Varianten des LEOPARD 2, also nicht auf den LEOPARD 2 A7+, wie das Wirtschaftsministerium auf eine Anfrage des Abgeordneten Jan van Aken mitteilte. Wie zu hören ist, wird bei KMW versucht, die Spanier ‚hereinzunehmen‘. Das könnte auf die Fertigung von Teilen des Panzers hinauslaufen, die bei den verschiedenen Versionen identisch sind." (FAZ 26.6.12) Das könnte auch bedeuten, dass man die Produktion über Spanien abwickeln will, um die lästige einheimische Diskussion zu umgehen. Panzerteile würden jedoch auch aus Deutschland geliefert.

Mitte Juni meldete BILD AM SONNTAG, dass Saudi-Arabien großes Interesse am Kauf von „weiteren“ (FAS 12.8.12) 600 bis 800 LEOPARD 2-Panzern habe. Nach hartem Konkurrenzkampf mit dem US-Panzer M1 Abrams habe sich der LEOPARD durchgesetzt. Der Vertragswert wird auf etwa 10 Milliarden Euro geschätzt. Ein Vertrag über eine erste Tranche von 300 Panzern sei bereits unterschriftsreif. „Das Königreich wolle ihn möglichst vor dem 20. Juli besiegeln, hieß es unter Berufung aus Industriekreisen.“ (SZ 17.6.12) Dazu ist es bisher offensichtlich nicht gekommen. Das Springer-Blatt berichtet, dass es gegen dieses Geschäft innerhalb der Bundesregierung erhebliche Widerstände gebe. Dagegen seien das Kanzleramt, das Außen- und das Verteidigungsministerium, befürwortet werde es in Röslers Wirtschaftsministerium. Eine offizielle Stellungnahme der Regierung gibt es nicht.

Wie dem auch sei, die massive Aufrüstung mit schweren Heereswaffen ist eine Ergänzung der rekordhohen saudischen Bestellungen für seine Luftwaffe und Marine in den USA. Für die Luftwaffe wurden Verträge in Höhe von 68 Milliarden Dollar abgeschlossen. Verhandlungen über die Lieferung von Kriegsschiffen in Höhe von 30 Milliarden Dollar laufen seit 2010. Die Aufrüstung wird in den USA ausschließlich mit der Rüstung gegen den Iran begründet. Schon im Oktober 2010 wurde bekannt, dass auch weitere Golfstaaten mit Verweis auf den Iran Waffenbestellungen in den USA aufgegeben haben. So die Vereinigten Arabischen Emirate für 35 Milliarden Dollar, Oman für 12 und Kuweit für 7 Milliarden. (FAZ 12.10.10). Die Summe dieser zusätzlichen Waffen für arabische Golfstaaten in Höhe von 150 Milliarden Dollar übersteigt das jährliche iranische Militärbudget um das 15 fache. Ohnehin liegt die Summe der Militärbudgets der sechs Länder des Golfkooperationsrats siebenmal so hoch wie das iranische. Angesichts der US-Präsenz am Golf mit Stützpunkten in sämtlichen Staaten des Golfkooperationsrats und der Ausstattung dieser mit Raketenabwehrsystemen muss sich der Iran eingekreist und bedroht fühlen, angegriffen zu werden. Auch Staaten der EU haben sich an der Aufrüstung Saudi-Arabiens massiv beteiligt. So flossen allein im Jahr 2010 Waffen im Wert von 3,3 Milliarden Euro dorthin. (DER SPIEGEL 19.3.12) Diese Lieferungen verletzen den freilich rechtlich unverbindlichen „Gemeinsamen Standpunkt“ der EU für den Waffenexport. Er sieht vor, dass eine Ausfuhrgenehmigung verweigert wird, „wenn eindeutig das Risiko besteht, dass der angegebene Empfänger die Militärtechnologie […] zum Zwecke der Aggression gegen ein anderes Land […] benutzt“ (Gemeinsamer Standpunkt über Rüstungsexporte, Artikel 2, Kriterium 4, 2008/944/GASP des Rates vom 8.12.08) Das Risiko eines Angriffs auf den Iran ist nun wahrlich nicht von der Hand zu weisen.

Kampfpanzer nach Katar und Indonesien

Das absolutistisch regierte Emirat Katar ist eine an Saudi-Arabien grenzende Halbinsel von der Größe des Kosovo im Persischen Golf und innenpolitisch ähnlich repressiv verfasst wie sein großer Nachbar. Katar erfreut sich seit vielen Jahren der Belieferung mit Kleinwaffen und Munition aus Deutschland. Im Mai 2009 jedoch wurde ein erster Tabubruch der damaligen Merkel-Steinmeier-Regierung bekannt, als der Bundessicherheitsrat die Ausfuhr von 36 LEOPARD 2-Kampfpanzern in den erdöl- und erdgasreichen Zwergstaat genehmigte. Da sich das Land durch seine unmittelbaren Nachbarn Saudi-Arabien und Bahrain nicht bedroht sehe, wertete DER SPIEGEL das Vorhaben damals „wohl eher als Vorzeigeobjekte“ (DER SPIEGEL 18.5.09). Tabubruch deshalb, weil überhaupt zum ersten Mal schwere deutsche Kriegswaffen in das Spannungsgebiet am Golf geliefert werden sollten. Israel hatte keine Einwände. Erst zwei Jahre später wurde bekannt, dass der Bundessicherheitstrat kurz danach im Sommer 2009 auch der Lieferung von 24 Panzerhaubitzen 2000 zugestimmt hatte. (welt.de 18.7.11) KMW in Kassel ist der Generalunternehmer der 56-Tonnen-Ungetüme und preist sie als „leistungsfähigste Artilleriesysteme der Welt“. Bis Ende 2011 ist die Lieferung von Panzern und Haubitzen laut SIPRI-Register nicht erfolgt. Ob in diesem Jahr geliefert wurde oder wird, ist öffentlich unbekannt. Darüber hinaus wurde im Februar bekannt, dass sich Katar auch für 24 Kampfhubschrauber TIGER von Eurocopter interessiert. (dradio.de 22.2.12)

Ende Juli machte die Meldung die Runde, dass Katar Interesse sogar an bis zu 200 Kampfpanzern LEOPARD 2 A7+ (FAS 12.8.12) hat. Der Geschäftswert wird auf zwei Milliarden Euro geschätzt. Die Bundesregierung hat das Ansinnen Katars bestätigt, der Bundessicherheitsrat jedoch hat bis Ende Juli zumindest darüber nicht beraten. „Das Kanzleramt und das Bundeswirtschaftsministerium stünden dem Vorhaben aber aufgeschlossen gegenüber.“ (zeit.de 30.7.12) Zurzeit verfügt Katar über 30 leichte Kampfpanzer. Wie ist diese gigantische Aufrüstung des kleinen Landes zu erklären? Jedenfalls nicht damit, sein Prestige aufbessern zu wollen. Bisher hat sich Katar auf die Streitkräfte der USA verlassen, die ihren Stützpunkt in Katar absichern. Katar beherbergt das Zentrum der US-Streitkräfte am Persischen Golf mit dem regionalen Hauptquartier des Central Commands und dem Luftwaffenkommando. Beide sind u.a. für den Iran zuständig. Man muss die katarischen Maßnahmen als Teil der massiven Aufrüstungskampagne der Staaten des Golfkooperationsrates zur Kriegsvorbereitung gegen den Iran werten. 16 Prozent der Menschen in Katar sind iranischer Abstammung. Wie in Saudi-Arabien sollen die deutschen Panzer zur Repression im Innern eingesetzt werden. Kampfpanzer nach Indonesien

Seit Ende November letzten Jahres ist bekannt, dass Indonesien von der Bundeswehr 100 gebrauchte LEOPARD 2 A6 für 280 Millionen Dollar kaufen will. (ND 29.11.11) Das Modell A6 zeichnet sich durch erhöhte Feuerkraft gegenüber dem Modell A5 aus und gilt als kampfstärkster Panzer der Welt. Indonesien verfügt zurzeit über 350 lediglich leichte Kampfpanzer. Die Lieferung dieser Kolosse würde das indonesische Heer gewaltig stärken. Kanzlerin Merkel hat im Juli in der „Jakarta-Erklärung“ mit Indonesien eine verstärkte Sicherheits- und Verteidigungskooperation vereinbart. „Der indonesische Staatspräsident sprach von einer Verteidigungszusammenarbeit in ‚großem Stil‘“. (FAZ 11.7.12) Er sagte auch, dass er die Panzer niemals gegen das eigene Volk einsetzen werde. Dabei geht es vor allem um die mit Kupfer, Gold, Öl und Gas reich gesegnete Provinz West-Papua. Im anti-kolonialen Kampf der Papuas gegen die indonesische Zentralregierung kamen seit 1963 schätzungsweise 100.000 Papuas um. Ihr Kampf um Unabhängigkeit wird nach wie vor gewaltsam unterdrückt. Bezüglich der beschwichtigenden Aussage des indonesischen Präsidenten erinnert das West-Papua Netzwerk aktuell daran, „dass bei der brutalen Auflösung des 3. Papuakongresses im Oktober 2011, bei der viele Menschen starben, verletzt oder inhaftiert wurden, gepanzerte Fahrzeuge gegen die Bevölkerung eingesetzt wurden.“ (west-papua-netz.de) Das niederländische Parlament hat eine Anfrage Indonesiens nach einer Panzerlieferung mit Verweis auf die Menschenrechtslage im Land abgelehnt. (DER SPIEGEL 30.7.12). Das erschwert das deutsche Exportinteresse. Denn der Gemeinsame EU-Standpunkt sieht vor, dass bei Ablehnung eines Waffenexports durch ein EU-Mitgliedsland, ein anderes EU-Mitglied erst nach Konsultation mit dem ablehnenden Staat verkaufen darf.

„Panzer statt Soldaten“?

DER SPIEGEL, der die Debatte um den deutschen Waffenexportboom recht intensiv führt, hat für Merkels Politik eine - oberflächlich betrachtet – plausibel erscheinende Erklärung entwickelt. Das Leitmedium aus Hamburg brachte Merkels Militärdoktrin auf die Kurzformel „Panzer statt Soldaten“. Dazu zelebriert es folgenden Gedankengang: „Merkels Vietnam heißt Afghanistan. Die Bilanz des Westens nach elf Jahren militärischen Einsatz ist aus ihrer Sicht entmutigend. Auch den von den Vereinten Nationen gebilligten Libyen-Einsatz hält Merkel für gescheitert, weil aus Libyen kommende Kämpfer und Waffen die Sahel-Zone unsicher machen. Merkel hat daraus den Schluss gezogen,“ so DER SPIEGEL, „dass die Bundesregierung die Beteiligung an Militärinterventionen um fast jeden Preis vermeiden müsse. Stattdessen sollen ausgewählte Verbündete beim Kampf gegen den Terror oder als Gegengewicht zu Problemstaaten unterstützt werden.“ (DER SPIEGEL 30.7.2012) Abgesehen von den zutreffenden Bemerkungen zu den jüngsten NATO-Kriegen, fehlt für die angeblichen Merkelschen Schlussfolgerungen jeglicher Beleg und die Formel „Panzer statt Soldaten“ ist völliger Blödsinn. Das Gegenteil ist richtig: Panzer und Soldaten. Warum?

Der Charakter der jüngsten Bundeswehrreform spricht Bände: Ihr Ziel ist, die ständig im Ausland eingeetzten Soldaten von 7.000 auf 11.000 zu erhöhen. Infanteriekräfte – also Fallschirmjäger, Panzergrenadiere, Gebirgsjäger – werden vom Personalabbau nicht nur ausgenommen, sondern vor allem gestärkt: Zig-Milliarden werden trotz Euro-Krise aufgewandt für neue Schützen- und Radpanzer, neue Ausrüstungssysteme (Infanterist der Zukunft – GLADIUS), neue Transporthubschrauber und AIRBUSSE A 400 M. Dazu kommen Großdrohnen zum gezielten Ausspionieren anderer Staaten und der Wunsch nach Kampfdrohnen. Auf dem Truppenübungsplatz in der Colbitz-Letzlinger Heide soll für 100 Millionen sogar eine ganze Stadt neu entstehen, um Infanteristen möglichst realitätsnah den Straßen- und Häuserkampf trainieren zu lassen. Zudem von großer Bedeutung: Die Kommandostruktur der Bundeswehr wird gestrafft.

Das sind Weichenstellungen nicht weg von, sondern hin zu mehr Militärinterventionen. Wenn Merkel das nicht wollte, müsste sie zig-Milliarden schwere Rüstungsprogramme umgehend einstellen und die Bundeswehrreform stoppen. Sie tut es nicht. Nordhessen spielt in diesen neuen Kriegsszenarien eine herausragende Rolle. Schon jetzt, aber in Zukunft noch mehr.

Bundeswehrstandort Nordhessen

Militärisch von sehr hoher Bedeutung sind hier die drei Bundeswehrstandorte Stadtallendorf, Fritzlar und Schwarzenborn. In Stadtallendorf befindet sich das Kommando der „Division Spezielle Operationen“ (DSO), dem unter anderem das geheim operierende Kommando Spezialkräfte (KSK) in Calw sowie zwei Luftlandebrigaden in Saarlouis und Oldenburg unterstellt sind. Die DSO gilt als „Division der ersten Stunde“. Ihre Einsatzliste ist lang und spiegelt ihr Motto „einsatzbereit – jederzeit – weltweit“ wider. Soldaten der Division waren in Somalia, in Bosnien, im Kosovo, Mazedonien, Kongo und seit Ende 2001 in Afghanistan.

In Fritzlar ist die Luftbewegliche Brigade 1 stationiert, die wiederum Bestandteil der Division Luftbewegliche Operationen (DLO) in Veitshöchheim/Bayern ist. Der Luftbeweglichen Brigade 1 sind das Jägerregiment in Schwarzenborn (das ist eine durch Hubschrauber luftbewegliche Infanterie), das Transporthubschrauberregiment in Faßberg/Niedersachsen und die zwei Kampfhubschrauberregimenter in Roth/Bayern und in Fritzlar unterstellt.

Die Teilnahme an Auslandseinsätzen ist für die DLO Normalität. Verbände der DLO sind an allen Auslandseinsätzen beteiligt.

Mit der neuerlichen Umstrukturierung der Bundeswehr enden die Geschichten der beiden Divisionen DSO und DLO. Ab 2014 gehen die Fähigkeiten dieser Divisionen auf in eine einzige Division – die „Division Schnelle Kräfte“ (DSK). Stadtallendorf erfährt dadurch eine Aufwertung, denn das Kommando der DSK kommt dorthin. Es ist eins von dreien des deutschen Heeres. Zurzeit ist das Heer noch in fünf Divisionen gegliedert.

Zwar wird die DSK künftig mit 8.600 Soldatinnen und Soldaten einen geringeren Umfang haben als DSO und DLO, aber „durch die Bündelung von Ressourcen und Verantwortung“ würden sich „neue Handlungsmöglichkeiten eröffnen“. (ES&T April 2012, S. 34) Im Bundeswehrjargon klingt das so: „Mit der DSK kommt jetzt zusammen, was zusammengehört, und es entsteht ein Großverband neuen Zuschnitts, der erstmals alle ‚aus der Luft heraus kämpfenden‘ Verbände des Heeres zusammenführt und ihre Fähigkeiten im Wirkverbund optimiert.“ (ES&T April 2012, S. 37) Zur DSK werden die Luftlandebrigade 1 in Lebach gehören, der zwei Fallschirmjägerregimenter unterstellt werden, sowie das KSK in Calw, die beiden Transporthubschrauberregimenter mit 40 neuen NH-90-Hubschraubern und das Kampfhubschrauberregiment mit 40 neuen Kampfhubschraubern TIGER in Fritzlar angehören.

Ein deutscher Brigadegeneral schwärmt vom TIGER. Er ist „das modernste Waffensystem seiner Art. Er ist mit seiner Agilität und der Ausstattung in den Bereichen Sensorik, Schutz und Bewaffnung das herausragende Mittel für alle Einsätze, insbesondere im ‘Three-Block-Operations-Szenario‘“ (Brigadegeneral Reinhard Wolski, SuT August 2006, S. 14). Der Begriff „Three-Block-Operations“ besagt, dass die moderne Infanterie im Prinzip drei Einsätze gleichzeitig durchführen soll. Zugespitzt heißt das: In einem Häuserblock Aufständische bekämpfen, im anderen humanitäre Hilfe leisten und im dritten „Peacekeeping“ zu betreiben. Die TIGER werden zur Aufstandsbekämpfung eingesetzt. Zur funktionellen Bedeutung der DSK insgesamt noch einmal ein Offizier:
„Durch die geschlossene Führung aller Kräfte, die für das komplette Spektrum ‚luftbeweglicher, Spezieller und Spezialoperationen‘ notwendig sind, werden Synergien erwirkt, die zu hoher Flexibilität, schneller Verfügbarkeit und hoher Professionalität in bisher nicht vorhandenem Ausmaß führen. Dem Deutschen Heer und der Bundeswehr können in allen Intensitätsstufen und jederzeit abrufbar durchsetzungsfähige, schnell verlegbare, taktisch vollbewegliche und robuste Kräfte zur Verfügung gestellt werden, die im multinationalen Rahmen oder aber auch autark operieren können.“ (ES&T April 2012, S. 38)

Zusammengefasst: In Nordhessen ballen sich drei wesentliche rüstungstechnische und militärische Standorte. Erstens, KMW trägt mit den Exportabsichten von extrem schlagkräftigen Kampfpanzern massiv zur Aufrüstung sunnitischer Golfstaaten bei, die einen Krieg gegen den Iran wahrscheinlicher machen. Zweitens, KMW und Rheinmetall in Kassel verschaffen der Bundeswehr mit den Schützenpanzern PUMA extrem durchsetzungsfähige Kampfmittel gegen Aufständische überall in der Welt. Drittens, in Stadtallendorf befindet sich die operative Speerspitze der militärischen Angriffsführung der Bundeswehr und in Fritzlar die dafür vorgesehenen Kampfhubschrauber. Nordhessen ist nicht nur der geografische Mittelpunkt der Bundesrepublik, sondern entwickelt sich zum Zentrum deutschen Rüstungsexports und Militärinterventionismus‘. Nordhessen ist Hochburg des Panzerbaus und Kommandohügel der Bundeswehr.

Verwendete Abkürzungen:
  • ES&T – Europäische Sicherheit und Technik
  • FAS – Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
  • FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung
  • HNA – Hessische Allgemeine
  • ND – Neues Deutschland
  • NZZ – Neue Zürcher Zeitung
  • SuT – Soldat und Technik
* Lühr Henken, Berlin, Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag. Dieses Manuskript folgt im Wesentlichen einem Referat, das der Autor am 16. August 2012 auf Einladung des Kasseler Friedensforums und des Rosa-Luxemburg-Clubs in Kassel gehalten hat.


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