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Die Welt hofft auf weitere Abrüstung

US-Senat ratifizierte START-Abkommen / Billigung durch russische Duma erwartet *

Die Nachricht von der Ratifizierung des START-Abkommens durch den US-Senat ist international mit Erleichterung aufgenommen worden.

Buchstäblich in letzter Minute war es US-Präsident Barack Obama gelungen, genügend Republikaner auf seine Seite zu ziehen, um die nötige Zweidrittelmehrheit im Senat zu erreichen. Der Vertrag wurde mit 71 zu 26 Stimmen angenommen, 13 Republikaner stimmten mit den Demokraten – 4 mehr als benötigt.

Obama pries das Abkommen zur Verringerung der strategischen Nuklearwaffen als »wichtigsten Abrüstungsvertrag seit fast zwei Jahrzehnten«. Er werde die Welt sicherer machen. Das Abkommen verpflichtet beide Staaten, die Zahl der stationierten nuklearen Sprengköpfe innerhalb der nächsten sieben Jahre von je 2200 auf 1550 zu reduzieren. Die Zahl der Trägersysteme soll auf jeweils 700 begrenzt werden. Jetzt muss noch die russische Staatsduma dem Vertrag zustimmen, den Obama und Kremlchef Dmitri Medwedjew im April in Prag unterzeichnet hatten. Dies gilt als eine reine Formsache.

Russland begrüßte die Ratifizierung. Medwedjew habe die Informationen aus Washington »mit Zufriedenheit« aufgenommen und hoffe, dass auch die Staatsduma und der Föderationsrat das Abkommen ratifizieren, sagte seine Sprecherin. Die Entscheidung des US-Senats sei ein weiterer Beweis für die Verbesserung der Beziehungen zwischen Moskau und Washington.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach von einem »wichtigen Meilenstein in der Entwicklung einer wirklichen Partnerschaft« mit Russland, wie sie auch in dem neuen strategischen Konzept der NATO angelegt sei. Bundesaußenminister Guido Westerwelle erwartet jetzt »ein Jahrzehnt der Abrüstung«. »Ein erfolgreicher Abschluss von ›New Start‹ wäre ein Quantensprung für die weltweiten Bemühungen um nukleare Abrüstung und das klare Signal, dass die beiden führenden Atommächte ihre Abrüstungsverpflichtung ernst nehmen, sagte er.

Die NATO lobte die Billigung als bedeutenden Beitrag zur Sicherheit im euro-atlantischen Gebiet. Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen erinnerte daran, dass die Allianz den Aufbau einer Raketenabwehr in Europa beschlossen hat – bei diesem Vorhaben soll Russland mit einbezogen werden. Die Ratifizierung des Vertrags zur Reduzierung strategischer Offensivwaffen war eines von Obamas größten außenpolitischen Zielen. Die Billigung hatte in den vergangenen Wochen wiederholt am seidenen Faden gehangen: Immer wieder gab es Vorbehalte und Blockadeversuche der Republikaner. Obama hatte seinen Weihnachtsurlaub deshalb verschoben. Nach der Entscheidung flog er nach Hawaii.

* Aus: Neues Deutschland, 24. Dezember 2010


Luft nach oben

Von Olaf Standke **

Am Ende wollte man kaum glauben, wie zäh der Streit um diese Ratifizierung in Washington war und wie klein die Chance nach der schweren Schlappe für die Demokraten bei den jüngsten Kongresswahlen schien, den START-Vertrag in Kraft zu setzen. Denn deutlich mehr als die notwendigen neun Republikaner stimmten im Senat schließlich für den »bedeutendsten Abrüstungsvertrag in fast zwei Jahrzehnten«, so Barack Obama. Der Präsident durfte das Votum auch als persönlichen Erfolg verbuchen, hatte er die Reduzierung der strategischen Nuklearwaffen doch zum wichtigsten sicherheitspolitischen Ziel seiner Regierung erklärt und bis zuletzt unermüdlich um Stimmen von konservativen Senatoren geworben. Ob damit aber nach einem Jahr schmerzlicher Niederlagen eine grundsätzliche Trendwende eingeläutet ist, ist zu bezweifeln. Innenpolitisch muss sich Obama in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit wohl darauf einstellen, dass ihn die Republikaner im deutlich nach rechts gerückten Kongress blockieren werden, wo immer es geht, und um so mehr, je näher die nächste Präsidentschaftswahl rückt. Außenpolitisch mag die Gefahr neuer Spannungen in den Beziehungen zu Russland, wo die Ratifizierung jetzt nur noch eine Formsache ist, erst einmal abgewendet sein. Doch wartet bei der Raketenabwehr schon die nächste Belastungsprobe. Und abrüstungspolitisch ist noch viel Luft nach oben, verbleiben doch auf beiden Seiten weiter riesige Atomwaffenarsenale.

** Aus: Neues Deutschland, 24. Dezember 2010


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