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Neues Rüstungsgeschäft mit Riad

Saudi-Arabien will deutsche Patrouillenboote kaufen / Scharfe Kritik der Opposition

Von Olaf Standke *

Es wäre ein neuer Milliardendeal für die deutsche Rüstungsindustrie und wieder entbrennt der Streit um das Empfängerland: Einem Zeitungsbericht vom Wochenende zufolge will Saudi-Arabien für seinen Grenzschutz Patrouillenboote im Wert von 1,5 Milliarden Euro erwerben.

ABC-Spürpanzer, schwere Leopard-Kampfpanzer, zuletzt die Anfrage für den Kauf mehrerer Hundert Radpanzer »Boxer« - deutsche Kriegswaffentechnologie steht in Riad offensichtlich hoch im Kurs. Nun soll der Bundessicherheitsrat, der hinter verschlossenen Türen entscheidet, auch eine Vor᠆anfrage der Lürssen-Werften᠆gruppe mit Hauptsitz in Bremen-Nord positiv beschieden haben. Die von Saudi-Arabien angeforderten Grenzschutz-Boote zum Stückpreis zwischen zehn und 25 Millionen Euro würden danach innerhalb von zwei Jahren nach Vertragsunterzeichnung ausgeliefert werden. Die Werft, die schon vor dem Zweiten Weltkrieg Militärschiffe für die deutsche und internationale Marine baute, und das Wirtschaftsministerium lehnten am Wochenende Stellungnahmen mit Hinweis auf den Schutz von Geschäftsgeheimnissen ab. Lürssen könnte für den Großauftrag von Mai an auch die Kapazität der erst im vergangenen Dezember für 17 Millionen Euro aus der insolventen Gruppe P+S herausgekauften Peene-Werft in Wolgast an der Ostsee nutzen.

Die Opposition wandte sich scharf gegen die Pläne. »Die Bundesregierung will offenbar Saudi-Arabien total hochrüsten und hat aus den öffentlichen Protesten gegen Waffenlieferungen in dieses Land nichts gelernt«, erklärte etwa Thomas Oppermann, Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion. Während die Grünen Bundeskanzlerin Angela Merkel aufforderten, ihren Kurs bei Waffenexporten öffentlich zu rechtfertigen, verlangte der stellvertretende Parteichef der LINKEN Jan van Aken einen Stopp aller Rüstungslieferungen nach Saudi-Arabien: »Wir werden dazu einen Antrag im Bundestag einbringen.«

Im Vorjahr sind deutsche Waffenexporte an die autokratisch regierte Öl-Monarchie für mehr als 1,3 Milliarden Euro genehmigt worden. Laut den Daten des im November vorgelegten regierungsamtlichen Rüstungsexportberichts für 2011 lag Saudi-Arabien auf Platz zwölf der größten Empfänger deutscher Kriegsgüter - ungeachtet der international immer wieder kritisierten undemokratischen Verhältnisse im Land.

2011 hatte die Bundesregierung auch eine Voranfrage Riads zum Kauf von 200 Leopard-2-Kampfpanzern gebilligt und damit harsche Kritik der Oppositionsparteien und der Friedensbewegung provoziert. Insgesamt genehmigte die Bundesregierung Waffenlieferungen im Wert von 10,8 Milliarden Euro. Deutschland ist heute der weltweit drittgrößte Rüstungsexporteur und liefert Kriegsgüter auch in Spannungsgebiete und Länder, in denen Menschenrechte verletzt werden.

* Aus: neues deutschland, Montag 11. Februar 2013


Mehr deutsche Waffen für die Saudis

Bundesregierung rüstet arabisches Königreich systematisch auf **

Saudi-Arabien will nach einem Zeitungsbericht Patrouillenboote in Deutschland kaufen. Das Königreich wolle bei der Werftengruppe Lürssen Grenzschutzboote im Gesamtwert von 1,5 Milliarden Euro erwerben, berichtete Bild am Sonntag. Eine Voranfrage der Werft sei bereits vom Bundessicherheitsrat, der solche Geschäfte im Militärbereich genehmigen muß, positiv beschieden worden. Die Boote sollten innerhalb von zwei Jahren nach Vertragsunterzeichnung ausgeliefert werden. Eine Sprecherin des zuständigen Bundeswirtschaftsministeriums lehnte eine Stellungnahme zu dem Bericht ab.

Von der Opposition kam scharfe Kritik an dem angebahnten Geschäft. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, warf der Bundesregierung vor, sie wolle Saudi-Arabien offenbar »total hochrüsten« und habe aus den Protesten gegen frühere Rüstungsgeschäfte nichts gelernt. Oppermanns Kollegin Katja Keul von den Grünen verlangte von Kanzlerin Angela Merkel, die Karten auf den Tisch zu legen und ihre Exportpolitik öffentlich zu rechtfertigen. Der stellvertretende Linkspartei-Chef Jan van Aken forderte: »Es ist Zeit, alle Waffenexporte nach Saudi-Arabien zu stoppen«. Seine Partei werde einen solchen Antrag im Parlament einbringen. Im vergangenen Jahr seien deutsche Rüstungsexporte in das Land für mehr als 1,3 Milliarden Euro genehmigt worden.

Deutsche Rüstungsgeschäfte mit Saudi-Arabien sorgen immer wieder für politischen Streit: 2011 hatte Berlin eine Voranfrage Saudi-Arabiens zum Kauf von Leopard-2-Kampfpanzern positiv beschieden. Die Bundesregierung hat Saudi-Arabien wiederholt als »Stabilitätsfaktor« in der Region und als Partner im Kampf gegen Terrorismus bezeichnet. Laut Rüstungsbericht 2011 lag das Land auf Platz zwölf der Empfänger deutscher Militärtechnik. Das Königreich, in dem die Scharia angewandt wird, gilt als besonders reaktionär.

** Aus: junge Welt, Montag 11. Februar 2013


Verlogene Politik

Von Olaf Standke ***

Saudi-Arabien gehört zu den weltweit größten Rüstungsimporteuren - und ist seit Jahren einer der wichtigsten Kunden für deutsche Waffenschmieden. Allein 2011 genehmigte die Bundesregierung Geschäfte im Umfang von 1,3 Milliarden Euro; es gab in den vergangenen Jahren unter anderem Anfragen für den Kauf von 30 ABC-Spürpanzern, für Hunderte Radpanzer, für 200 Kampfpanzer »Leopard 2«, die zu den schlagkräftigsten konventionellen Gefechtsfeldwaffen gehören.

Nun also Patrouillenboote. Auch das ein Milliardengeschäft, auch das offensichtlich unbedenklich für Schwarz-Gelb in Berlin. Dabei beruft man sich dort doch gern auf die angeblich international so vorbildlich strengen Exportrichtlinien. Hielte man sich wirklich an sie, dürften keine deutschen Kriegswaffen in Spannungsgebiete oder Staaten geliefert werden, in denen Menschenrechtsverletzungen Alltag sind.

Saudi-Arabien aber ist nicht nur nach Einschätzung von Amnesty International ein solches Land: mit stark eingeschränkter demokratischer Teilhabe seiner Bevölkerung, aber vielen Todesurteilen, ohne Frauenrechte, aber mit Folter und Misshandlungen. Die monarchistische Autokratie steht auch Gewehr bei Fuß, wenn etwa im benachbarten Bahrain der »Arabische Frühling« verhindert werden muss. Und die Bundesregierung belohnt diese verheerende Menschenrechtsbilanz auch noch mit Waffenlieferungen, weil man Riad als strategischen Partner und Stabilisator in der Region sieht. Eine verlogene Politik.

*** Aus: neues deutschland, Montag 11. Februar 2013 (Kommentar)


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