Taliban mit deutschen Pistolen
Waffenfunde in Afghanistan bestätigen: Exportkontrolle außer Kontrolle
Von René Heilig *
In Afghanistan werden deutsche
Soldaten und ihre Verbündeten
auch mit deutschen Waffen beschossen.
Werden diese erbeutet,
verzichtet man auf die Feststellung
von Seriennummern – obwohl so
die Herkunft ermittelt werden
könnte.
Bundeswehrsoldaten können in
Afghanistan auch mit Waffen
und Granaten »Made in Germany
« beschossen werden. Seit
2009 – erst seither werden eingesammelte
gegnerische Waffen
überhaupt registriert – haben
Soldaten der Internationalen
Schutztruppe (ISAF) deutsche
Maschinenpistolen, ein Maschinengewehr
und ein G 3-
Sturmgewehr von Heckler und
Koch erbeutet. Die schwäbische
Firma geriet in jüngster Zeit
mehrfach in die Schlagzeilen,
weil unter anderem in Mexiko
und Libyen G 36 Sturmgewehre
auftauchten, die dort ob angeblich
strenger Exportrichtlinien
nicht hätten sein dürfen. Das
G 3 wird in 15 Ländern in Lizenz
produziert, nach Saudi-
Arabien wurde die Lizenz zur
Produktion des G 36 vergeben.
Von der ISAF aufgespürt
wurden auch zwei Pistolen mit
Schalldämpfer. Dazu kommen
ein Mörser sowie zwei funktionstüchtige
Wehrmachtskarabiner
98K. Die gefundenen
Handgranaten sind deutschdeutsche
»Nachkriegsware«.
Offenbar beliebt bei afghanischen
Aufständischen sind
sowjetische RGD 5, die in der
DDR für NVA, Polizei und
Kampfgruppen produziert
wurden. Auch Industriesprengstoff
aus deutscher Produktion
hat man festgestellt. »Neben der
Munition aus russischer, chinesischer
und iranischer Produktion
wurden in Afghanistan
auch Schützenabwehrminen
jugoslawischer und tschechischer
Bauart« gefunden,
schreibt das Verteidigungsministerium
auf eine Anfrage des
Bundestagsabgeordneten und
ehemaligen UN-Waffeninspektors
Jan van Aken von der LINKEN.
Auch seien »Sprengstoffe
aus deutscher Produktion (...),
Panzerabwehrminen italienischer
Bauart sowie Handwaffenmunition
amerikanischer
Herkunft« sichergestellt worden.
Bei Waffen und Granaten
ließe sich anhand der Produktionsnummern
ermitteln, von
wem diese wann an wen verkauft
wurden. Schon weil der
Bundesnachrichtendienst sowie
die Bundeswehr bereits in die
Informationskette einbezogen
sind. Umso erstaunlicher, dass
»lediglich der Waffen- bzw.
Munitionstyp« erfasst wird.
Und: Die Beute afghanischer
Sicherheitstruppen wird nicht
einmal an die ISAF gemeldet. So
ist von einer hohen Dunkelziffer
auszugehen.
Für van Aken sind die Funde
ein erneuter Beweis dafür,
»dass die Exportkontrolle überhaupt
nicht funktioniert. Sind
sie erst einmal verkauft, werden
sie von Krieg zu Krieg weitergereicht.«
Bereits 2009 waren vagabundierende
deutsche Waffen
in Afghanistan entdeckt worden.
10 000 Pistolen Walther P1
waren 2006 an afghanische Sicherheitsbehörden
geliefert
worden. Viele davon landeten
jedoch auf dem Schwarzmarkt.
* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 9. August 2012
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