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Arabische U-Boote für die Bundeswehr?

ThyssenKrupp verhandelt über den Verkauf seiner U-Boot-Werft an Abu Dhabi Mar

Von Hermannus Pfeiffer *

Die deutschen Werften stecken weiter tief in der Krise. Einige Konzerne suchen deshalb ihr Heil im Ausverkauf. Davon betroffen sind teilweise auch militärisch äußerst brisante Bereiche, wie der U-Boot- und Kriegsschiffbau.

Einen der größten Stände auf der Weltleitmesse der Schiffbauindustrie präsentiert wie in den Vorjahren der deutsche Stahlbaukonzern ThyssenKrupp. Die internationale Schiffbaumesse SMM öffnet heute ihre Tore in Hamburg. 2003 Aussteller aus 58 Nationen werden in elf Hallen vom Schiffspropeller über Offshoreplattformen bis zur Anti-Piraten-Schallkanone die ganze Palette der Meerestechnik vorstellen. Mit dabei ist auch ThyssenKrupp Marine Systems. Doch das Traditionsunternehmen aus Essen ist gerade dabei, sich aus dem Schiffbau weitgehend zurückzuziehen. Als einziger Interessent für den Kriegsschiff- und U-Boot-Bau für die deutsche Bundeswehr steht derzeit ein Konzern aus Abu Dhabi bereit.

Während der Weltschiffbau boomt, steht die Stimmung an den deutschen Küsten auf Krise. Die industriellen Flaggschiffe Norddeutschlands, die Werften, drohen »leer zu laufen«, warnt die IG Metall: Die meisten alten Aufträge sind bald abgearbeitet und neue kaum in Sicht. Der Maritime Koordinator der Bundesregierung, Hans-Joachim Otto, machte zwar auf einer Pressekonferenz der SMM guten Wind, die Branche habe demnach »den Turnaround geschafft«. Doch der Schiffbau bleibt, trotz einzelner neuer Aufträge, skeptisch. Ein Dutzend Werften an der Küste funken weiter SOS, die Hälfte dümpelt durch Insolvenzverfahren. Nur staatliche Subventionen und kräftige Kapitalgeber halten viele noch über Wasser.

Branchenprimus ThyssenKrupp sucht sein Heil im Ausverkauf. Dabei war ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) erst unter politischer Hilfe des sozialdemokratischen Marinekanzlers Gerhard Schröder als nationales Leuchtturmprojekt 2005 unter dem Dach des Stahlkonzerns zusammengefügt worden. Auch alle folgenden Bundesregierungen erklärten die Werften zu einer »strategischen Industrie«.

Doch ThyssenKrupp verkaufte mittlerweile die traditionsreichen Nordseewerke in Emden an den Windmüller SIAG und seine Werft in Rendsburg an den arabischen Investor Abu Dhabi Mar. Werften in Hamburg und Kiel sollen folgen. Der Deal mit den Arabern dürfte in diesen Tagen mit dem »Clothing« vollzogen werden, nachdem die EU Ende August die Fusion erlaubte.

Pikant sind dabei vor allem die Rüstungsinteressen: Abu Dhabi Mar und ThyssenKrupp gründen ein 50:50-Joint-Venture für den Bau von Überwasserkriegsschiffen. Gleichzeitig bestätigt ThyssenKrupp auf Anfrage Gespräche über den Verkauf von Hellenic Shipyards in Griechenland. Dort lässt ThyssenKrupp Hochtechnologie-U-Boote bauen. Dem deutschen Stahlkonzern bliebe dann noch HDW in Kiel und damit die U-Boot-Entwicklung. Doch auch hier scheint eine Beteiligung von Abu Dhabi Mar mittlerweile möglich, heißt es am Rande der Messe SMM. ThyssenKrupp will sich an solchen »Spekulationen« nicht beteiligen.

Abu Dhabi Mar könnte so zum Weltmarktführer im militärisch brisanten Bau von Marathon-U-Booten aufsteigen. Eigentlich sind davon nationale Sicherheitsinteressen betroffen. Das Außenwirtschaftsgesetz erlaubte es der Bundesregierung, einen Ausverkauf von TKMS zu stoppen. Aber wie im zivilen Schiffbau weigert sich die Bundesregierung, nachhaltig einzugreifen. Eine Anfrage der IG Metall blieb bislang von der Bundesregierung unbeantwortet.

* Aus: Neues Deutschland, 7. September 2010


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