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"Nur U-Boote zu bauen, führt nicht zum Ziel"

Bei ThyssenKrupp stehen 1500, inklusive Zulieferern sogar 4000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Ein Gespräch mit Heino Bade *


Heino Bade ist Schiffbauexperte der IG Metall Küste und sitzt für die Gewerkschaft im Aufsichtsrat von ThyssenKrupp

Am Freitag (1. Juli) hat Thyssen­Krupp bekanntgegeben, daß der geplante Verkauf von konzerneigenen Werften an das Unternehmen Abu Dhabi Mar aus den Vereinigten Arabischen Emiraten gescheitert ist. Der Deal sei fast in trockenen Tüchern, hatte es bis zuletzt geheißen. Warum ist das Geschäft jetzt trotzdem geplatzt?

Der Vorstand hat dem Aufsichtsrat noch im Mai mitgeteilt, daß man sich zu neunzig Prozent mit Abu Dhabi Mar einig sei. Strittig war lediglich die langfristige Absicherung von Aufträgen, es handelt sich dabei allerdings um Milliardenbeträge. Diese Summen muß ein Werftbetreiber vorfinanzieren können. ThyssenKrupp hatte ein großes Interesse an Planungssicherheit, weil es die Hälfte der Anteile am Rüstungsgeschäft behalten wollte.

ThyssenKrupp hat die neue politische Lage in der arabischen Welt als Grund des Scheiterns angeführt. Was soll das bedeuten?

Die Demokratiebewegungen haben die Umstände völlig umgewälzt. Zu Beginn der Verhandlungen mit Abu Dhabi Mar sah es in der Region noch ganz anders aus. Durch den Sturz von Diktatoren sind neue Kräfteverhältnisse entstanden.

Warum sollten die arabischen Staaten keine Kriegsschiffe mehr kaufen?

Mit den alten Regimen sind potentielle Kunden für Marinegeschäfte verschwunden. Es ist noch nicht ausgemacht, ob die ohnehin schon knappen Staatsgelder weiter für Rüstungsaufträge verwendet oder aber in Bildung, Infrastruktur etc. investiert werden. Wir haben es mit einer ganz neuen geopolitischen Situation zu tun, sowohl was die Sicherheitslage als auch die Marktzugänge für den militärischen Schiffbau betrifft.

Ist es das, was ThyssenKrupp als fehlende langfristige Absicherung von Aufträgen bezeichnet, oder haben die Scheichs kein Geld mehr?

Daß die Scheichs kein Geld mehr haben, kann ich mir nicht vorstellen. Daß die politischen Verhältnisse Einfluß auf die Verhandlungen haben, war uns dagegen schon länger bekannt. Warum der Verkauf im einzelnen geplatzt ist, erschließt sich uns jedoch nicht.

Ein Teil des Deals soll aber bestehen bleiben. Welcher?

Bereits an Abu Dhabi Mar gegangen sind der Yacht- und Spezialschiffbauer Nobiskrug in Schleswig-Holstein und die griechische Werft Hellenic Shipyards. Von der Veräußerung des zivilen Schiffbaus bei Blohm + Voss in Hamburg und HDW in Kiel sowie der fünfzigprozentigen Beteiligung am militärischen Schiffbau bei Blohm + Voss Naval ist nur noch der Verkauf von HDW Gaarden übrig geblieben. Dieses Geschäft begrüßt die IG Metall natürlich, denn es sichert 180 Arbeitsplätze. Völlig offen ist aber, wie es für die insgesamt vier Tochterfirmen von Blohm + Voss auf der Hamburger Werft und in Kiel bei den Ingenieuren weitergeht.

Welche Folgen hat das für die Arbeitsplätze dort?

Die Beschäftigten erwarten, daß sich ThyssenKrupp an seine Zusagen hält. Der Konzern will auch über den Schiffbau hinaus Unternehmensteile abstoßen. Deshalb haben der Konzernbetriebsrat und die IG Metall mit der Unternehmensleitung eine Vereinbarung getroffen, daß in solchen Fällen neue industrielle Konzepte mit uns abgestimmt, einvernehmliche Lösungen gesucht und betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen werden müssen. ThyssenKrupp muß diesen Vertrag jetzt einhalten. Denn es stehen 1 500 Arbeitsplätze auf dem Spiel, inklusive Zulieferern sind es sogar 4 000.

ThyssenKrupp hat am Freitag erneut bekundet, künftig ausschließlich Kriegsschiffe bauen zu wollen. Was wird aus der zivilen Fertigung in der Schiffbauabteilung?

Genau dieser Frage müssen wir uns stellen. Damit werden wir in dieser Woche beginnen. Es gilt nun, gemeinsam das gerade erwähnte industrielle Konzept zu erarbeiten, um langfristig die Beschäftigung zu sichern. Das bedeutet auch, einen neuen Investor zu suchen.

Die IG Metall hält es für falsch, sich ausschließlich auf den militärischen Sektor zu konzentrieren. Das bietet im weltweit hart umkämpften Rüstungsmarkt keine nachhaltige Perspektive. Nur U-Boote und militärische Überwasserschiffe zu bauen, führt nicht zum Ziel. Allein die angespannten öffentlichen Finanzen sprechen dagegen. Diese Diskussion führen wir bereits seit Jahrzehnten. Es wäre deutlich sinnvoller, wenn sich die deutschen Werften spezialisieren und ihr Know-how in die zivile Produktion transferieren. Wir müssen hier viel stärker Alternativen entwickeln.

Interview: Mirko Knoche

* Aus: junge Welt, 4. Juli 2011


ThyssenKrupp Marine Systems – Restrukturierung weitestgehend abgeschlossen / Zukunftskonzept durch U-Boot-Auftrag Türkei bestätigt

Presse-Mitteilung, 01.07.2011 **

U-Boot-Strategie der ThyssenKrupp Marine Systems Gruppe bestätigt

Der von der Türkischen Republik an ThyssenKrupp Marine Systems erteilte Auftrag über sechs U-Boot-Materialpakete vom Typ U 214 im Wert von rd. 2,0 Mrd. € ist mit dem Eingang der Anzahlung in Kraft getreten. Als langjähriger Partner und Lieferant der Türkischen Marine kann ThyssenKrupp Marine Systems jetzt mit der Ausführung dieses Auftrages beginnen. Dieser Auftrag wird bei HDW in Kiel, aber auch bei vielen Unterlieferanten in Deutschland und in der Türkei für die nächsten zehn Jahre zur Beschäftigung beitragen.

Auch die im Oktober 2010 erreichte umfassende Lösung für die Hellenic Shipyards, bei der die Privinvest Shipbuilding, ein Hauptanteilseigner der Abu Dhabi MAR, von uns 75,1 % der Anteile erworben hat, ist als ein Meilenstein für die ThyssenKrupp Marine Systems Gruppe zu betrachten. ThyssenKrupp Marine Systems konnte erreichen, dass das erste U-214-Boot für die griechische Marine abgenommen und alte Schulden bezahlt wurden. Als Teil dieser Einigung wurde eine Option für den Auftrag über zwei weitere U-Boote bei Hellenic Shipyards/HDW erteilt. Unter der Voraussetzung, dass die griechischen Behörden das zugesagte starke Engagement auch zeigen, sind alle Beteiligten gewillt, diesen Auftrag erfolgreich in Kraft zu setzen.

Marine-Überwassergeschäft erstmals seit vielen Jahren wieder kurz vor einem Exporterfolg

Das Marine-Überwassergeschäft unter dem Markennamen MEKO wurde in der in diesem Jahr gegründeten Blohm+Voss Naval GmbH mit den beiden Standorten Hamburg und Emden neu strukturiert. Die Blohm+Voss Naval GmbH, eine leistungsstarke Einheit mit rund 500 Mitarbeitern, die darauf spezialisiert ist, Engineering, Einkauf und Projektmanagement für komplexe Überwasser-Marineschiffe zu liefern, und zwar im Zusammenwirken mit unterschiedlichen Fertigungsstätten im In- oder Ausland. Dies entspricht den Erwartungen vieler Exportkunden: Engineering aus Deutschland, Fertigung im Bestellerland.

Mit den vier Schiffen des F 125 Programms für die Deutsche Marine verfügt dieser Bereich über eine solide Grundauslastung; ein erster Exporterfolg ist vermutlich schon bald zu erwarten.

In der notwendigen Trennung vom zivilen Schiffbau wurden bedeutende Schritte umgesetzt

Die Finanzkrise begründete gerade im Bereich des zivilen Schiffbaus durchgreifenden Handlungsbedarf: Kapazitäten im Handelsschiffbau mussten reduziert, der Export gestärkt und das Problem in Griechenland gelöst werden.

Im März 2010 wurde der größte Teil der Emder Nordseewerke im Zuge eines für die Küste einmaligen industriellen Transformationsprozesses an die SIAG-Gruppe übergeben, die dort Groß-Komponenten für Offshore Windparks in der Nordsee fertigt und schon mehrere entsprechende Aufträge erhalten hat.

Als ein weiteres Element der neuen Strategie war der geplante Verkauf des zivilen Schiffbau-Geschäftes von Blohm+Voss und HDW an die Abu Dhabi MAR-Gruppe geplant (verbunden mit einem Joint Venture bei Blohm+Voss Naval für den Bereich des militärischen Überwasser-Schiffbaus). Nach zwei Jahren freundschaftlicher Gespräche und Verhandlungen sind beide Seiten, ThyssenKrupp Marine Systems und Abu Dhabi MAR, übereingekommen, ihre Bemühungen zur Schaffung der beabsichtigten Partnerschaft im Naval-Bereich sowie im nicht-militärischen Schiffbau einzustellen. Beide Seiten gehen davon aus, dass sich die kommerziellen Anreize für die Transaktion in einer Weise abgeschwächt haben, dass nunmehr anfänglich erwartete Geschäftschancen so nicht mehr tragfähig erscheinen.

Der Umfang der Transaktion zwischen beiden Seiten wird sich jetzt ausschließlich auf den zivilen Teil der HDW-Gaarden in Kiel beziehen. Die zugehörigen Verträge wurden mit Zustimmung der Aufsichtsgremien abgeschlossen; lediglich die formalen gesetzlichen Genehmigungserfordernisse müssen noch erfüllt werden.

Für die zivilen Bereiche von Blohm+Voss wird unverzüglich an Lösungen gearbeitet mit dem Ziel, diese Gesellschaften mittelfristig ebenfalls auf neue Eigentümer zu überführen, die auf das Geschäft dieser Gesellschaften einen stärkeren strategischen Fokus legen können als ThyssenKrupp.

Entsprechend der am 13. Mai beschlossenen strategischen Weiterentwicklung wird sich die ThyssenKrupp Marine Systems in Zukunft auf den militärischen Schiffbau konzentrieren. Dabei handelt es sich um die technologisch hochwertigen Kapazitäten zur Systemintegration von U-Booten bei HDW in Kiel und bei Kockums in Schweden sowie um die Fähigkeit zum Design, zur Ausrüstung und zur Abwicklung komplexer Vorhaben im militärischen Überwasserschiffbau bei Blohm+Voss Naval in Hamburg.

Insgesamt sieht sich ThyssenKrupp Marine Systems in einer guten Position. Als kompakt aufgestellter, auf Hochtechnologie spezialisierter Systemintegrator im weltweiten Wettbewerb des militärischen Schiffbaus wird sich ThyssenKrupp Marine Systems gut behaupten und damit in Zukunft wieder zum Ergebnis von ThyssenKrupp angemessen beitragen können. Auch die Beschäftigung für die Mitarbeiter der Gruppe wird nachhaltig gesichert.

ThyssenKrupp ist ein integrierter Werkstoff- und Technologiekonzern. Derzeit arbeiten rund 177.000 Mitarbeiter mit Ideen und Innovationen in über 80 Ländern an Produktlösungen für nachhaltigen Fortschritt. Sie erwirtschafteten im Geschäftsjahr 2009/2010 einen Umsatz von mehr als 42 Mrd €. Acht Business Areas bündeln die Aktivitäten und das Know-how des Konzerns in den strategischen Kompetenzfeldern Materials und Technologies. Wir konzentrieren uns als Konzern neben der Herstellung von Werkstoffen und Anlagen auf komplette Systemlösungen und innovative Dienstleistungen. Unser Portfolio optimieren wir kontinuierlich, um die Ertragskraft und den Wert des Unternehmens nachhaltig zu steigern.

Ansprechpartner:
ThyssenKrupp AG, Alexander Wilke

** Internet: www.thyssenkrupp.com


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