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Barrieren gegen Todesmakler

Weltvertrag soll internationale Waffentransfers eindämmen

Von Wolfgang Kötter *

Am Hauptsitz der Vereinten Nationen in New York berät ab heute (13. – 17. Februar) ein Vorbereitungsausschuss letztmals vor der für den Sommer geplanten Konferenz, die einen weltweiten Vertrag zur Begrenzung des internationalen Waffenhandels ausarbeiten soll. Das ist bitter nötig und längst überfällig.

Deutsche Waffen für die Welt

Die weltweiten Rüstungsausgaben haben im Jahr 2010 nach Berechnungen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI 1,6 Billionen US-Dollar betragen und damit die Ausgaben von 2009 um 1,3 Prozent überschritten. Der Umfang internationaler Transfers von schweren konventionellen Waffen lag für die Jahre 2006 bis 2010 um 24 Prozent höher als in den Jahren von 2001 bis 2005. Deutschland hat an diesem verhängnisvollen Trend kräftig verdient. Im genannten Zeitraum stiegen die deutschen Rüstungsexporte um 96 Prozent gegenüber dem Jahrfünft davor. Damit wuchs der deutsche Weltmarktanteil auf rund elf Prozent. Nur die USA (30) und Russland (23) exportieren noch mehr. Deutschland führte in den letzten fünf Jahren beinahe so viele Rüstungsgüter aus wie Frankreich und Großbritannien zusammen.

Laut jüngstem Rüstungsexportbericht der Bundesregierung hat Deutschland 2010 mit dem Export von Waffen und Rüstungsgütern so viel Geld eingenommen wie nie zuvor. Den Wert der ausgeführten Kriegsgüter beziffert der Bericht auf 2,1 Mrd. Euro, eine Steigerung um knapp 50 Prozent gegenüber den rund 1,34 Mrd. Euro im Vorjahr. Verkauft wurden vor allem U-Boote, Kriegsschiffe und Panzer. Etwa zwei Drittel der deutschen Lieferungen gingen an EU-Mitglieder oder NATO-Verbündete. Aber auch Ausfuhren nach Afrika und in die Golfstaaten wurden genehmigt. Die Exporte sind umstritten, weil der tatsächliche Endverbleib der Waffen kaum kontrollierbar ist. So tauchten beispielsweise während der Kämpfe in Libyen G-3-Sturmgewehre der Firma Heckler & Koch auf, die offiziell nach Ägypten geliefert worden waren.

Obwohl die Rüstungsexport-Richtlinien der Bundesregierung Exportgenehmigungen ausdrücklich ausschließen, wenn ein hinreichender Verdacht vorliegt, dass Rüstungsgüter zur inneren Repression oder zu systematischen Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden, ignorieren Bundesregierungen jeglicher Couleur sie regelmäßig. Diese Waffenexportzahlen seien „ein friedenspolitischer Offenbarungseid", kritisieren die Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag Peter Strutynski und Lühr Henken. Wirksame Rüstungsexportverbote fordert auch Jan van Aken von der Linksfraktion im Bundestag und hält das Verbot von Kleinwaffen für einen ersten Schritt, denn diese seien die wahren Massenvernichtungswaffen unserer Zeit. Deutsche Sturmgewehre würden in fast jedem Krieg dieser Welt eingesetzt. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation amnesty international haben die Bundesrepublik und 16 weitere Staaten in den vergangenen Jahren massiv Rüstungsexporte in Spannungsregionen genehmigt. Waffenhandelsexpertin Helen Hughes spricht „vom großen Versagen bestehender Kontrollmechanismen für Waffenexporte“. Diese Schlupflöcher belegten, „wie dringend ein internationales Waffenhandelsabkommen gebraucht wird, das den Schutz der Menschenrechte ganz oben anstellt.“

Auf dem Weg zum globalen Waffenhandelsvertrag

Diese Lücke soll nun geschlossen werden. Das Projekt eines globalen Waffenhandelsvertrages (Arms Trade Treaty) begann als sich im Jahre 2003 amnesty international, die Hilfsorganisation OXFAM und das Internationale Aktionsnetzwerk gegen Kleinwaffen IANSA zur Kampagne "Waffen unter Kontrolle!" zusammenschlossen. Mit vielfältigen Aktionen setzen sie seither ihre Regierungen unter Druck und verlangen, ein rechtsverbindliches Kontrollabkommen auszuarbeiten. Der weltweite Vertrag soll vor allem Waffenverkäufe verhindern, die zu brutalen Verletzungen von Menschenrechten und des humanitären Völkerrechts missbraucht werden oder eine nachhaltige Entwicklung in den Empfängerländern behindern. Auf der UNO-Vollversammlung unterstützten im vergangenen Dezember 166 Staaten das Projekt. Es gab keine Gegenstimme und 13 Enthaltungen. Zu den Verweigerern gehören Ägypten, Iran, Jemen, Libyen, Pakistan, Saudi-Arabien, Syrien und die Vereinigten Arabischen Emirate.

Die bisherigen drei Vorbereitungstagungen haben in den vergangenen Jahren gute Arbeit geleistet. Unter der Leitung von Roberto García Moritán aus Argentinien entstand ein Textgerüst mit möglichen Elementen eines zukünftigen Vertrages einschließlich der Prinzipien, Ziele, Kriterien, Umfang und Erfüllung. Angestrebt wird ein Rahmenvertrag, der Mindeststandards formuliert, die die einzelnen Mitgliedstaaten in ihren nationalen Kontrollsystemen anwenden und umsetzen müssen. Im Zentrum sollen Genehmigungskriterien stehen, die zu erfüllen sind, damit ein Waffen- und Rüstungsverkauf stattfinden darf. Als eines der umstrittensten Themen erwies sich in der bisherigen Diskussion, welche Waffen in den Vertrag einbezogen werden und wie sie definiert werden sollen. Viele Staaten favorisieren die sieben Kategorien des bestehenden UN-Registers für konventionelle Waffen als Grundlage. Das wären gepanzerte Kampffahrzeuge, Kampfpanzer, großkalibrige Artilleriesysteme, Kampfflugzeuge und Kampfhubschrauber, Kriegsschiffe sowie Raketen einschließlich ihrer Start- und Abschusssysteme. Anderen geht das aber nicht weit genug. Sie verlangen ebenfalls die Einbeziehung sogenannter Kleinwaffen und leichter Rüstungen, deren Gesamtzahl weltweit auf über 875 Mio. geschätzt wird. Durch derartige Waffen wie Mörser und Minen, Sturmgewehre und Maschinenpistolen, Revolver und Handgranaten sterben täglich unzählige Menschen, ob in bewaffneten Konflikten und Bürgerkriegen, im privaten Streit oder durch Verbrechen. Kleinwaffen sind laut Internationalem Roten Kreuz für 95 Prozent der Getöteten heutiger Kriege verantwortlich. Kontrovers ist ebenfalls, ob auch der Handel mit Munition von dem Vertrag erfasst werden soll.

„Die Grundlagen für einen zukünftigen Waffenhandelsvertrag sind gelegt“, fast Jeff Abramson, Koordinator von „Waffen unter Kontrolle!“, die Vorbereitungsarbeiten optimistisch zusammen. Doch trotz der bisher erreichten Fortschritte ist allen Beteiligten klar, dass noch schwierige Verhandlungen bevorstehen.

Die größten Waffenexporteure 2010

Rang Land Mrd. US-$
1 USA 28,56
2 Russland 10,14
3 Deutschland 5,30
4 Frankreich 4,02
5 Großbritannien 3,44

Quelle: Nachrichtenagentur RIA

Aus den Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern

Die Lieferung von Kriegswaffen und kriegswaffennahen sonstigen Rüstungsgütern wird nicht genehmigt in Länder,
  • die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind oder wo eine solche droht,
  • in denen ein Ausbruch bewaffneter Auseinandersetzungen droht oder bestehende Spannungen und Konflikte durch den Export ausgelöst, aufrechterhalten oder verschärft würden.
Lieferungen an Länder, die sich in bewaffneten äußeren Konflikten befinden oder bei denen eine Gefahr für den Ausbruch solcher Konflikte besteht, scheiden deshalb grundsätzlich aus, sofern nicht ein Fall des Artikels 51 der VN-Charta vorliegt.

Bei der Entscheidung über die Genehmigung des Exports von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern wird berücksichtigt, ob die nachhaltige Entwicklung des Empfängerlandes durch unverhältnismäßige Rüstungsausgaben ernsthaft beeinträchtigt wird.

Ferner wird das bisherige Verhalten des Empfängerlandes im Hinblick auf
  • die Unterstützung oder Förderung des Terrorismus und der internationalen organisierten Kriminalität,
  • die Einhaltung internationaler Verpflichtungen, insbesondere des Gewaltverzichts, einschließlich der Verpflichtungen auf Grund des für internationale und nicht-internationale Konflikte geltenden Völkerrechts,
  • die Übernahme von Verpflichtungen im Bereich der Nichtverbreitung sowie in anderen Bereichen der Rüstungskontrolle und der Abrüstung, insbesondere die Unterzeichnung, Ratifizierung und Durchführung der im EU-Verhaltenskodex für Waffenausfuhren aufgeführten Rüstungskontroll- und Abrüstungsvereinbarungen,
  • seine Unterstützung des VN-Waffenregisters berücksichtigt.


* Dieser Beitrag erschien - gekürzt - in: neues deutschland, 13. Februar 2012


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