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UN-Vertrag über Waffenhandel in Gefahr

Konsenszwang könnte schärfere Bestimmungen verhindern / Aktionstag gegen Rüstungsexporte

Von Olaf Standke *

Während Kriegsgegner hierzulande gegen deutsche Rüstungsexporte mobil machen und am Sonnabend einen Aktionstag planen, droht das internationale Waffenhandelsabkommen nach dem letzten Vorbereitungstreffen für die UN-Konferenz im Juli zu scheitern.

Es ist mit 68 Metern Länge das größte U-Boot, das nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland gebaut wurde, und es soll noch in diesem Jahr an Israel ausgeliefert werden. Am Montag wurde es auf dem Gelände der Howaldtswerke-Deutsche Werft in Kiel zu Wasser gelassen. Es sind Rüstungsexporte wie dieses U-Boot der vergrößerten Dolphin-Klasse, die Kritiker nach schärferen Bestimmungen für den internationalen Waffenhandel rufen lassen, zumal es atomwaffenfähig sein soll. Denn die Lieferung geht in ein hochgerüstetes Spannungsgebiet.

Die Bundesregierung habe den Waffenhandel exorbitant gesteigert, kritisierte gestern Jürgen Grässlin, Sprecher des Bündnisses »Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!« Unter Schwarz-Gelb sei er von 1,3 Milliarden Euro 2009 auf über zwei Milliarden Euro gewachsen. Deutsche Rüstungskonzerne belieferten kriegführende Staaten wie Länder, in denen Diktatoren Menschenrechte eklatant verletzen, und trügen so zur Eskalation von Konflikten bei.

Auch das UN-Büro für Abrüstungsfragen weist darauf hin, dass der globale Handel mit konventionellen Waffen von Pistolen und Maschinengewehren bis zu Panzern, Kampfjets und Kriegsschiffen nur unzureichend geregelt sei. Das Bündnis »Stoppt den Waffenhandel!« fordert sogar ein grundsätzliches Verbot von Rüstungsexporten. Ein Gesetz müsse regeln, dass der Handel nur im absoluten Ausnahmefall möglich ist, etwa wenn es um Minenräumgeräte geht.

Davon ist der geplante internationale Waffenhandelsvertrag (Arms Trade Treaty - ATT) weit entfernt. Aber er soll nach dem Willen vieler Staaten und Nichtregierungsorganisationen wenigstens weltweit strengere Auflagen durchsetzen, um schwere Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht zu verhindern oder zumindest einzuschränken.

Das letzte von vier Vorbereitungstreffen für die im Juli angesetzte vierwöchige UN-Konferenz über ein verbindliches multilaterales Abkommen, das jetzt in New York zu Ende gegangen ist, macht da allerdings wenig Hoffnung. Die geforderten schärferen Kontrollen der grenzüberschreitenden Waffengeschäfte drohen auszubleiben. Zwar folge der Bericht des Vorsitzenden des Vorbereitungskomitees Roberto Moritan »zu 70 Prozent unseren Empfehlungen«, wie es Aymeric Elluin von Amnesty International formulierte. Doch setzte eine Staatenminderheit, zu der die USA, Russland, China, Syrien, Iran und Kuba gehören, ein Vetorecht einzelner Länder durch: Die Beschlüsse auf der Vertragsstaatenkonferenz dürfen nur im Konsens aller 193 UN-Mitglieder getroffen werden. Die meisten Staaten in New York hätten sich auch mit einer Zustimmungsmehrheit von 90 Prozent zufrieden gegeben. So aber könnte die Schlussabstimmung auf der ATT-Konferenz scheitern.

Die USA etwa pochen massiv auf den ungehinderten Zugang ihrer Bürger zu Waffen, sperren sich wie China und Russland gegen harte Menschenrechtskriterien bei Exporten und wollen Munition gleich ganz vom Vertrag ausklammern. So wie China oder Ägypten die sogenannten Kleinwaffen. Widerstand gibt es auch gegen diverse Bemühungen, künftig illegal ins Land gelangte Waffen bis zur Herstellerfirma zurückverfolgen zu dürfen.

Der Wunsch einer Staatenmehrheit nach einem wirklich »kugelsicheren« Waffenhandelsabkommen, sagte Jeff Abramson, Koordinator der Waffenkontrollkoalition, dürfe aber nicht von einer Staatenminderheit unterlaufen werden. Denn Waffen vernichteten Menschenleben und Lebensgrundlagen. Am Aktionstag der Kampagne »Aktion Aufschrei: Stoppt den Waffenhandel!« am Sonnabend will das Bündnis mit einer künstlerischen Aktion am Bundestag in Berlin seinen Protest gegen deutsche Rüstungsexporte zum Ausdruck bringen - auf der Wiese vor dem Reichstagsgebäude werden symbolisch 100 große, bombenförmige Ballons an Schnüren in die Luft gelassen.

* Aus: neues deutschland, 22. Februar 2012


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