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Rüstungsgeschäfte – besonders anfällig für Korruption?

Ein Beitrag von Christoph Rasch in der NDR-Sendereihe "Streitkräfte und Strategien" *


Joachim Hagen (Moderator):
Ermittlungen gegen eine Bremer Rüstungsfirma, Schmiergeld beim Panzerdeal oder Korruptionsverdacht gegen Flugzeug-Konzern. Es war kein gutes Jahr für die deutsche Rüstungsindustrie. Solche Fälle machen deutlich, warum Deutschland auf dem Korruptionsindex von Amnesty International nur auf dem zwölften Platz landet. Ist die Rüstungsindustrie besonders Korruptionsanfällig? Und wenn ja, warum? Diesen Fragen ist Christoph Rasch nachgegangen.


Manuskript Christoph Rasch

Die „International Defence Exhibition & Conference“ in Abu Dhabi – eine der wichtigsten Rüstungsmessen weltweit. Mehr als 1.000 Aussteller setzen hier jedes Jahr Milliardensummen um. Und auf dem Branchentreff in den Vereinigten Arabischen Emiraten lässt sich auch besichtigen, wie die Geschäfte abgewickelt werden – sagt der deutsche Bundestagsabgeordnete Jan van Aken von der Linkspartei, der die Messe als Rüstungs-Kritiker besucht hat.

O-Ton van Aken
„Da gibt es einen Stand einer Firma Tawazun. Da werden ausgestellt: Waffen von Rüstungsfirmen aus aller Welt. Auf Nachfrage stellt sich raus: Das ist eine zwischengeschaltete Firma, über die alle Waffeneinkäufe der VAE abgewickelt werden müssen – da werden dann Prozente abgeschöpft. Insofern ist das offenbar eine völlig legalisierte Form der, wie man kann sagen? Bestechung ist es wahrscheinlich gar nicht mehr – sondern des Privatisierens dieser Rüstungsgeschäfte...“

...die in der Region weiterhin boomen: Allein die Vereinigten Arabischen Emirate haben in den vergangenen drei Jahren für mehr als eine Milliarde Euro Rüstungsgüter aus Deutschland bestellt. Auch Nachbar Saudi-Arabien ordert eifrig Waffensysteme und Fahrzeuge „Made in Germany“ – jüngst etwa Patrouillenboote bei der Bremer Lürssen-Werft. Flaute auf dem Rüstungsmarkt?

Keineswegs - im weltweiten Waffenhandel summieren sich die gezahlten Schmiergelder inzwischen auf 23 Milliarden Euro pro Jahr – schätzt die Organisation Transparency International. Eine gigantische Summe – doch verglichen mit den gesamten weltweiten Rüstungsausgaben von jährlich rund 1.500 Milliarden nur ein kleiner Aufschlag. Eine „Provision“, wie sie in der Branche üblicherweise genannt wird und an Lobbyisten oder Mittelsmänner fließt. Klaus Beckmann ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität der Bundeswehr in Hamburg. Jahrelang hat er das Phänomen der Korruption erforscht.

O-Ton Beckmann
„Man muss da zwischen verschiedenen Arten von Korruption unterscheiden: Zum Beispiel gibt es da so etwas wie eine Anfütterungs-Korruption – das heißt, potenzielle Partner werden erst mal eingeladen, ohne dass eine konkrete Gegenleistung verlangt wird. Einfach, um mit denen ins Gespräch zu kommen. Diese Art der Korruption ist zu unterscheiden von Selektions-Korruption wie wir das nennen - das ist dann der Fall, wenn es mehrere Bieter um ein Projekt gibt. Und das dritte, das man da üblicherweise unterscheidet ist Qualitäts-Korruption: da wird einfach schlecht geleistet. Und es wird geschmiert, um diese Schlechtleistung zu übertünchen.“

Da gibt es zum Bespiel so genannte „Kompensations-Geschäfte“ – wenn eine Firma den Zuschlag für einen milliardenschweren Auftrag bekommt, den ein Konkurrent vielleicht günstiger hätte ausführen können. Zum Ausgleich investiert die Firma im Abnehmer-Land, schafft Arbeitsplätze – oder unterstützt Politiker, zum Beispiel per Parteispende. Auch in Deutschland stehen Rüstungsfirmen im Verdacht, sich das Wohlwollen von Politikern etwas kosten zu lassen: In den vergangenen Jahren hat etwa der Gewehr-Hersteller Heckler & Koch regelmäßig vier- bis fünfstellige Summen an CDU, SPD und FDP überwiesen. Für den Politiker Jan van Aken ein Tabubruch.

O-Ton van Aken
„Es riecht doch ganz, ganz schlecht, wenn es Rüstungsexportgenehmigungen für eine Firma gibt, die im gleichen Jahr richtig große Summen an die Regierungsparteien gespendet hat. Das ist erlaubt in Deutschland, das ist keine Korruption – solange ich nicht nachweisen kann, dass es da einen inneren Zusammenhang gibt. Aber das stinkt doch zum Himmel. Ich finde eigentlich, dass Parteispenden von Rüstungsfirmen prinzipiell verboten gehören – denn sie profitieren immer von Entscheidungen einer Regierung.“

Mit seiner Kritik steht van Aken nicht alleine da. Auch die Stuttgarter Staatsanwaltschaft vermutet: Heckler & Koch habe gezielt an Parteien Geld gespendet, um eine Genehmigung für Sturmgewehr-Exporte nach Mexiko zu bekommen. Derzeit nur ein höchst umstrittener Fall unter mehreren, die nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch die deutsche Justiz beschäftigen...

Ein anderer Fall war in den vergangenen Wochen Dauerbrenner in den griechischen Fernsehnachrichten: Antonios Kantas, ein früherer Spitzenbeamter und Rüstungs-Beauftragter im Athener Verteidigungsministerium hatte Ende 2013 gestanden, Schmiergeld in Höhe von mehr als acht Millionen Euro angenommen zu haben. Mit der Aussage von Kantas wurde ein ganzes korruptes Netzwerk enttarnt – in das auch deutsche Konzerne verstrickt sein sollen: Rheinmetall und Atlas Elektronik etwa, die für die Griechen U-Boote nachrüsten und Flugabwehrsysteme liefern sollten. Die Bremer Staatsanwaltschaft ermittelt. Sprecher Frank Passade:

O-Ton Passade
„Inhaltlich geht es darum, dass der Verdacht besteht, dass die Beschuldigten im Zeitraum 1998 bis 2011 griechische Amtsträger zur Erlangung von Rüstungsaufträgen bestochen haben sollen.“

Neben Rheinmetall und Atlas steht auch der Münchner Rüstungskonzern Krauss-Maffei Wegmann im Visier der Ermittlungsbehörden. Ein Athener Unternehmens-Vertreter, inzwischen verhaftet, soll allein für den Verkauf von zwei Dutzend Panzerhaubitzen rund 750.000 Euro an den ehemaligen Regierungsbeamten Kantas gezahlt haben. Und: Kraus-Maffei Wegmann hat seit 2003 auch rund 170 Leopard-2-Panzer an Griechenland geliefert – ein Milliardenauftrag. Sollte herauskommen, dass auch bei diesem Geschäft Schmiergeld geflossen ist, könnten dem Konzern Schadenersatzklagen in Milliardenhöhe drohen, glauben Beobachter. Bestechungen bestreitet Kraus-Maffei Wegmann – nicht aber die Tatsache, dass ihr Lobbyist in Griechenland tätig war. In einer Stellungnahme von Anfang Januar heißt es:

Zitat Krauss-Maffei Wegmann
„Sofort nach den Presseveröffentlichungen der griechischen Vernehmungsprotokolle hat Kraus-Maffei Wegmann externe, vom Unternehmen unabhängige Experten mit der Untersuchung der Aussagen beauftragt.“

Konzerninterne Ermittlungen und ein schärferes Vorgehen der Justiz – das zeige immerhin eine längst überfällige Trendwende beim Umgang mit dubiosen Rüstungsgeschäften, glaubt Christian Humborg, Geschäftsführer der deutschen Niederlassung von Transparency International:

O-Ton Humborg
„Es hat zum einen damit zu tun – gerade was wir in Griechenland erleben –, dass dort natürlich angefangen wird, vielleicht doch ein bisschen stärker zu ermitteln, als das früher der Fall war. Das ändert sich und auch die Anforderungen ändern sich – weil sich natürlich die Rüstungsbranche nicht komplett vom Trend der Restwirtschaft abkoppeln kann, was Entwicklung, Compliance angeht, was Transparenz angeht – das kann sich nicht abkoppeln, gerade, wenn wir es mit Konzernen zu tun haben, wo das Rüstungsgeschäft nur ein Geschäft unter anderen Zweigen ist.“

Das gilt derzeit auch für einen anderen großen Rüstungs-Lieferanten, dessen wichtigstes Standbein der zivile Flugzeugbau ist: Die Airbus Group, die bis Ende 2013 unter dem Kürzel EADS firmierte. Auch der Luft- und Raumfahrtkonzern, der gerade blendende Geschäftszahlen vorlegte, hat einen Korruptionsskandal am Bein. Für den Verkauf von Eurofighter-Jets nach Österreich wurden offenbar von einer Londoner Lobbyisten-Firma schwarze Kassen eingerichtet. Hohe Millionenbeträge sollen geflossen sein, unter anderem für die Förderung eines Wiener Fußballclubs. Um hochrangige Politiker für das teure Rüstungsgeschäft zu begeistern? Die Staatsanwaltschaft München untersucht den Fall – und auch Airbus/EADS will sich um Aufklärung bemühen. Transparency-Mann Humborg lobt das:

O-Ton Humborg
„Das Ergebnis wird auch nicht sein können, dass man sagen wird: wir machen weniger Compliance bei EADS. Das ist gerade erst deutlich geworden, wie weit auch inzwischen die Gesamtverantwortung des Vorstandes eines Unternehmens gilt, dann verstehen immer mehr Führungskräfte, dass sie sich dieser Verantwortung nicht entziehen können, und dann werden sie auch immer weniger bereit sein, diese Risiken einzugehen.“

Ein „Kulturwandel“ in den Chefetagen der Rüstungskonzerne also? Experten wie Klaus Beckmann von der Universität der Bundeswehr sind da eher skeptisch: Die Waffenbranche bleibt auch in Zukunft höchst anfällig für Korruption, sagt Beckmann. Nicht zuletzt, weil bei großen Beschaffungs-Projekten Staaten und Lieferanten über Jahrzehnte miteinander eng verbunden sind.

O-Ton Beckmann
„Anders als bei Autos steht die Waffe ja noch nicht, wenn der Vertrag geschlossen wird. Und die Produktlebenszyklen sind deutlich länger. Wir hatten jetzt bei dem Luchs 40 Jahre ein System in Betrieb. Und deswegen gibt es aus guten Gründen diese sehr langfristigen, auch sehr offenen Vertragsbeziehungen. Tatsache ist aber, dass sich an dem Grundproblem durch die Reduktion der Beschaffungsumfänge erst mal nicht so viel ändern wird. Es wird ja nach wie vor darum gehen, dass es Personen gibt, die interessiert sind am Zugang zu bestimmten Projekten.“

Die Rüstungsausgaben in Europa oder den USA schrumpfen – das aber setzt die hiesigen Konzerne unter Druck. Sie müssen sich verstärkt neue Abnehmer für ihre Panzer, Flugzeuge und Raketen suchen: In Indien, Südamerika oder eben im arabischen Raum. Mehr Transparenz? Fehlanzeige, kritisiert Transparency: Der Bundessicherheitsrat, der hierzulande die Ausfuhrgenehmigungen erteilt, werde dies wohl auch weiterhin im Geheimen tun.

Das Fazit der Experten: Wenn europäische und deutsche Rüstungsschmieden künftig stärker um den Export in Nicht-NATO-Staaten konkurrieren, in denen Lobbyisten oder staatliche Zwischenhändler großen Einfluss haben – dann dürften Schmiergeldzahlungen wie im Falle Griechenlands im internationalen Waffenhandel wohl noch auf lange Sicht einfach dazugehören. Immerhin: innerhalb Europas hat die öffentliche Debatte um Korruptionsbekämpfung den bisher extrem verschlossenen und verschwiegenen Rüstungssektor mittlerweile erreicht.

* Aus: NDR Info: Das Forum STREITKRÄFTE UND STRATEGIEN, 8. März 2014; www.ndr.de/info


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