Keine Spähsoftware für Diktatoren
Wirtschaftsminister Gabriel will den Export von Überwachungstechnologie in ausgewählte Staaten stoppen
Von Johanna Treblin *
Der Zoll soll ein besonders wachsames Auge auf die Ausfuhr von Überwachungstechnologie haben. Sinnvoll ist ein solches Exportverbot aber nur mit einer internationalen Lösung.
Protest kündigt sich auch digital an. Menschen organisieren sich, mobilisieren Mitstreiter, berichten von Schwierigkeiten und wie man sie umgehen kann. Sie verschicken Mails oder Nachrichten mit dem Handy. Wenn Überwachungssoftware einen solchen Anstieg des Datenverkehrs feststellt, schlägt sie Alarm. Für Regimekritiker kann das zu Repressionen führen und im schlimmsten Fall tödlich enden.
Darüber hat sich nun auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) Gedanken gemacht. Er will den Export von Technologie zur Überwachung digitaler Kommunikation aus Deutschland verbieten, wenn sie Unrechtsregime zum Ziel haben. »Autoritäre Regime unterdrücken ihre Bevölkerung schon lange nicht mehr nur mit Panzern und Maschinengewehren, sondern zunehmend auch mit Internet-Überwachungstechnologie«, begründete Gabriel sein Vorhaben gegenüber der »Süddeutschen Zeitung«. Regierungen, die »Bürgerrechtsbewegungen unterdrücken und Menschenrechte nicht akzeptieren«, sollen künftig keine Adressaten von Spähsoftware made in Germany mehr sein.
Mit der Umsetzung der Idee hat Gabriel bereits begonnen. Sein Ministerium soll den Zoll angewiesen haben, bei der Ausfuhr von Überwachungstechnologie besonders darauf zu achten, welches Ziel sie hat und ob der Export genehmigt ist. In »problematischen Fällen« soll der Export verboten werden. Ziel muss laut Gabriel jedoch keine deutsche Alleinlösung sein sondern eine strengere Exportkontrolle auf EU-Ebene.
Um Spähsoftware einzusetzen, wird häufig auch entsprechende Hardware benötigt, die die Unternehmen teilweise mitliefern. Darüber hinaus senden die Unternehmen häufig Experten, die die Software einrichten. Eine deutsche Zollkontrolle alleine kann dabei nicht viel ausrichten, fürchtet der LINKEN-Bundestagsagbeordnete Andrej Hunko. »Es ist zu befürchten, dass die Hersteller solcher Tools künftig mehr auf das Internet ausweichen«, sagte er gegenüber »nd«. Darüber hinaus unterhielten viele Hersteller Mutter- oder Tochterfirmen im Ausland, über die ein Verkauf bequemer organisiert werden könne. »Sinn macht eine Maßnahme nur, wenn sie international abgestimmt ist, etwa im Rahmen des ›Wassenaar-Abkommens‹ oder anderer, internationaler Ausfuhrkontrollverfahren.«
Ein Verbot von Überwachungstechnologie fordert auch die im April gegründete Koalition gegen Exporte von Überwachungstechnologie (CAUSE). Der Verschlüsselungsexperte Rüdiger Weis, dessen Verein Digitale Gesellschaft der Koalition angehört, begrüßte den Vorstoß Gabriels. Aber: »Eine gesetzliche Regelung in Deutschland kann allerdings nur als Auftakt einer europäischen Lösung verstanden werden«, sagte er gegenüber »nd«. Das Verbot dürfe nicht auf wenige Staaten eingeschränkt werden, forderte Selmin Çalışkan, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland. »Wir brauchen ein grundsätzliches Exportverbot«, so Çalışkan. Davon dürfe nur eine Ausnahme gemacht werden, wenn zweifelsfrei festgestellt werden könne, dass Menschenrechte nicht gefährdet seien. Amnesty hat sich ebenfalls CAUSE angeschlossen.
Solange es kein generelles Exportverbot gebe, müsse Gabriels Ministerium eine Liste vorlegen mit den Staaten, in die deutsche Unternehmen keine Spähsoftware mehr liefern dürfen, fordern die in CAUSE zusammengeschlossenen Organisationen. Auch müsse das Außenwirtschaftsrecht angepasst werden.
Deutsche Firmen gehören weltweit zu den Marktführern auf dem Gebiet. Rund zwanzig deutsche Firmen bieten Spähsoftware an, weltweit sind es der Organisation Privacy International (PI) zufolge 255. Im vergangenen Jahr reichte PI unter anderem gemeinsam mit dem Bahrain Center vor Human Rights eine Beschwerde bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gegen zwei führende Unternehmen auf dem Gebiet ein: das Münchener Unternehmen Trovicor und die britisch-deutsche Gamma Group. Bisher ohne Erfolg.
* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 21. Mai 2014
Spähsoftware verbieten
Johanna Treblin über das Exportverbot für Überwachungstechnologie **
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel will den Export von Spähsoftware verbieten. Dem Zoll habe er bereits entsprechende Anweisungen gegeben. Regierungen, die Bürgerrechtsbewegungen unterdrücken und Menschenrechte nicht akzeptieren, sollen künftig keine Empfänger von Spähsoftware made in Germany mehr sein. Doch abgesehen von der Frage, ob Gabriel zu diesem Schritt überhaupt berechtigt ist, stellt sich vor allem diese: Wer ist im Sinne des Wirtschaftsministers ein solcher Staat? Zählt er die USA dazu, für die – wie im Falle von Edward Snowden und Chelsey Manning – Menschenrechte wertlos sind, wenn sie Geheimnisverrat wittern? Wohl kaum.
Ein solches Exportverbot nutzt entsprechend zwar möglicherweise Menschenrechtlern in Bahrain oder Usbekistan, die künftig weniger Angst vor Repressalien ihrer Regierung haben müssen. Ihnen aber lediglich, wenn ein Bann nicht nur europa-, sondern weltweit durchgesetzt wird. Und schützt nicht die Milliarden von Menschen, die von den Geheimdiensten der westlichen Welt unter Generalverdacht gestellt wurden und vorsichtshalber ausgespäht werden – namentlich durch die USA. Sollte sich dabei der Verdacht auf regimefeindliche Aktivitäten herausstellen, dann leben auch westliche Menschrechtler gefährlich. Ihnen hilft ein Exportverbot von Spähsoftware nach Bahrain: gar nicht.
** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 21. Mai 2014 (Kommentar)
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