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Das Letzte vom Schreibmaschinen-Mann

Die Kämpfe in Irak und die Freiwilligenmeldungen aus der zweiten Reihe deutscher Politik

Von René Heilig *

Kanzlerin Angela Merkel ist bereit, demnächst vor dem Bundestag eine Regierungserklärung zu Waffenlieferungen nach Irak abzugeben. Die zweite Reihe deutscher Politik versucht schon zu soufflieren.

Ein Major mit Einsatzverwendung im Einsatzführungskommando der Bundeswehr hat was zu melden. Er heißt Patrick Sensburg, ist Bundestagsabgeordneter der CDU und sagte via »Berliner Kurier« zum Thema Irakhilfe: »Wenn man befrieden will, muss man ehrlich sein. Es wäre sinnvoll, wenn deutsche Soldaten zur Verteilung der Hilfsgüter sowie insbesondere zum Schutz der Flüchtlingslager vor Ort eingesetzt würden.«

Sensburg? Der ist clever. Als Chef des NSA-Untersuchungsausschusses will er Schreibmaschinen einsetzen, um abhörsicher zu sein. Man sollte nicht zu früh lachen – es sei denn, man arbeitet in der Chefetage des deutschen Schreibmaschinenherstellers Olympia. Dort erwartet man in diesem Jahr – so wurde nach Sensburgs Vorschlag bekannt – eine Verdoppelung der Verkaufszahlen. Mehr als 10 000 Stück will man verkaufen.

Es bleibt zu wünschen, dass nicht alle Ideen des Major Sensburg so viel Gehör finden. Doch wurde er von seinem Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer am Freitag im »Deutschlandfunk« nicht zurückgepfiffen. Der sagte, er habe auch schon davon gehört, dass einige der Waffen, die Deutschland an die kurdischen Peschmerga liefern will, kompliziert und folglich Ausbilder vonnöten wären. Darüber hat – siehe »nd« vom 21. August – ein zweiter CDU-Abgeordneter, der Oberst Roderich Kiesewetter, nachgedacht. Grosse-Brömer sagte, »...in welchem Umfang da eine Ausbildung noch erforderlich ist, werden wir sehen, die Prüfung ist eben abzuwarten«.

Abwarten will der Grünenabgeordnete Omid Nouripour nicht. Er weißt nicht nur per Twitter darauf hin, dass man zum »Islamischen Staat« weiter ISIS sagen soll. Denn mit der Umbenennung habe die Terrortruppe nur versucht, ihren »Machtanspruch zu entgrenzen«. Was ja auch gelungen ist. Doch der ehemalige Verteidigungs- und nun Außenpolitikexperte seiner Fraktion geht weiter. Schon vor Wochenfrist regte er an, den US-Einsatz durch die deutsche Luftwaffe unterstützen lassen. »Immer von deutscher Verantwortung in der Welt zu sprechen, und dann sich in die Büsche schlagen, wenn es ungemütlich wird, das geht nicht.«

Schon weil man dann irgendwie ja gar nicht die weltpolitische Rolle spielt, von der der Bundespräsident bereits mehrfach gepredigt hat. Manchem deutschen Politiker ist es sicher peinlich, wenn US-Verteidigungsminister Chuck Hagel am Donnerstag öffentlich die »Partnerschaft des Vereinigten Königreiches, Kanadas, Frankreichs, Italiens und Australiens« lobt. Während Deutschland nur indirekt in Hagels Forderung vorkommt, er erwarte, »dass in dieser Woche mehr Nationen mit mehr Unterstützung« hinzukommen.

Bei den – in der Waffenlieferungsfrage durchaus nicht einigen – LINKEN findet sich wohl niemand, der an Soldatenexport auch nur denkt. SPD-Sachkundige zögern bei der Forderung, deutsche Soldaten an die Front zu schicken. Sie verweisen zurecht darauf, dass es keinen Plan für die Region gibt, der einen militärischen Einsatz vom Ende her denkt. Und das, so wissen alle, die das Afghanistan-Abenteuer analytisch verfolgen, ist – wie immer man zu solchen Operationen im Detail steht – ein absolutes Muss.

Pentagon-Chef Hagel hat deutlich gemacht, dass die USA bereits jetzt auch mehr leisten, als Waffen an die Kurden zu verteilen und IS-Stellungen zu bombardieren. So ließen sich die Terroristen aus ihren Stellungen am Mossul-Staudamm verdrängen. Tatsache bleibt aber, dass sich der IS auch durch noch mehr Engagement aufseiten der Kurden nicht nachhaltig vertreiben lässt.

Dieser Tage haben Resteinheiten des irakischen Heeres, schiitische Milizen und die Luftwaffe Bagdads bei Tikrit – das liegt gut 200 Kilometer südlich von Mossul – abermals ihre Kampfunfähigkeit bewiesen. Die IS-Milizen stehen auch vor Amerli, das gut 100 Kilometer östlich von Tikrit liegt. In der 20 000-Einwohner-Stadt leben vor allem schiitische Turkmenen. Unter anderem in Berichten des UN-Radios kann man Erschreckendes über die Situation der Einwohner hören, die aus Sicht der IS-Terroristen – wie die Jesiden – der falschen Religion folgen. Es gibt viele irakische Orte, die wie Amerili ohne den Schutz der Peschmerga rasch von den hochmobilen IS-Truppen erreicht, eingeschlossen und auch überrannt werden können. Wer hilft denen?

Was immer Deutschland in dieser völlig verfahrenen Situation tut, was immer Deutschland nicht tut – es ist falsch. Auch der Vorwurf, dass die katastrophale Lage in Irak wie in Syrien die Folge der interventionistischen Politik des Westens sei, bringt den aktuell bedrohten Menschen vor Ort nichts. Doch der Rückblick darauf sollte zumindest vor einer Fortsetzung dieser fehlerhaften Politik warnen. Mit Sicherheit kann es kein Fehler sein, die Menschen vor Ort mit Hilfsgütern – Lebensmitteln, Medizin, Zelten, Kleidern, aber auch durch medizinisches Personal für Flüchtlingscamps – zu unterstützen.

Am Freitagmorgen flog eine AN-124 von Leipzig ins Krisengebiet. Sie hat 60 Tonnen Lebensmittel an Bord. Und dazu achteinhalb Tonnen Sanitätsmaterial, das Österreich bereitgestellt hat. Auf dem Rückweg wird Material aus dem Afghanistan-Krieg nach Deutschland zurückgeflogen. Es wird noch gebraucht.

* Aus: neues deutschland, Samstag 23. August 2014


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