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Erstklassiges für Drittländer

Deutscher Rüstungsexport boomt, Entwicklungsländer sind als Kunden beliebt

Von René Heilig *

Es geht nicht nur um Kampfpanzer und U-Boote. Auch andere Spitzenprodukte bringen Tod. Deutschland steigerte die Rüstungsexporte im Jahr 2013 besonders in sogenannte Drittländer erheblich.

Made in Germany – auf diesen Ausweis für erstklassige Produkte achten Käufer auch bei Rüstungsgütern. Sie sind gefragt, und die Bundesregierung genehmigte 2013 Einzelausfuhrgenehmigungen im Gesamtwert von 5,845 Milliarden Euro. Das ist ein Zuwachs von 24 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Kriegsmaterial im Wert von 3,6 Milliarden Euro ist für sogenannte Drittländer bestimmt. Dabei handelt es sich um Staaten, die weder zur EU noch zur NATO gehören und diesen Ländern auch nicht gleichgestellt sind, wie beispielsweise Israel. Gegenüber dem Vorjahr lässt sich eine Steigerung um 62 Prozent errechnen.

Unter den Top 10 der Empfänger, für die Einzelexportgenehmigungen eingeholt wurden, finden sich Algerien (826 Millionen Euro), Katar (673 Millionen Euro), Saudi-Arabien (361 Millionen Euro), Indonesien (296 Millionen Euro), Südkorea (207 Millionen Euro) und Singapur (206 Millionen Euro). Zusätzlich zu den einzelnen Exportgenehmigungen gibt es sogenannte Sammelausfuhrgenehmigungen. Die werden laut Wirtschaftsministerium pauschal an »besonders zuverlässige Ausführer« vergeben. 2013 gab es insgesamt 56 im Wert von 2,5 Milliarden Euro. 15 Sammelausfuhrgenehmigungen betreffen Drittstaaten.

»Furchterregend« nennt Jan van Aken diese Entwicklung. Der Abrüstungsexperte der Bundestagslinksfraktion kritisiert, dass Kanzlerin Angela Merkel komplett die kritische Debatte um Waffenexporte ignoriert und »immer hemmungsloser auch noch den letzten Diktator mit deutschen Waffen versorgt«.

Dass van Aken vor allem auf Merkel zeigt, hat einen Grund. Bereits vor zwei Jahren hatte die Kanzlerin bei einer Bundeswehrtagung in Strausberg die Losung ausgegeben: Lieber Waffen- als Soldatenexport. »Wer sich der Friedenssicherung verpflichtet fühlt, aber nicht überall auf der Welt eine aktive Rolle in der Friedenssicherung übernehmen kann, der ist auch dazu aufgerufen, vertrauenswürdigen Partnern zu helfen, damit sie entsprechende Aufgaben übernehmen«, sagte Merkel damals. Die Regierungschefin vergaß dabei zu erwähnen, dass diese »Friedenssicherung« auch höchst lukrativ für die deutsche Wirtschaft ist.

Beispiel Algerien. Das Land gehört zwar vom Pro-Kopf-Einkommen her zu den reicheren Ländern Afrikas. Doch die sozialen und politischen Unterschiede sind gravierend. Immer wieder kommt es aus diesen sowie anderen, beispielsweise ethnischen Gründen zu Unruhen. Insgesamt, so stellt Amnesty International fest, habe die Gewalt seit dem Ende der 1990er Jahre nachgelassen. Dennoch komme es weiterhin zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Den Verantwortlichen für schwere Menschenrechtsverletzungen wird dabei Straffreiheit garantiert. Das Schicksal von über 6000 »Verschwundenen« ist nicht aufgeklärt. Folter und geheime Haft sind an der Tagesordnung, wenn jemand als Terrorist verdächtigt wird. Kritik an hohen Amtsträgern und an den Sicherheitskräften ist strafbar. Das mussten zahlreiche Demonstranten erst jüngst wieder erleben. Sie hatten – nachdem bekannt geworden war, dass der sieche Präsident Bouteflika eine vierte Amtsperiode angeht – protestiert und wurden misshandelt.

Das Entwicklungsland am Mittelmeer hält rund eine halbe Million Männer unter Waffen: Militär, Paramilitärs, kommunale Verteidigungstruppen. Deren Ausrüstungsbedarf ist gigantisch. Auch dank der Vor-Ort-Fürsprache von Kanzlerin Merkel boomt der Absatz deutscher Produkte. Aufgebaut wird ein Grenzsicherungssystem, man exportierte Radpanzer »Fuchs« und bereitete die Fertigung dieses Truppentransporters in Algerien vor. ThyssenKrupp Marine Systems liefert zwei Fregatten der Meko-Baureihe und plant, zwei weitere im Land selber zu fertigen. Bevor die Schiffe schwimmen, hat die Bundeswehr mit der Ausbildung der Besatzungen begonnen.

Glaubt man seinen Worten, so ist SPD-Chef Sigmar Gabriel strickt gegen die Fortsetzung dieser Rüstungsexportpolitik. Er wolle erreichen, dass Deutschland generell weniger Waffen exportiert, sagte er unlängst. An Länder, in denen Bürgerkrieg herrscht, und an Unrechtsregime sollten überhaupt keine Waffen verkauft werden, betont der Vizekanzler und plädiert für mehr Transparenz bei der Genehmigung von Rüstungslieferungen. Die werden in seinem Wirtschaftsministerium ausgestellt. Gabriel hat es also in der Hand, Änderungen herbeizuführen. Ganz abgesehen davon könnte sich die SPD auf diesem Gebiet wahrlich gegenüber ihrem Koalitionspartner, der Union, profilieren. So die Sozialdemokraten das wirklich wollen.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 13. Mai 2014

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